#GMW-BLOG: AKTUELLE RECHTS­­ENTWICK­LUNGEN

Video­botschaf­ten von Ak­tionären 
im Rah­men der virtuellen Haupt­versammlung

27. November 2020

Auch die Hauptversammlungssaison 2020 war geprägt von den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie. Die vom Gesetzgeber im Rahmen einer Notfallgesetzgebung in kürzester Zeit geschaffene Möglichkeit einer virtuellen Hauptversammlung hat sich als Kriseninstrument bewährt; zuletzt wurde aber auch vermehrt Kritik an der unzureichenden Einbindung der Aktionäre laut. Aufgrund der anhaltenden Pandemie wurde das Notfallregime kürzlich bis Ende 2021 verlängert. Die virtuelle Hauptversammlung geht also in die zweite Runde. Vor diesem Hintergrund beleuchtet der folgende Beitrag die freiwillige Berücksichtigung von Aktionärsstellungnahmen im Rahmen der virtuellen Hauptversammlung und berichtet von ersten diesbezüglichen Erfahrungen aus der Praxis.

In der abgelaufenen Hauptversammlungssaison wurden Aktionärsstellungnahmen im Rahmen der virtuellen Hauptversammlung nur sehr vereinzelt zugelassen. So hat etwa die Deutsche Bank AG ihren Aktionären ermöglicht, im Vorfeld der Hauptversammlung Stellungnahmen in Textform einzureichen, die dann auf der Internetseite der Gesellschaft zugänglich gemacht wurden, und die Vonovia SE hat während der virtuellen Hauptversammlung Videobotschaften von ausgewählten Aktionären bzw. Aktionärsvereinigungen eingespielt. Zuletzt hat dann die GEA Group Aktiengesellschaft als erstes von den im DAX oder MDAX vertretenen Unternehmen ihren Aktionären die Möglichkeit eröffnet, im Vorfeld der Hauptversammlung Stellungnahmen sowohl in Textform als auch in der Form von Videobotschaften einzureichen, die dann auf der Internetseite zugänglich waren bzw. im Fall von Videobotschaften auch während der Versammlung eingespielt worden sind.

Schon in Anbetracht des Gleichbehandlungsgrundsatzes gemäß § 53a AktG sollte die Einberufung die Möglichkeit zur Einreichung von Stellungnahmen und das diesbezügliche Verfahren für alle Aktionäre der Gesellschaft hinreichend klar beschreiben. Vor diesem Hintergrund gibt der vorliegende Beitrag – nach einem kurzen Überblick über den Rechtsrahmen – praktische Empfehlungen zur freiwilligen Einbeziehung von Aktionärsstellungnahmen in die virtuelle Hauptversammlung.

Rechtlicher Rahmen

Das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27. März 2020 (COVID-Folgenabmilderungsgesetz), das den rechtlichen Rahmen für die virtuelle Hauptversammlung schafft, enthält lediglich Mindestvorgaben für die Abhaltung einer virtuellen Hauptversammlung und die den Aktionären in diesem Rahmen zu gewährenden Rechte. Hiernach steht den Aktionären im Rahmen der virtuellen Hauptversammlung kein Auskunftsrecht nach dem Maßstab des § 131 AktG zu, sondern lediglich ein diesem gegenüber deutlich reduziertes Fragerecht. Der Vorstand entscheidet nach pflichtgemäßem, freiem Ermessen, welche Fragen er wie beantwortet, und kann dabei insbesondere auch zusammenfassen und im Interesse der anderen Aktionäre sinnvolle Fragen auswählen sowie Aktionärsvereinigungen und Institutionelle Investoren mit bedeutenden Stimmanteilen bevorzugen. Hinzu kommt, dass in der Hauptversammlungssaison 2020 nahezu alle im DAX und MDAX vertretenen Gesellschaften die virtuellen Hauptversammlungen nur mit Briefwahl und Vollmachtsstimmrecht (und nicht mit echter Online-Teilnahme) durchgeführt haben, so dass sich die Aktionäre in der Versammlung auch nicht zu Wort melden oder Anträge stellen konnten.

Eine Regelung bzgl. des Rederechts der Aktionäre enthalten die Mindestvorgaben des COVID-Folgenabmilderungsgesetzes nicht. Die Wiedergabe von Stellungnahmen der Aktionäre durch die Gesellschaft oder die Veröffentlichung von Videobotschaften vor oder während der virtuellen Hauptversammlung stellt allerdings ein Minus gegenüber dem Rederecht der Aktionäre dar, das diesen im Rahmen einer Präsenzversammlung ohne Weiteres zusteht. Daher bestehen gegenüber der freiwilligen Zulassung von Aktionärsstellungnahmen keine grundsätzlichen Bedenken. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gemäß § 53a AktG ist allerdings – wie oben erwähnt – zu beachten und erfordert eine transparente Darstellung in der Einberufung.

Ausgestaltung und Beschreibung der Stellungnahmemöglichkeit in der Einberufung

Mit Blick auf die Beschreibung der Stellungnahmemöglichkeit und deren Wahrnehmung sollte die Einberufung zunächst die zulässigen Formen der Stellungnahmen festlegen, wobei sich unter praktischen Gesichtspunkten die Zulassung von Stellungnahmen in Textform und in der Form von Videobotschaften anbieten. Zudem sollte die Einberufung genau festlegen, bis zu welchem Zeitpunkt Stellungnahmen bei der Gesellschaft eingereicht werden können. Insofern erscheint es sinnvoll, jedenfalls die im COVID-Folgenabmilderungsgesetz für die Einreichung von Fragen genannte Frist von zwei Tagen vor der Hauptversammlung aufzunehmen, damit ausreichend Zeit für die Sichtung der eingereichten Stellungnahmen zur Verfügung steht. Wenn die Gesellschaft – wie dies vermehrt praktiziert worden ist – schon vor diesem Zeitpunkt die Rede des Vorstandsvorsitzenden im Internet veröffentlicht, haben die Aktionäre gleichwohl – wie in der Präsenz-Hauptversammlung – die Möglichkeit, hierauf zu reagieren.

Schließlich sollte das Verfahren der Einreichung erläutert werden, wobei auch auf die Internetseite der Gesellschaft verwiesen werden kann. Mit Blick auf den Inhalt der Stellungnahmen empfiehlt es sich, einen Bezug zur Tagesordnung zu fordern, um die Veröffentlichung von Stellungnahmen, die einen solchen Bezug nicht aufweisen, mit dieser Begründung ablehnen zu können. Außerdem sollte der Umfang der Stellungnahmen auf ein angemessenes Maß begrenzt werden, um – in Anlehnung an § 126 Abs. 2 Satz 2 AktG – die Veröffentlichung überlanger Beiträge ablehnen zu können. Eine Dauer von mehr als zwei Minuten dürfte sich nicht empfehlen, da bei großen Gesellschaften im Falle der Zusendung zahlreicher Videobotschaften ansonsten die Gefahr besteht, dass die "Generaldebatte" durch langatmige Beiträge erlahmt.

In Bezug auf den Umgang der Gesellschaft mit den eingehenden Stellungnahmen der Aktionäre ist zunächst die Form der vorgesehenen Veröffentlichung zu erläutern. Dabei bietet es sich an, sowohl Stellungnahmen in Textform als auch solche in der Form einer Videobotschaft bereits im Vorfeld der Versammlung auf der Internetseite der Gesellschaft zugänglich zu machen. Darüber hinaus liegt der Mehrwert von Videobotschaften gerade darin, dass sie während der Versammlung eingespielt werden und damit einen Eindruck vermitteln können, der nah an dem eines Redebeitrags in einer Präsenzversammlung liegt. Auf der anderen Seite sollte in der Einberufung auch der ausdrückliche Hinweis enthalten sein, dass kein Rechtsanspruch der Aktionäre auf die Veröffentlichung einer eingereichten Stellungnahme besteht. Denn – wie bei der Vorabeinreichung von Fragen – kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei der Gesellschaft eine Flut von Stellungnahmen eingeht, die dann praktisch nicht beherrschbar sein wird. Zudem sollte die Einberufung einen speziellen, nicht abschließenden Vorbehalt enthalten, bestimmte Stellungnahmen nicht zu veröffentlichen. Dies betrifft etwa Stellungnahmen mit beleidigendem oder strafrechtlich relevantem Inhalt oder solche, die den vorgegebenen Umfang überschreiten oder nicht rechtzeitig bei der Gesellschaft eingereicht wurden. 

Neben den Hinweisen zum Umgang mit eingehenden Stellungnahmen empfiehlt es sich, in der Einberufung letztlich noch klarzustellen, dass Fragen der Aktionäre ausschließlich auf dem dafür gesondert vorgesehenen Weg einzureichen sind. Insofern sollte ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass Fragen, die nur in einer Stellungnahme enthalten sind und nicht auch auf dem dafür vorgesehenen Weg eingereicht wurden, von der Gesellschaft nicht beantwortet werden. Gleiches gilt für etwaige Anträge, sofern die Gesellschaft nach §§ 126, 127 AktG ordnungsgemäß zugegangene Gegenanträge und Wahlvorschläge über die sog. Fiktionslösung als in der Hauptversammlung gestellt behandelt. 

Fazit

Die Veröffentlichung von Aktionärsstellungnahmen, insbesondere in der Form von Videobotschaften, erscheint als ein geeignetes Mittel, um die Aktionäre über die Mindestvorgaben des COVID-Folgenabmilderungsgesetzes hinaus an der Hauptversammlung zu beteiligen. Speziell Videobotschaften vermögen einen Eindruck zu vermitteln, der nah an dem eines Redebeitrags in der Präsenzversammlung liegt, und können zudem dazu beitragen, die virtuelle Hauptversammlung etwas lebendiger zu gestalten. Sofern die Einberufung konkrete Vorgaben für die Einreichung der Aktionärsstellungnahmen macht, scheint der Umgang mit diesen für die Gesellschaften auch gut beherrschbar.

Insofern ist nach der zuletzt vermehrt geübten Kritik an der unzureichenden Einbindung der Aktionäre im Rahmen der virtuellen Hauptversammlung zu erwarten, dass den Aktionären in der nun anstehenden zweiten virtuellen Hauptversammlungssaison deutlich häufiger die Möglichkeit gegeben werden wird, sich in den Versammlungen mittels Videobotschaften o.ä. einzubringen. Zugleich wird es spannend sein zu sehen, wie die Aktionäre die Möglichkeit zur Einreichung von Stellungnahmen in der Breite annehmen werden. 

Der Blogbeitrag steht hier für Sie zum Download bereit: Videobotschaften von Aktionären im Rahmen der virtuellen Hauptversammlung

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