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Bundesgerichtshof bejaht grundsätzliche Einstandspflicht von
D&O-Versicherungen gegenüber Geschäftsführern für Ansprüche nach § 64 GmbHG und stellt sich damit gegen Rechtsauffassung des OLG Düsseldorf und OLG Frankfurt

4. Dezember 2020

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 18. November 2020 (Az.: IV ZR 217/19) entschieden, dass D&O-Versicherungen im Grundsatz für die Haftung von Geschäftsführern einstehen müssen, wenn diese für Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife gemäß § 64 Satz 1 GmbHG in Anspruch genommen werden.

Mit diesem Urteil stellt sich der Bundesgerichtshof gegen die diesseits bereits mehrfach kritisierte Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf, welches die Einstandspflicht von D&O-Versicherungen vor allem aufgrund rechtsdogmatischer Erwägungen verneint hatte. So hatte das OLG Düsseldorf, ebenso wie das OLG Frankfurt am Main als Berufungsgericht in vorliegender Entscheidung, sich auf den Standpunkt gestellt, dass eine Einstandspflicht der D&O-Versicherung deshalb ausscheide, weil es sich bei dem Anspruch aus § 64 Satz 1 GmbHG nicht um einen gesetzlichen Haftpflichtanspruch auf Schadensersatz im Sinne der Versicherungsbedingungen handele, sondern um einen "Ersatzanspruch eigener Art".

Dieser rechtlichen Argumentation ist der Bundesgerichtshof nun entgegengetreten. Einzig nachvollziehbar stellt er darauf ab, wie die Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer D&O-Versicherung von einem auch mit AGB vertrauten Geschäftsführer auszulegen sind. Ein Geschäftsführer könne – so die lebensnahe Entscheidung des Bundesgerichtshofs – gerade nicht ohne weiteres erkennen, dass ein Anspruch aus § 64 GmbHG gerade kein Schadensersatzanspruch der von ihm geleiteten Gesellschaft, sondern einen Anspruch "sui generis" sei. In aller Klarheit führt der Bundesgerichtshof insofern aus, dass 

"selbst von einem geschäftserfahrenen mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen vertrauten, dennoch nicht juristisch oder versicherungsrechtlich vorgebildeten Versicherungsnehmer/Versicherten einer D&O-Versicherung weder diese komplexe rechtsdogmatische Einordnung des Anspruchs aus § 64 Satz 1 GmbHG noch ein darauf gestütztes Verständnis des in Ziff. 1.1 ULLA formulierten Leistungsversprechend erwartet werden".

Klarstellend ergänzt der Bundesgerichtshof bei dieser Auslegung noch, dass für einen Geschäftsführer letztlich entscheidend sei, dass eine D&O-Versicherung einstehen müsse, wenn er "den Zustand vor Vornahme seiner pflichtwidrigen Zahlung wiederherzustellen hat, gleichviel, ob dies der Gesellschaft oder den Gesellschaftsgläubigern zugutekommt".

Der vorliegende Rechtsstreit ist damit jedoch noch nicht entschieden. Der Bundesgerichtshof musste die Sache an das Oberlandesgericht Frankfurt am Main zurückverweisen, da dieses nunmehr u.a. zu prüfen hat, ob der Versicherte seine Pflichten im Zusammenhang mit der fortwährenden Prüfung des Eintritts der Insolvenzreife der Versicherungsnehmerin und die unterlassene Insolvenzantragsstellung möglicherweise vorsätzlich verletzt hat. Zudem sind im vorliegenden Fall noch Feststellungen zur Höhe des Anspruchs gemäß § 64 Satz 1 GmbHG erforderlich.

Im Ergebnis ist dieses Urteil aber mehr als zu begrüßen, da es nunmehr Klarheit für die Versicherungsnehmer bietet und sich zudem sicherlich auch auf verschiedene noch offene Fallkonstellationen auswirkt, in denen Insolvenzverwalter ehemalige Geschäftsführer nach § 64 Satz 1 GmbHG in Anspruch nimmt. 

Im Detail zu den hier relevanten Fragestellungen sowie der Kritik an der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf (Markgraf/Henrich, NZG 2018, 1290).

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