Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht aufgrund der COVID-19-Pandemie – ein Überblick

#FOKUS: COVID-19-PANDEMIE / UNTER­NEHMENS­STABILISIERUNGS- UND -RESTRUKTURIERUNGS­GESETZ

Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht aufgrund der COVID-19-Pandemie – ein Überblick

23. März 2021

Die COVID-19-Pandemie und die Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung haben große Teile der deutschen Wirtschaft hart getroffen und belasten unzählige Unternehmen weiterhin erheblich. Zur Unterstützung der Unternehmen bei der Bewältigung dieser Herausforderung wurde durch das COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz (COVInsAG) vom 27. März 2020 die Insolvenzantragspflicht gem. § 15a Abs. 1 InsO – zunächst bis zum 30. September 2020 – ausgesetzt. Im weiteren Verlauf der COVID-19-Pandemie wurden die dafür geschaffenen gesetzlichen Regelungen mehrfach verlängert, angepasst und ergänzt.

Der nachfolgende Beitrag zeigt die Entwicklung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht seit März 2020 kurz auf und nimmt dabei im Besonderen die jüngsten gesetzgeberischen Tätigkeiten seit Januar 2021 in den Blick. Dabei ist auch darauf hinzuweisen, dass die derzeitige COVID-19-Pandemie eben nicht zu einer Aufhebung der Insolvenzantragspflicht an sich geführt hat, sondern eben nur für bestimmte Fallkonstellationen eingeschränkt hat. Abschließend wird auch den mit der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht verbundenen Folgewirkungen Berücksichtigung geschenkt.

DIE GESETZESLAGE BIS ZUM 31. DEZEMBER 2020

I. Schaffung des COVInsAG: Aussetzung der Insolvenzantragspflicht

Das am 27. März 2020 erlassene COVInsAG legte in § 1 Abs. 1 Satz 1 COVInsAG fest, dass die Insolvenzantragspflicht gem. § 15a Abs. 1 InsO und § 42 Abs. 2 BGB rückwirkend vom 1. März 2020 bis zum 30. September 2020 ausgesetzt wird. Diese Aussetzung der Insolvenzantragspflicht galt sowohl für die Zahlungsunfähigkeit als auch für die Überschuldung als Eröffnungsgründe für das Insolvenzverfahren.

Nach § 1 Abs. 1 S. 1 COVInsAG stand die Aussetzung indes unter der Voraussetzung, dass die Insolvenzreife auf der COVID-19-Pandemie beruht und dass – im Falle der Zahlungsunfähigkeit – die Aussicht besteht, die Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Als Beweiserleichterung für die betroffenen Unternehmen wurde in Satz 3 dieser Norm weiter vermutet, dass die Insolvenzreife auf der COVID-19-Pandemie beruht und dass die Aussicht auf Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit zu bejahen ist, wenn das betroffene Unternehmen am 31. Dezember 2019 nicht zahlungsunfähig war.

II. Anpassungen des COVInsAG an die Entwicklung der COVID-19-Pandemie

Die zuvor genannte Regelung zur Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wurde aufgrund der andauernden COVID-19-Pandemie durch Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des COVInsAG am 25. September 2020 um einen Abs. 2 ergänzt. In § 1 Abs. 2 COVInsAG wurde die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für den Zeitraum vom 1. Oktober 2020 bis zum 31. Dezember 2020 verlängert, wobei diese Verlängerung jedoch ausdrücklich nur für den Eröffnungsgrund der Überschuldung galt. Für den Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit wurde die Aussetzung dagegen nicht verlängert, sodass die Insolvenzantragspflicht nach § 15a Abs. 1 InsO für diesen Zeitraum wieder Geltung beanspruchte.

Diese Beschränkung folgte nach der Gesetzesbegründung daraus, dass die Rechtfertigungsbedürftigkeit für die Aussetzung von Antragspflichten bei Zahlungsunfähigkeit ungleich höher ist als bei Überschuldung. Bei zahlungsunfähigen Unternehmen sei die Fortführung der Tätigkeit nämlich generell – auch unter normalen Umständen – äußerst unwahrscheinlich. Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf die Integrität des Marktprozesses sei die "Verschonung" zahlungsunfähiger Unternehmen nicht notwendig und nicht verhältnismäßig.

Die COVID-19-Pandemie musste auch im Rahmen des § 1 Abs. 2 COVInsAG – wie bereits bei § 1 Abs. 1 des COVInsAG – die Ursache für die Insolvenzreife sein. Dabei dürfte die Vermutungsregel des § 1 Abs. 1 Satz 3 COVInsAG auf § 1 Abs. 2 COVInsAG keine Anwendung finden, da sich diese wohl nur auf den Fall der Zahlungsunfähigkeit bezieht.#

Die Gesetzeslage Ab Januar 2021

Zuletzt wurde § 1 COVInsAG im Januar 2021 nun durch Art. 10 des Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetzes (SanInsFoG) sowie ein weiteres Mal durch Art. 1 des Gesetzes u.a. zur Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vom 15. Februar 2021 geändert und aktualisiert. 

Durch das SanInsFoG wurde § 1 COVInsAG um einen dritten Absatz ergänzt. Dieser neue § 1 Abs. 3 COVInsAG setzte die Insolvenzantragspflicht zunächst für den Zeitraum vom 1. Januar 2020 bis zum 31. Januar 2020 aus, wobei – anders als noch im durch § 1 Abs. 2 COVInsAG erfassten Zeitraum – von der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wieder beide Eröffnungsgründe, also die Zahlungsunfähigkeit und die Überschuldung, erfasst sind. Die zu § 1 Abs. 2 COVInsAG angegebene Begründung zur Differenzierung zwischen den Insolvenzgründen wurde hier nicht mehr aufgegriffen, vielmehr ist jetzt in der Begründung zum SanInsFoG von "Überlappungen" zwischen drohender Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung die Rede. Der Aussetzungszeitraum nach § 1 Abs. 3 COVInsAG wurde im Februar 2021 dann bis zum 30. April 2021 verlängert, um so Verzögerungen bei der Bearbeitung der Anträge auf staatliche Hilfeleistungen Rechnung zu tragen.

Die Anforderungen an die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wurden im Rahmen des § 1 Abs. 3 COVInsAG weiter erhöht, was von elementarer Bedeutung ist und – dies zeigt die anwaltliche Beratung derzeit sehr deutlich – von Unternehmen und Geschäftsleitern übersehen wird. Erforderlich ist nunmehr, dass die Geschäftsleiter der betroffenen Unternehmen im Zeitraum zwischen dem 1. November 2020 und dem 28. Februar 2021 einen Antrag auf Gewährung staatlicher Hilfsleistungen zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie gestellt haben oder – wenn eine Antragstellung im vorgenannten Zeitraum nicht möglich war – nach den Bedingungen des betreffenden staatlichen Hilfsprogramms in den Kreis der Antragsberechtigten fallen. Darüber hinaus darf die Antragstellung nicht offensichtlich aussichtslos oder die erlangbare staatliche Hilfeleistung für die Beseitigung der Insolvenzreife nicht unzureichend sein. § 1 Abs. 3 COVInsAG stellt die Suspendierung der Antragstellung also insgesamt unter die Prämisse einer positiven Prognose der Abwendung einer pandemiebedingten Insolvenz durch staatliche Hilfeleistungen.

FOLGEWIRKUNGEN DER AUSSETZUNG DER INSOLVENZANTRAGSPFLICHT

Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nach § 1 COVInsAG zieht zudem in § 2 COVInsAG einige bedeutsame Folgewirkungen nach sich. Hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang die Regelungen zur Geschäftsleiterhaftung sowie zu bestimmten Aspekten der Insolvenzanfechtung.

Mit Blick auf die Geschäftsleiterhaftung wegen pflichtwidriger Zahlungen nach Insolvenzreife – nunmehr gesellschaftsformübergreifend in § 15b InsO kodifiziert – stellt § 2 Abs. 1 Nr. 1 COVInsAG die Vermutung auf, dass, soweit nach § 1 Abs. 1, 3 COVInsAG die Pflicht zur Stellung des Insolvenzantrags ausgesetzt ist, Zahlungen, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgen, als mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar gelten  und somit ein entsprechendes haftungsbegründendes Verschulden zu verneinen ist. Dies gilt insbesondere für solche Zahlungen, die der Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes oder der Umsetzung eines Sanierungskonzepts dienen.

Hierbei ist besonders im Blick zu behalten, dass für Zahlungen ab Januar 2021 die Stellung eines Antrags auf staatliche Hilfeleistungen bzw. die Erfüllung der Voraussetzungen hierfür als regelmäßige Voraussetzung für die Aussetzung der Antragspflicht nach § 1 Abs. 3 InsO mittelbar auch Erfordernis für die Haftungserleichterung des § 2 Abs. 1 Nr. 1 COVInsAG ist. Insofern ist eine kritische Prüfung der gestellten Anträge auf staatliche Hilfeleistungen bzw. der Voraussetzungen hierfür zur Abschätzung des Haftungsrisikos nach § 15b InsO dringend angeraten.

Im Hinblick auf die Insolvenzanfechtung ist § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVInsAG zu beachten. Hiernach sind – soweit nach § 1 Abs. 1, 3 COVInsAG die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags ausgesetzt ist – Rechtshandlungen, die dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht haben, die dieser (so) nicht beanspruchen konnte, in einem späteren Insolvenzverfahren nicht anfechtbar. Dies gilt jedoch nicht, wenn dem anderen Teil bekannt war, dass die Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen des Schuldners nicht zur Beseitigung einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit geeignet gewesen sind. Diese Regelung gilt entsprechend für Leistungen an Erfüllungs statt oder erfüllungshalber, Zahlungen durch einen Dritten auf Anweisung des Schuldners, die Bestellung einer anderen als der ursprünglich vereinbarten Sicherheit, wenn diese nicht werthaltiger ist, und die Verkürzung von Zahlungszielen.

Anders als § 2 Abs. 1 Nr. 1 COVInsAG findet § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVInsAG auch Anwendung auf Unternehmen, die keiner Antragspflicht unterliegen.

Sowohl im Hinblick auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 COVInsAG als auch auf § 2 Abs. 1 Nr. 2 COVInsAG ist der durch § 1 Abs. 2 COVInsAG bewirkten "Aussetzungslücke" für den Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit für den Zeitraum vom 1. Oktober 2020 bis zum 31. Dezember 2020 besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Dies gilt vor allem für solche Unternehmen, die sich finanziell im Grenzbereich zwischen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit bewegt haben bzw. bewegen. Hier ist genau zu prüfen, ob sich nicht die Überschuldung in dem fraglichen Zeitraum vom 1. Oktober 2020 bis zum 31. Dezember 2020 – gegebenenfalls nur zwischenzeitlich – zu einer Zahlungsunfähigkeit verdichtet hat bzw. hatte, mit der Folge, dass für diesen Zeitraum § 2 Abs. 1 Nr. 1, 2 COVInsAG gem. § 2 Abs. 2 COVInsAG keine Anwendung finden. Zwar gehört eine solche genaue Beobachtung der finanziellen Lage des Unternehmens in der Krise zu den ureigensten Pflichten der Geschäftsleitung, in der Praxis ist aber nicht selten festzustellen, dass es diesbezüglich zu Versäumnissen kommt.

Fazit

Es bleibt festzuhalten, dass die Insolvenzantragspflicht nach § 15a Abs. 1 InsO für den Insolvenzgrund der Überschuldung zwischen dem 1. März 2020 und dem 30. April 2021 – unter den jeweils gültigen Voraussetzungen – dauerhaft ausgesetzt war bzw. ist. Für den Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit bleibt für den Zeitraum vom 1. Oktober 2020 bis zum 31. Dezember 2020 eine Lücke in der Aussetzung. Diesem Aspekt ist ebenso wie der Stellung des Antrags auf staatliche Hilfsgelder bzw. dem Vorliegen der Voraussetzungen ab dem 1. Januar 2021 besondere Aufmerksamkeit zu schenken, da sie über die Antragstellungspflicht als solche hinaus auch für die weiteren Folgen der Aussetzung der Antragspflicht von herausgehobener Relevanz sind.

Ob, wie lange und unter welchen Voraussetzungen der Gesetzgeber die mit dem COVInsAG bewirkten Modifizierungen der Insolvenzordnung weiter aufrecht erhalten wird, lässt sich in Anbetracht des unsicheren Verlaufs des Pandemiegeschehens nicht absehen. Insofern ist es für verantwortliche Unternehmensleiter und ihre Berater angezeigt, die aktuellen Entscheidungen des Gesetzgebers, die sich immer wieder durch das kurzfristige und improvisierte Stopfen von Regelungslücken auszeichnen, genau im Auge zu behalten. Dies gilt auch und im Besonderen für die Aussetzung der Antragspflicht, die für veschiedenste Aspekte des Gesellschafts- und Insolvenzrechts von entscheidender – auch haftungsträchtiger – Bedeutung ist.

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Die Umsetzung der Restrukturierungsrichtlinie in das deutsche Recht – Stabilisierungsanordnung

#FOKUS: COVID-19-PANDEMIE / UNTERNEHMENSSTABILISIERUNGS- und -restrukturierungsgesetz

Die Um­setzung der Restruk­turierungs­richtlinie in das deutsche Recht – Stabili­sierungs­anordnung

3. Februar 2021

Mit Wirkung zum 1. Januar 2021 ist das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts in Kraft getreten, zu dessen Kern das neue Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz (StaRUG) gehört. Der präventive Restrukturierungsrahmen kann daher nunmehr von Unternehmen in Anspruch genommen werden.

Ein wichtiges Instrument des StaRUG stellt die Stabilisierungsanordnung gem. §§ 49 ff. StaRUG dar, die in Art. 6 und 7 der sog. Restrukturierungsrichtlinie aufgenommen wurde. Die Stabilisierungsanordnung kann der Schuldner – im Sinne des Baukastenprinzips im StaRUG – gegenüber dem für die Restrukturierungssache zuständigen Gericht beantragen, wenn er die Verhandlungen zum Restrukturierungsplan sowie deren Umsetzung insoweit als gefährdet ansieht. In diesem Beitrag wird die Stabilisierungsanordnung näher beleuchtet.

Im Folgenden sollen zunächst kurz die Richtlinienvorgaben zum Moratorium betrachtet werden (unter I.), um sodann die Umsetzung als Stabilisierungsanordnung durch den deutschen Gesetzgeber zu untersuchen (unter II.).

I. Vorgabe der Richtlinie und Umfang des Umsetzungsspielraums beim Moratorium

Nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie sollen die Mitgliedsstaaten sicherstellen, dass Schuldner eine Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen zur Unterstützung der Verhandlungen über einen Restrukturierungsplan in Anspruch nehmen können. Nach Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie sind grundsätzlich alle Arten von Forderungen, einschließlich gesicherter und bevorrechtigter Forderungen, von der Aussetzung betroffen bzw. erfasst; zu beachten ist allerdings, dass hinsichtlich der Umsetzung und Ausgestaltung der Aussetzung der Einzelzwangsvollstreckung erheblicher Umsetzungsspielraum besteht. Beispielsweise können bestimmte Gläubigergruppen (Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie) oder auch bestimmte Forderungskategorien (Art. 6 Abs. 4 der Richtlinie) von der Aussetzung ausgenommen werden.

Indes ist in Art. 6 Abs. 6 der Richtlinie bindend festgelegt, dass die Dauer einer Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen grundsätzlich auf einen Höchstzeitraum von nicht mehr als vier Monaten begrenzt werden soll. Ein Umsetzungsspielraum der Mitgliedstaaten besteht hinsichtlich der Dauer der Aussetzung jedoch insoweit, als dass die Mitgliedstaaten nach Art. 6 Abs. 7 der Richtlinie vorsehen können, dass die Dauer der Aussetzung auf Antrag verlängert werden kann, sofern "genau festgelegte Umstände" wie z.B. Fortschritte in den Restrukturierungsverhandlungen zeigen, dass diese Verlängerung ausreichend begründet ist. Insgesamt darf eine Höchstdauer von zwölf Monaten aber nicht überschritten werden (Art. 6 Abs. 8 der Richtlinie). Die Festlegung einer Mindestdauer für die Aussetzung liegt im Umsetzungsspielraum des nationalen Gesetzgebers (Art. 6 Abs. 9 UAbs. 3 der Richtlinie).

Bei der Aufhebung der Aussetzung haben die Mitgliedstaaten nach Art. 6 Abs. 9 der Richtlinie zwingend sicherzustellen, dass diese erfolgt, wenn die Aussetzung der Zwangsvollstreckung nicht länger ihren Zweck erfüllt (lit. a) oder der Schuldner oder der Restrukturierungsbeauftragte dies beantragt (lit. b). Im Übrigen besteht auch hier Umsetzungsspielraum (vgl. lit. c und d).

Gemäß Art. 7 Abs. 4 UAbs. 1 Satz 1 der Richtlinie sollen betroffene Gläubiger daran gehindert werden, Leistungen aus wesentlichen, noch zu erfüllenden Verträgen zu verweigern, diese Verträge zu kündigen, vorzeitig fällig zu stellen oder in sonstiger Weise zum Nachteil des Schuldners zu ändern, wenn sich die Gläubiger dabei auf vor der Aussetzung entstandene Schulden und deren Nichtzahlung beziehen. Dies gilt jedoch nur für solche Verträge, die für die Weiterführung des täglichen Betriebs des Unternehmens erforderlich sind (Art. 7 Abs. 4 UAbs. 1 Satz 2 der Richtlinie). Die Mitgliedstaaten können nach Art. 7 Abs. 4 UAbs. 3 der Richtlinie die Regelung auf noch zu erfüllende, nichtwesentliche Verträge erweitern.

Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie sieht weiter vor, dass eine während der Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen entstehende Insolvenzantragspflicht des Schuldners für die Dauer dieser Aussetzung ruht. Dementsprechend wird auch ein Gläubigerantrag nach Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie aufgeschoben. 

II. UMSETZUNG DURCH DEN NATIONALEN GESETZGEBER

Die Möglichkeit des Schuldners, eine Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen in Anspruch zu nehmen, um damit die Verhandlungen über einen Restrukturierungsplan zu unterstützen, ist nun in den §§ 49 ff. StaRUG geregelt. 

Die Regelung des § 49 Abs. 1 StaRUG konkretisiert die sog. Stabilisierungsanordnung dahingehend, dass diese aus einer Vollstreckungssperre (Nr. 1) und einer Verwertungssperre (Nr. 2) besteht, die sich auf Rechte und Gegenstände des beweglichen Vermögens bezieht, die im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens als Ab- oder Aussonderungsrechte geltend gemacht werden könnten. 

Im Sinne der betroffen Gläubiger bestimmt § 54 Abs. 1 StaRUG, dass – in Anlehnung an § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO – den von der Verwertungssperre betroffenen Gläubigern im Grundsatz die geschuldeten Zinsen zu zahlen sind sowie ein etwaiger, auf der Nutzung durch den Schuldner basierender Wertverlust auszugleichen ist. Denn mit dem präventiven Restrukturierungsrahmen sollen keine weitergehenden Eingriffe in Gläubigerrechte ermöglicht werden als in einem Insolvenzverfahren. Zudem sieht § 54 Abs. 2 StaRUG vor, dass bei Verwertung etwaiger Sicherungsrechte, an denen den Gläubigern bei Eröffnung eines Insolvenzverfahrens Absonderungs- oder Aussonderungsrechte zustünden, durch den Schuldner während der bestehenden Stabilisierungsanordnung, die Erlöse an die berechtigten Gläubiger auszukehren bzw. zu verwahren und zu separieren sind, soweit keine abweichenden Vereinbarungen getroffen werden.

1. Erfasste Gläubiger und Forderungen

Die Stabilisierungsanordnung kann gem. § 49 Abs. 1 StaRUG durch das Restrukturierungsgericht nur auf Antrag des Schuldners angeordnet werden. Dies verdeutlich, dass der Schuldner Herr über das Restrukturierungsverfahren ist und im Wesentlichen dessen Umfang bestimmt. 

Nach § 49 Abs. 2 StaRUG können Stabilisierungsanordnungen aber wiederum nur bezüglich solcher Forderungen ergehen, die grundsätzlich einer Gestaltung durch den Restrukturierungsplan zugänglich sind. Insoweit kann auf unseren Beitrag zum Anwendungsbereich und den Zugangsvoraussetzungen des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens verwiesen werden (veröffentlicht am 7. Oktober 2020). Die Anordnung kann sich gegen einzelne, mehrere oder alle Gläubiger des Schuldners richten und sich gem. § 49 Abs. 3 StaRUG auch auf Rechte aus einer gruppeninternen, von einem Tochterunternehmen gestellten Drittsicherheit beziehen. Dabei scheint es unerheblich zu sein, ob es sich um bereits planbetroffene Gläubiger bzw. Drittsicherheiten handelt oder nicht. Sonderregeln gelten – wie so häufig im StaRUG – für Finanzsicherheiten, Zahlungs- und Abwicklungssysteme sowie das sog. Liquidationsnetting.

Flankierend sieht § 51 Abs. 4 StaRUG eine Zustellung der Stabilisierungsanordnung an alle von ihr betroffenen Gläubiger vor, soweit es sich nicht um eine öffentliche Restrukturierungssache (§ 84 StaRUG) handelt und von der Anordnung alle außer der in § 4 genannten Gläubiger betroffen sind.

2. Voraussetzungen der Stabilisierungsanordnung

Da mit der Stabilisierungsanordnung ein erheblicher Eingriff in die Rechte der Gläubiger einhergeht, sind in § 50 StaRUG hohe Anforderungen an die Antragstellung durch den Schuldner normiert. Dieser hat nach Abs. 1 nicht nur Inhalt, Adressatenkreis und Dauer der Stabilisierungsanordnung genau zu bezeichnen, sondern der Schuldner hat entsprechend der nachfolgenden Absätze des § 50 StaRUG zur Erlangung der Stabilisierungsanordnung auch weitere Darlegungen zu erbringen. 

Nach § 50 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG muss der Schuldner einen auf den Tag der Antragstellung zur Stabilisierungsanordnung aktualisierten Restrukturierungsplan bzw. ein Konzept für die Restrukturierung nach § 31 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StaRUG und gem. § 50 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG einen Finanzplan beifügen, der den Zeitraum von sechs Monaten umfasst. Der Plan muss eine fundierte Darstellung der Finanzierungsquellen enthalten, durch welche die Fortführung des Unternehmens in diesem Zeitraum sichergestellt werden soll.

Zudem muss der Schuldner nach § 50 Abs. 3 Nr. 1 StaRUG weiter erklären, ob, in welchem Umfang und gegenüber welchen Gläubigern er sich mit der Erfüllung von Verbindlichkeiten aus Arbeitsverhältnissen, Pensionszusagen oder dem Steuerschuldverhältnis, gegenüber den Sozialversicherungsträgern oder Lieferanten in Verzug befindet. 

Weiter hat der Schuldner mit seinem Antrag gegenüber dem Restrukturierungsgericht anzugeben, ob er in den letzten drei Jahren schon einmal eine Vollstreckungs- oder Verwertungssperre nach dem StaRUG oder § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 oder 5 InsO in Anspruch genommen hat und ob er in den vergangenen drei Geschäftsjahren seinen Verpflichtungen aus den §§ 325 bis 328 oder aus § 339 HGB (Vorschriften zu Offenlegungspflichten) nachgekommen ist. 

Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass diese umfangreiche Antragstellung durch den Schuldner mit erheblicher Sorgfalt zu betreiben ist, da § 57 StaRUG eine Haftung der Organe des Schuldners vorsieht, die u.a. vorsätzlich oder fahrlässig aufgrund unrichtiger Angaben eine Stabilisierungsanordnung erwirkt haben.

3. Dauer der Aussetzung

Während Art. 6 Abs. 6 der Richtlinie einen Höchstzeitraum von vier Monaten für die Stabilisierungsanordnung vorsieht, regelt § 53 Abs. 1 StaRUG, dass die Stabilisierungsanordnung für eine Dauer von bis zu drei Monaten ergehen kann. Dieser vom nationalen Gesetzgeber gewählte Höchstzeitraum von drei Monaten orientiert sich an der Maximaldauer für die Ausarbeitung und Vorlage eines Insolvenzplans im Schutzschirmverfahren.

Auch Folge- oder Neuanordnungen nach § 52 StaRUG – d.h. eine Ausdehnung auf weitere Gläubiger, inhaltliche oder zeitliche Erweiterungen oder Überschreitungen der Anordnungsdauer – können regelmäßig nur im Rahmen der Anordnungshöchstdauer nach § 53 Abs. 1 StaRUG ergehen. Dies gilt dann nicht, wenn wegen kumulativen Vorliegens von § 53 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 StaRUG die Annahme des Restrukturierungsplans als unmittelbar bevorstehend erscheint. Dies rechtfertigt eine Verlängerung der Stabilisierungsanordnung um einen weiteren Monat. Ebenso sieht § 53 Abs. 3 Satz 1 StaRUG Folge- und Neuanordnungen bis zur Rechtskraft der Planbestätigung, höchstens jedoch bis zum Ablauf von acht Monaten nach der Erstanordnung, vor, wenn der Schuldner die gerichtliche Bestätigung des von den planbetroffenen Gläubigern angenommenen Restrukturierungsplans bereits beantragt hat. Dies soll nach Satz 2 indes nicht gelten, wenn der Restrukturierungsplan offensichtlich nicht bestätigungsfähig ist. 

Die Vorgaben von Art. 6 Abs. 7 der Richtlinie für Verlängerungen und Neuanordnungen werden dabei gewahrt. Von der Möglichkeit des Art. 6 Abs. 9 UAbs. 3 der Richtlinie, einen Mindestraum festzulegen, währenddessen die Aussetzung nicht aufgehoben werden kann, hat der nationale Gesetzgeber indes keinen Gebrauch gemacht. 

4. Vertragsrechtliche Wirkung der Stabilisierungsanordnung

Die Vorgaben des Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie hat der nationale Gesetzgeber in § 55 Abs. 1 und 2 StaRUG umgesetzt. 

Nach § 55 Abs. 1 Satz 1 StaRUG kann der Gläubiger eine ihm im Anordnungszeitraum obliegende Leistung nicht allein deswegen verweigern oder Vertragsbeendigungs- oder -abänderungsrechte geltend machen, weil der Schuldner zum Zeitpunkt der Stabilisierungsanordnung dem Gläubiger etwas aus einem Vertrag schuldig ist. Es bleibt dem Gläubiger im Umkehrschluss jedoch möglich, sich auf andere oder zusätzliche Umstände zu berufen, die für sich genommen oder kumulativ mit dem Leistungsrückstand des Schuldners ein Leistungsstörungsrecht begründen. 

Zudem kann der Gläubiger die Erbringung des Teils der ihm obliegenden Gegenleistung, der auf die rückständige Leistung des Schuldners entfällt, verweigern (§ 55 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2). Auch im Fall der Vorleistungspflicht des Gläubigers kann dieser seine Leistung gem. § 55 Abs. 3 StaRUG von der Erbringung einer Sicherheitsleistung seitens des Schuldners oder einer Leistung Zug-um-Zug abhängig machen. Maßgeblich ist stets der Zeitpunkt der erstmaligen Anordnung. Schließlich soll es dem Gläubiger auch im Falle einer Stabilisierungsanordnung möglich bleiben, sich vor einer weiteren Vergrößerung seines wirtschaftlichen Risikos zu schützen.

Die Beschränkung der Gläubiger in ihren vertraglichen Lösungsmöglichkeiten nach § 55 Abs. 1 StaRUG gilt gem. Abs. 2 dann nicht, wenn der Schuldner für die Fortführung des Unternehmens nicht auf die Leistung angewiesen ist, die dem Gläubiger obliegt. Im Zweifel ist allerdings anzunehmen, dass die Angewiesenheit besteht und nur entfällt, wenn die Leistung des Gläubigers für die Unternehmensfortführung wirklich nicht von erheblicher Bedeutung ist.

Eine bestehende Stabilisierungsanordnung soll gem. § 55 Abs. 3 Satz 2 StaRUG das Recht der Darlehensgeber unberührt lassen, den Darlehensvertrag vor der Auszahlung des Darlehens wegen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Schuldners oder der Werthaltigkeit der für das Darlehen gestellten Sicherheiten zu kündigen (§ 490 Abs. 1 BGB). Gleiches gilt nach Satz 3 für andere Kreditzusagen.

5. Aufhebung und Beendigung der Stabilisierungsanordnung

Die Regelung des § 59 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG setzt die Vorgabe des Art. 6 Abs. 9 UAbs. 1 lit. b) Var. 1 der Richtlinie um, wonach die Justiz- oder Verwaltungsbehörden – in Deutschland das Restrukturierungsgericht – im Falle des Antrags des Schuldners die Aussetzung von Vollstreckung und Verwertung aufheben können. Im Übrigen wird dies vom nationalen Gesetzgeber mit Blick darauf, dass der Schuldner am besten beurteilen kann, ob eine Stabilisierungsanordnung noch sinnvoll ist, als sachgerecht erachtet. 

Zudem muss das Restrukturierungsgericht die Stabilisierungsanordnung aufheben, wenn gem. § 59 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG die Restrukturierungsanzeige (z.B. wegen Zurücknahme durch den Schuldner oder Bestätigung des Restrukturierungsplans) gem. § 31 Abs. 4 StaRUG ihre Wirkung verloren hat oder die Voraussetzungen für die Aufhebung der Restrukturierungssache gem. §§ 31 Abs. 4 Nr. 3, 33 StaRUG vorliegen. Entsprechend regelt § 59 Abs. 4 StaRUG, dass die Stabilisierungsanordnung endet, wenn der Restrukturierungsplan bestätigt oder die Planbestätigung endgültig versagt wird.

Die Stabilisierungsanordnung wird ferner aufgehoben, wenn die Eingabe des Entwurfs eines Restrukturierungsplans durch den Schuldner nicht innerhalb einer angemessenen Frist erfolgt (§ 59 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG).

Im Übrigen hat der Gesetzgeber die Aufhebung und Beendigung der Stabilisierungsanordnung auch wesentlich am Gläubigerschutz ausgerichtet, wozu Art. 6 Abs. 9 UAbs. 1 lit. c) und d) der Richtlinie den notwendigen Spielraum einräumt. 

§ 59 Abs. 1 Nr. 4 StaRUG normiert sodann die Aufhebung für den Fall, dass Umstände vorliegen, die nicht erwarten lassen, dass der Schuldner seine Geschäftsführung an den Interessen der Gläubigergesamtheit ausrichten wird, insbesondere, wenn die Restrukturierungsplanung auf unzutreffenden Tatsachen beruht (lit. a)) oder die Rechnungslegung und Buchführung des Schuldners derart unzulänglich ist, dass eine Beurteilung des Restrukturierungs- und Finanzplans als nicht möglich erscheint (lit. b)). 

Insoweit steht es gem. § 59 Abs. 2 StaRUG auch den von der Anordnung betroffenen Gläubigern frei, eine Aufhebung der Stabilisierungsanordnung zu erwirken, wenn sie die in § 59 Abs. 1 Nr. 2 oder Nr. 4 genannten Beendigungsgründe glaubhaft machen. 

Um einen geordneten Übergang in ein Insolvenzverfahren im Interesse der Gläubigergesamtheit zu gewährleisten, kann ausnahmsweise nach § 53 Abs. 3 StaRUG vorläufig von einer Aufhebung der Stabilisierungsanordnung abgesehen werden.

6. Dispens von Insolvenzantragspflicht und -antragsrecht 

Für die Dauer der Aussetzung der Einzelvollstreckungsmaßnahmen wird das Verfahren über den Antrag eines Gläubigers, das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners zu eröffnen, gemäß § 58 StaRUG ausgesetzt. Damit setzt § 58 StaRUG die Vorgabe des Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie um. 

III. Fazit

Die Stabilisierungsanordnung verfolgt den Zweck eine Vollstreckung in das schuldnerische Vermögen und eine Verwertung der von diesen gestellten Sicherheiten zeitlich befristet zu sperren. Dies liegt sowohl im Interesse des Schuldners als auch der Gläubigergesamtheit. Durch die Stabilisierungsanordnung wird verhindert, dass dem Restrukturierungsvorhaben dadurch die Grundlage entzogen wird, dass einzelne Gläubiger ihre individuellen Forderungen durchsetzen. Eine solche individuelle Forderungsdurchsetzung ginge auch zu Lasten der Gläubigergesamtheit. 

Allerdings birgt die Stabilisierungsanordnung für die Gläubiger eine dahingehende Gefahr, dass ihre Rechte gegenüber dem Schuldner entwertet werden. Dies müssen die betroffenen Gläubiger hinnehmen, wenngleich diese faktische Nichteinziehbarkeit von Forderungen gegen den Schuldner auch ihre Liquidität erheblich beeinträchtigt. 

Überdies steht im Zeitpunkt der Stabilisierungsanordnung keineswegs fest, ob später zumindest eine teilweise Realisierung der Forderung möglich ist, da der Erlass einer Stabilisierungsanordnung nicht zwingend in einen bestandskräftigen Restrukturierungsplan – verbunden mit einer Besserung der finanziellen Lage des Schuldners – münden muss. Vielmehr ist auch die Insolvenz des Schuldners möglich. 

Darüber hinaus ist es dem Gläubiger regelmäßig auch versagt, seine Verträge mit dem Schuldner bei Bestehen einer Stabilisierungsanordnung zu kündigen. Die vertraglichen Beziehungen zwischen Schuldner und Gläubiger sind somit zunächst eingefroren; mit Hilfe von Leistungsverweigerungsrechten soll sich der Gläubiger jedoch davor schützen können, dass sich sein finanzielles Risiko weiter vergrößert. Die Handlungsmöglichkeiten für den Gläubiger sind insgesamt nicht sehr groß. Umso wichtiger ist, dass das Restrukturierungsgericht den umfangreichen Antrag des Schuldners genau prüft und die Stabilisierungsanordnung – auch in ihrer Dauer – restriktiv handhabt, ebenso wie etwaige Folge- und Neuanordnungen. Anders nämlich ließe sich ein solch gravierender vorinsolvenzlicher Eingriff in die Gläubigerrechte, bei denen den Gläubigern bereits qua Gesetz kaum Handlungs- und Reaktionsmöglichkeiten bleiben, kaum rechtfertigen.

GLADE MICHEL WIRTZ wird Sie an dieser Stelle fortlaufend über alle Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz, insbesondere den ersten Umsetzungserfahrungen aus der Praxis informieren und Ihnen in weiteren Beiträgen die wesentlichen Regelungen und Bestandteile des StaRUG erläutern. Gerne stehen wir jederzeit auch für einen Austausch zu diesem Thema zur Verfügung.

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Die Umsetzung der Restrukturierungsrichtlinie in das deutsche Recht – Inkrafttreten des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts zum 1. Januar 2021

#FOKUS: COVID-19-PANDEMIE / UNTERNEHMENSSTABILISIERUNGS- und -restrukturierungsgesetz

Die Umsetzung der Re­struktu­rierungs­richtlinie in das deutsche Recht – Inkraft­treten des Gesetzes zur Fort­entwicklung des Sanierungs- und Insolvenz­rechts zum 1. Januar 2021

4. Januar 2021

In unserer Beitragsreihe über die Umsetzung der sog. Restrukturierungsrichtlinie (RL (EU) 2019/1023) in das deutsche Recht hatten wir uns zunächst auf Grundlage des Referenten- und später des Regierungsentwurfs fortlaufend mit verschiedenen Aspekten der Restrukturierungsrichtlinie und des StaRUG befasst, zuletzt mit dem Amt des Restrukturierungsbeauftragten.

Nachdem nunmehr eine durch den Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags geänderte Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) am 17. Dezember 2020 zunächst vom Bundestag sowie einen Tag später vom Bundesrat beschlossen und am 29. Dezember 2020 im Bundesgesetzblatt (BGBl. I 2020, S. 3256) veröffentlicht wurde, ist das StaRUG zum 1. Januar 2021 in Kraft getreten. Damit steht Unternehmen und unternehmerisch tätigen natürlichen Personen ab diesem Zeitpunkt der präventive Restrukturierungsrahmen zur Verfügung.

In diesem Blogbeitrag werden die wesentlichen Änderungen zwischen der nunmehr zum 1. Januar 2021 in Kraft getretenen Fassung des StaRUG und des seinerzeit von der Bundesregierung vorgelegten Regierungsentwurfs dargestellt. 

Dabei ist zu Beginn anzumerken, dass mehrere zunächst vorgesehene Regelungen ersatzlos gestrichen wurden, sodass sich die Nummerierung der einzelnen Paragraphen des StaRUG verändert hat. Soweit in diesem Beitrag auf Normen des Regierungsentwurfs Bezug genommen wird, so wird dieses als "StaRUG-RegE" bezeichnet. Im Übrigen meint die Abkürzung "StaRUG" das nunmehr in Kraft getretene Gesetz.

Keine gerichtliche Vertragsbeendigung mehr möglich

Die wohl wesentlichste Änderung des nun in Kraft getretenen StaRUG gegenüber dem Regierungsentwurf stellt die Streichung der §§ 51-55 StaRUG-RegE dar. Diese Paragraphen sahen bislang für den Schuldner die Möglichkeit vor, einen Vertrag, an dem der Schuldner beteiligt ist, auf dessen Antrag durch das Restrukturierungsgericht beenden zu lassen, wenn der jeweilige Vertragspartner einem Anpassungs- oder Beendigungsverlangen des Schuldners nicht nachkam und der Schuldner drohend zahlungsunfähig war.

Sowohl in den Anhörungen als auch den Stellungnahmen zu dem Regierungsentwurf war gerade diese Möglichkeit vielfach kritisiert worden. Als Argument gegen diese Regelungen wurde insbesondere angeführt, dass eine gerichtliche Vertragsbeendigung für die Vertragspartner zu unkalkulierbaren Risiken geführt hätte und sich zudem auch nicht mit dem im deutschen Recht herrschenden Grundsatz der Vertragsautonomie hätte in Einklang bringen lassen. Infolge dieser Kritik wurde die Regelung ersatzlos aus dem Gesetz gestrichen.

Restrukturierungsplan

Sehr umfangreiche Änderungen zwischen dem StaRUG und dem Regierungsentwurf hat es in den Regelungen zum Restrukturierungsplan gegeben.

So ist es nun möglich, dass unter bestimmten Voraussetzungen beim Vorliegen eines Restrukturierungsplans durch das Gericht ein Gläubigerbeirat nach § 93 StaRUG eingesetzt wird. Die Möglichkeit zur Einsetzung eines Gläubigerbeirates stellt jedoch nicht den Regelfall dar. Eines Gläubigerbeirates bedarf es ausnahmsweise nur dann, wenn der Schuldner von allen betroffenen Gläubigern, außer solchen nach § 4 StaRUG vom Anwendungsbereich des Gesetzes Ausgenommenen, im Rahmen eines Restrukturierungsplanes Sanierungsbeiträge einfordert und die Restrukturierungssache gesamtverfahrensartige Züge aufweist. Dies ist dann der Fall, wenn eine Vielzahl von Gläubigern mit inhomogenen Interessen in den Restrukturierungsplan einbezogen wird. In einem solchen Szenario kann, ähnlich wie bei einem Insolvenzverfahren, das Bedürfnis nach einer Koordinierung der unterschiedlichen Interessen und Betroffenheiten entstehen, dem durch die Einsetzung eines Gläubigerbeirates Rechnung getragen werden soll. 

Die Zusammensetzung des Gläubigerbeirates richtet sich dabei nach § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1a InsO, sodass die Vorschriften über die Zusammensetzung des vorläufigen Gläubigerausschusses im Insolvenzeröffnungsverfahren entsprechende Anwendung finden. Dem Gläubigerbeirat kommt die Aufgabe zu, den Schuldner bei seiner Geschäftsführung zu überwachen und zu unterstützen. Zudem ist der Schuldner verpflichtet, dem Gläubigerbeirat gegenüber die Inanspruchnahme der Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens anzuzeigen. Außerdem kann der Gläubigerbeirat anstelle der Planbetroffen durch einen einstimmigen Beschluss einen Vorschlag für die Person des Restrukturierungsbeauftragten machen.

Daneben wurden auch die bisherigen Regelungen zur Einbeziehung von gruppeninternen Drittsicherheiten in den Restrukturierungsplan erweitert. Bislang waren nur gruppeninterne Drittsicherheiten von einem Tochterunternehmen einer Gestaltung durch den Restrukturierungsplan zugänglich. Im Zuge der Beratungen über den Regierungsentwurf wurde § 2 Abs. 4 StaRUG dahingehend ergänzt, dass es für eine Einbeziehung nunmehr genügt, dass es sich bei dem die Sicherheit stellenden Unternehmen um ein verbundenes Unternehmen i.S.d. § 15 AktG handelt. Erfasst sind daher nun auch Mutter- und/oder Schwesterunternehmen.

Auch der gestaltende Teil des Restrukturierungsplans hat eine wesentliche Änderung erfahren. So sah § 9 Abs. 4 StaRUG-RegE bislang vor, dass Restrukturierungsforderungen auch gegen den Willen der betroffenen Gläubiger in Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte an dem Schuldner umgewandelt werden konnten, sofern für die widersprechenden Gläubiger eine Barabfindung vorgesehen war. Diese Möglichkeit besteht im jetzigen § 7 Abs. 4 StaRUG nicht mehr. Eine Umwandlung gegen den Willen der betroffenen Gläubiger ist dort ausdrücklich ausgeschlossen. Der Gesetzgeber begründet die Abkehr von der ursprünglich geplanten Regelung damit, dass die Bestimmung eines angemessenen Maßstabs für die Festlegung der Höhe der Barabfindung mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden gewesen wäre.

Gegenüber dem Regierungsentwurf muss nach den nun verabschiedeten Regelungen zudem das Planangebot nach § 17 StaRUG (§ 19 StaRUG-RegE) erhöhten Anforderungen gerecht werden. Dieses muss nach § 17 Abs. 1 StaRUG nunmehr auch eine Darstellung der bereits angefallenen und der noch zu erwartenden Kosten des Restrukturierungsverfahrens einschließlich der Vergütung des Restrukturierungsbeauftragten enthalten. Der Hintergrund dieser Regelung ist, dass diese Kosten für die Planbetroffenen bei der Bewertung der Eignung des Restrukturierungsplans zur Sicherung oder Wiederherstellung der Bestandsfähigkeit des Schuldners von großer Bedeutung sind, da sie die Liquidität des Schuldners zusätzlich belasten und zudem den Finanzierungsbedarf erhöhen, der von den Planbetroffenen mittels ihrer Sanierungsbeiträge getragen werden muss.

Der Restrukturierungsbeauftragte

Die Regelungen bzgl. des Restrukturierungsbeauftragten sind im Wesentlichen unverändert geblieben. Lediglich an zwei Stellen wurden kleinere Veränderungen vorgenommen.

Zum einen wurde klargestellt, dass § 76 Abs. 2 StaRUG, der die Kompetenzen des notwendigen Restrukturierungsbeauftragten regelt, nicht nur dann Anwendung findet, wenn der Restrukturierungsbeauftragte nach den § 73 Abs. 1 Nr. 1, 2 oder Abs. 2 StaRUG gerichtlich bestellt worden ist, sondern auch bereits dann, wenn die Voraussetzungen dieser Vorschriften erfüllt sind. Die Regelung des § 76 Abs. 2 StaRUG findet also auch in denjenigen Fällen Anwendung, in denen die Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 Nr. 1, 2 oder Abs. 2 StaRUG erst nach dem Zeitpunkt der Bestellung des Restrukturierungsbeauftragten vorliegen.

Zum anderen kann das Gericht dem Restrukturierungsbeauftragten gemäß § 76 Abs. 2 Nr. 2 b) StaRUG nicht ausschließlich nur die Befugnis übertragen, vom Schuldner zu verlangen, dass eingehende Gelder von ihm entgegengenommen werden können, sondern er kann von diesem nunmehr auch verlangen, dass Zahlungen nur vom Restrukturierungsbeauftragten, also von ihm selbst, geleistet werden können.

Haftung der Organe des Schuldners

Bislang sah das StaRUG-RegE in den §§ 2, 3 vor, dass bei der drohenden Zahlungsunfähigkeit einer juristischen Person oder Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit die Geschäftsleiter die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger zu wahren haben. Bei einem schuldhaften Verstoß gegen diese Verpflichtung sollte der jeweilige Geschäftsleiter der Gesellschaft für den dadurch entstandenen Schaden haften. Diese Regelungen wurden aus der finalen Fassung des StaRUG gestrichen, da dem Gesetzgeber zum einen das Verhältnis dieser Vorschriften zu den im Gesellschaftsrecht verankerten Sanierungspflichten nicht hinreichend klar erschien und zum anderen dem Bedürfnis des Gläubigerschutzes durch die gesellschaftsrechtlichen Haftungsnormen hinreichend Rechnung getragen werde.

In dem Zuge der Streichung von §§ 2, 3 StaRUG-RegE wurde zudem die Regelung des § 43 StaRUG (§ 45 StaRUG-RegE) erweitert. Da sich der Pflichtenkatalog des Geschäftsleiters einer juristischen Person oder einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit nun nicht mehr aus § 2 Abs. 1 StaRUG-RegE ergibt, legt § 43 Abs. 1 StaRUG fest, dass der Geschäftsleiter darauf hinzuwirken hat, dass der Schuldner die Restrukturierungssache mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters (vgl. § 32 Abs. 1 StaRUG) betreibt und die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger wahrt. Verletzt ein Geschäftsleiter diese Pflichten schuldhaft, so ist er der Gesellschaft zum Ersatz des den Gläubigern daraus resultierenden Schadens verpflichtet.

Weitere Änderungen und Ergänzungen

Die nun verabschiedete Fassung des Gesetzes sieht zudem in § 34 Abs. 2 S. 3 StaRUG die Möglichkeit vor, dass mehrere Bundesländer länderübergreifende Zuständigkeiten für Restrukturierungsgerichte schaffen können. Es kann also vereinbart werden, dass ein Amtsgericht für Restrukturierungssachen über die eigenen Landesgrenzen hinaus zuständig ist. Dadurch soll eine professionelle und effiziente Bearbeitung von Restrukturierungssachen sichergestellt werden.

Schließlich wird mit dem SanInsFoG auch ein neuer § 204 Abs. 1 Nr. 10a BGB geschaffen. Hiernach wird die Verjährung eines Anspruchs während der Dauer einer Vollstreckungssperre nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz gehemmt. Diese Regelung soll dem Gläubigerschutz dienen, da ein Gläubiger, der von einer Vollstreckungssperre betroffen ist, für die Dauer dieser Sperre keinen Neubeginn der Verjährung gemäß § 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB durch Beantragung einer gerichtlichen oder behördlichen Vollstreckungshandlung herbeiführen kann.

Fazit und Ausblick

In dem nunmehr in Kraft getretenen StaRUG wurden zahlreiche wesentliche Kritikpunkte, die gegenüber dem StaRUG-RegE geäußert wurden, aufgegriffen.

Dies betrifft insbesondere die Regelungen zur Vertragsbeendigung in den §§ 51-55 StaRUG-RegE, die von den Experten aus Praxis und Wissenschaft ausführlich diskutiert und mitunter auch heftig kritisiert wurden. Die Restrukturierungsrichtlinie hatte derartige Maßnahmen zur Abänderung und Beendigung von Vertragsverhältnissen nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 der Richtlinie i.V.m. dem Erwägungsgrund 2 Satz 3 in ihrer Umsetzung nicht als verpflichtend vorgesehen. Vor diesem Hintergrund war es ohnehin überraschend, dass der Gesetzgeber eine so erhebliche Möglichkeit zur Einschränkung der im deutschen Recht vorherrschenden Vertragsfreiheit vorgesehen hatte. Diese Auffassung teilte auch der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags, der diese Regelungen im Rahmen der Beschlussempfehlung aus dem StaRUG gestrichen hat. Der Bundestag und Bundesrat sind dieser Empfehlung dann auch gefolgt.

Auch wenn die ersatzlose Streichung der Regelungen zur gerichtlichen Vertragsbeendigung sowohl aus rechtsdogmatischen Gründen als auch aus Gläubigersicht zu begrüßen ist, dürfte dem Schuldner damit gleichwohl ein effektives Instrument zur Restrukturierung genommen worden sein.

Insgesamt kann festgehalten werden, dass die Gläubigerrechte durch die vom Rechtsausschuss vorgenommenen Änderungen im StaRUG-RegE in dem nun in Kraft getretenen StaRUG eine deutliche Aufwertung erfahren haben. Dies zeigt sich nicht nur an der Streichung der bisher vorgesehenen und aus Gläubigersicht sehr unwägbaren Möglichkeit der gerichtlichen Vertragsbeendigung, sondern beispielsweise auch daran, dass unter gewissen Voraussetzungen die Einrichtung eines Gläubigerbeirates erforderlich ist, der das Restrukturierungsverfahren des Schuldners begleiten und in gewisser Weise überwachen soll. Auch die nun vorgesehene Transparenz hinsichtlich der Kosten des Restrukturierungsverfahrens im Restrukturierungsplan entspricht dem Interesse der Gläubiger.

Aus Gläubigersicht sind die nun Gesetz gewordenen Anpassungen des StaRUG-RegE durch den Rechtsausschuss also zu begrüßen. Letztlich wird jedoch die praktische Anwendung des StaRUG zeigen, ob es zu einem gerechten Ausgleich der rechtlichen Interessen von Gläubigern und Schuldnern kommen kann. Dabei wird es vielfach auch auf die Auslegung des Gesetzes durch die Gerichte ankommen.

GLADE MICHEL WIRTZ wird Sie an dieser Stelle fortlaufend über alle Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz, insbesondere den ersten Umsetzungserfahrungen aus der Praxis informieren und Ihnen in weiteren Beiträgen die wesentlichen Regelungen und Bestandteile des StaRUG erläutern. Gerne stehen wir jederzeit auch für einen Austausch zu diesem Thema zur Verfügung.

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Die Umsetzung der Restrukturierungsrichtlinie in das deutsche Recht – Der Restrukturierungsbeauftragte

#FOKUS: COVID-19-PANDEMIE / EU-RE­STRUKTURIERUNGS­RICHTLINIE

Die Umsetzung der Restrukturierungs­richtlinie in das deutsche Recht – Der Restrukturierungs­beauftragte

4. Dezember 2020

In unserer Beitragsreihe über die Umsetzung der sog. Restrukturierungsrichtlinie (RL (EU) 2019/1023) in das deutsche Recht haben wir zuletzt die Abstimmung und Bestätigung des Restrukturierungsplans sowie dessen Wirkung und Rechtsfolgen dargestellt. Dieser Beitrag widmet sich nunmehr dem Restrukturierungsbeauftragten, der bereits in einigen vorherigen Beiträgen am Rande thematisiert worden ist. Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf die Frage gelegt, unter welchen Voraussetzungen ein Restrukturierungsbeauftragter bestellt werden wird. Zudem soll dargestellt werden, über welche fachliche Qualifikation eine Person verfügen muss, um zum Restrukturierungsbeauftragten bestellt zu werden und welche Aufgaben, Rechte und Pflichten diesem zufallen bzw. obliegen.

Vorgaben der Europäischen Restrukturierungsrichtlinie

Bevor die Regelungen des Regierungsentwurfs zum Restrukturierungsbeauftragten im deutschen Recht im Detail beleuchtet werden, sollen zum besseren Verständnis zunächst in der gebotenen Kürze noch einmal die diesbezüglichen Vorgaben der Restrukturierungsrichtlinie dargestellt werden.

In Art. 5 Abs. 3 lit. a) - c) der Richtlinie ist normiert, in welchen Fällen die Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten unter gewisser Begrenzung der Verfahrensautonomie des Schuldners (Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie) erforderlich ist. Dies ist dann der Fall, wenn (i) ein allgemeines Moratorium bzw. nach der Terminologie des StaRUG-E eine allgemeine Stabilisierungsanordnung erlassen wurde und der Restrukturierungsbeauftragte zur Wahrung der Gläubigerinteressen erforderlich ist (lit. a)), (ii) der Restrukturierungsplan bei einer gruppenübergreifenden Mehrheitsentscheidung (vgl. § 28 StaRUG-E) durch das Gericht bestätigt werden muss (lit. b)) oder aber (iii) der Schuldner oder bei einer entsprechenden Kostenübernahme die Gläubiger, die Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten beantragen (lit. c)). Neben diesen von der Richtlinie vorgeschriebenen Fällen, können die Mitgliedstaaten zudem weitere Tatbestände normieren, bei deren Vorliegen ein Restrukturierungsbeauftragter zwingend zu bestellen ist. Den Mitgliedstaaten steht insoweit ein Gestaltungsspielraum zu, da Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie keine abschließende Regelung enthält. Im Übrigen soll nach Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie ein Gericht einen Restrukturierungsbeauftragten immer dann bestellen können, wenn es dies im Einzelfall für erforderlich erachtet.

Der Restrukturierungsbeauftragte hat die Aufgabe, die Parteien bei der Aushandlung und Ausarbeitung des Restrukturierungsplanes sowie bei der Vorbereitung von gerichtlichen Entscheidungen zu unterstützen und die Tätigkeit des Schuldners während der Verhandlung des Restrukturierungsplans zu überwachen und ggf. zu kontrollieren (vgl. Art. 2 Abs. 1 Nr. 12 der Richtlinie). Die Rolle eines Kontrollorgans kommt ihm ferner zu, wenn es zu Eingriffen in die Rechte Dritter kommt. Dabei steht ihm das Recht zu, die Aufhebung eines Moratoriums bzw. einer Stabilisierungsanordnung beantragen zu können (Art. 6 Abs. 9 lit. b) der Richtlinie). Die Richtlinie räumt den Mitgliedstaaten zudem die Möglichkeit ein, den Restrukturierungsbeauftragten mit der Befugnis auszustatten, Restrukturierungspläne zur Annahme vorlegen zu können (Art. 9 Abs. 1 UAbs. 2 der Richtlinie).

Nach den Vorgaben der Richtlinie müssen Personen, die zum Restrukturierungsbeauftragten bestellt werden sollen, insbesondere über die dafür im jeweiligen Einzelfall erforderliche Sachkunde verfügen (vgl. Art. 26 Abs. 1 lit. a) und c) der Richtlinie). Im Übrigen steht den Mitgliedsstaaten hinsichtlich des Verfahrens für die Bestellung, die Abberufung und den Rücktritt des Restrukturierungsbeauftragten ein weiter Ausgestaltungsspielraum zu. Allerdings muss sichergestellt sein, dass sowohl die Zulassungsvoraussetzungen als auch das Verfahren der Bestellung, Abberufung und des Rücktritts klar, transparent und fair sind (Art. 26 Abs. 1 lit. b) der Richtlinie) und Schuldner und Gläubiger zur Vermeidung eines Interessenkonflikts die Möglichkeit haben müssen, die Auswahl oder Benennung eines Restrukturierungsbeauftragten ablehnen oder dessen Ersetzung verlangen zu können (Art. 26 Abs. 1 lit. d) der Richtlinie).

Schließlich sind die Mitgliedstaaten nach Art. 27 Abs. 1 der Richtlinie verpflichtet, sicherzustellen, dass die Arbeit von Restrukturierungsbeauftragten wirksam überwacht wird. 

Umsetzung durch das StaRUG-E: Notwendiger Restrukturierungsbeauftragter

Der deutsche Gesetzgeber differenziert bei der Umsetzung der Vorgaben der Restrukturierungsrichtlinie bzgl. des Restrukturierungsbeauftragten in das nationale Recht zwischen einem von dem Gericht von Amts wegen zu bestellenden, also notwendigen Restrukturierungsbeauftragten (§§ 80 ff. StaRUG-E) und einem fakultativen, also auf Antrag einer Partei zu bestellenden Restrukturierungsbeauftragten (§§ 84 ff. StaRUG-E). Entsprechend differenziert auch die nachfolgende Betrachtung bzw. Darstellung zwischen dem notwendigen Restrukturierungsbeauftragen und dem fakultativen Restrukturierungsbeauftragten.

1. Fallgruppen | Anwendungsbereich

Ein notwendiger Restrukturierungsbeauftragter ist nach § 80 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StaRUG-E vom Gericht von Amts wegen zunächst dann zu bestellen, wenn im Rahmen der Restrukturierung die Rechte von Verbrauchern und mittleren, kleinen oder Kleinstunternehmen berührt werden. Der Hintergrund hierfür ist, dass der Gesetzgeber davon ausgeht, dass diese typischerweise nicht in der Lage sind, ihre Interessen und Rechte als Betroffene eines Restrukturierungsverfahrens wirksam zur Geltung zu bringen, da sie – so die Annahme des Gesetzgebers – u.a. regelmäßig über keine oder keine ausreichenden Erfahrungen im Umgang mit Restrukturierungen verfügen werden. Der Restrukturierungsbeauftragte soll daher als neutrale Instanz die Interessen dieser Gläubigergruppe wahrnehmen. 

Nach § 80 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StaRUG-E ist zudem ein notwendiger Restrukturierungsbeauftragter zu bestellen, wenn der Schuldner eine Stabilisierungsanordnung (diese wird noch Gegenstand unseres nächsten Beitrags zum StaRUG-E sein) beantragt, welche sich gegen alle oder im Wesentlichen alle Gläubiger richten soll. Denn durch eine solche Stabilisierungsanordnung nimmt die Restrukturierungssache die Züge eines "insolvenzähnlichen Quasi-Gesamtverfahrens" an und es ist indiziert, dass die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Schuldners in diesen Fällen regelmäßig von erheblicher Natur sein werden. Schließlich ist nach § 80 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StaRUG-E ein notwendiger Restrukturierungsbeauftragter dann durch das Restrukturierungsgericht zu bestellen, wenn im gestaltenden Teil des Restrukturierungsplans eine Planüberwachung nach § 79 StaRUG-E vorgesehen ist. Allerdings kann das Restrukturierungsgericht in den drei vorgenannten Fällen im Einzelfall ausnahmsweise von der Bestellung eines notwendigen Restrukturierungsbeauftragten absehen, wenn die Bestellung eines solchen nicht erforderlich oder offensichtlich unverhältnismäßig ist (§ 80 Abs. 1 S. 2 StaRUG-E).

Neben den in § 80 Abs. 1 StaRUG-E genannten Fällen ist ein notwendiger Restrukturierungsbeauftragter nach § 80 Abs. 2 StaRUG-E auch dann von Amts wegen zu bestellen, wenn absehbar ist, dass sich ein vorgelegter Restrukturierungsplan oder ein umzusetzendes Restrukturierungskonzept nur gegen den Widerstand von Betroffenen durchsetzen lässt und zugleich absehbar ist, das aus diesem Grunde eine gruppenübergreifenden Mehrheitsentscheidung nach § 28 StaRUG-E notwendig sein wird. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die von der Restrukturierung als planbetroffene Inhaber von Restrukturierungsforderungen und Absonderungsrechten ausschließlich Unternehmen aus dem Finanzsektor und deren Rechtsnachfolger bzw. Inhaber von geld- oder kapitalmarktrechtlichen Instrumenten sind. Diese werden nämlich regelmäßig selbst dazu in der Lage sein, ihre Rechte effektiv durchzusetzen.

Schließlich kann das Gericht auch einen notwendigen Restrukturierungsbeauftragten bestellen, damit dieser Prüfungen als Sachverständiger vornimmt und dadurch das Gericht unterstützt und entlastet (§ 80 Abs. 3 StaRUG-E).

2. Bestellung

Zum notwendigen Restrukturierungsbeauftragten kann nach § 81 Abs. 1 StaRUG-E jeder in Restrukturierungs- und Insolvenzverfahren erfahrene Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt oder jede sonstige natürliche Person mit einer vergleichbaren Qualifikation bestellt werden. Ausschließlich natürliche Personen können bestellt werden. Diese sind aus einem Kreis aller zur Übernahme des Amts bereiten Personen auszuwählen. Entscheidend ist dabei auch, dass die zu bestellende Person sowohl vom Schuldner als auch von den Gläubigern unabhängig ist. Das Restrukturierungsgericht hat nach § 81 Abs. 2 S. 1 StaRUG-E bei der Auswahl des Restrukturierungsbeauftragten Vorschläge des Schuldners, der Gläubiger und der an dem Schuldner beteiligten Personen zwar zu berücksichtigen, ist an diese aber nicht gebunden. 

Abweichend hiervon gewährt § 81 Abs. 2 S. 2, 3 StaRUG-E vorrangig dem Schuldner, jedoch auch den Planbetroffenen unter bestimmten Voraussetzungen zumindest dem Grunde nach bindende Vorschlagsrechte bzgl. der Person des notwendigen Restrukturierungsbeauftragten. Der Schuldner kann, sofern er eine Bescheinigung vorgelegt hat, die von einer in Restrukturierungs- und Insolvenzverfahren erfahrenen Person erstellt worden ist und aus der sich ergibt, dass der Schuldner die Voraussetzungen des § 58 Abs. 1 und 2 StaRUG-E – also für den Erlass einer Stabilisierungsanordnung erfüllt – vorschlagen, dass diese Person zum Restrukturierungsbeauftragten bestellt wird. Dieser Vorschlag ist für das Gericht, sofern die vorgeschlagene Person geeignet ist, bindend. Auf diese Weise sollen die Planbarkeit und die Attraktivität der präventiven Restrukturierung für den Schuldner erhöht werden. 

Demgegenüber steht das gemeinsame Vorschlagsrecht einer Sperrminorität von Planbetroffenen innerhalb aller Plangruppen, d.h. es muss sich um einen gemeinsamen Vorschlag von Planbetroffenen handeln, auf die in jeder gebildeten oder zu bildenden Plangruppe mehr als 25% der Stimmrechte entfallen. Allerdings ist der Vorschlag für das Gericht nur dann bindend, wenn keine Bindung des Gerichts an das Vorschlagsrecht des Schuldners nach Satz 3 besteht. 

Wird ein notwendiger Restrukturierungsbeauftragter aufgrund eines bindenden Vorschlags des Schuldners oder der Planbetroffenen bestellt, so kann das Restrukturierungsgericht nach § 81 Abs. 3 StaRUG-E einen weiteren, zusätzlichen Restrukturierungsbeauftragten bestellen. Dieser kann, abgesehen von der Durchführung und Leitung des Abstimmungstermins, alle nachstehend unter Ziffer 3 dargestellten Aufgaben wahrnehmen.

3. Aufgaben

Dem notwendigen Restrukturierungsbeauftragten kommt primär eine überwachende bzw. kontrollierende Funktion zu. So hat er gemäß § 83 Abs. 1 StaRUG-E die Aufgabe und Pflicht, dem Gericht unverzüglich anzuzeigen, wenn ihm Umstände bekannt werden, die eine Aufhebung der Restrukturierungssache nach § 35 StaRUG-E rechtfertigen, also wenn ihm beispielsweise bekannt wird, dass der Schuldner zahlungsunfähig ist oder schwerwiegend seine Pflichten im Restrukturierungsverfahren verletzt. Allerdings muss er die Verhältnisse des Schuldners nicht fortlaufend aktiv prüfen. Er muss lediglich dann eine Anzeige machen, wenn er bei der Ausübung seiner Tätigkeit von Umständen erfährt, die die Aufhebung der Restrukturierungssache rechtfertigen.

Sofern der notwendige Restrukturierungsbeauftragte nach § 80 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 oder Abs. 2 StaRUG-E bestellt wurde, entscheidet dieser darüber, wie der Restrukturierungsplan zur Abstimmung gebracht wird (§ 83 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG-E). Im Falle einer außergerichtlichen Planabstimmung leitet er die Versammlung der Planbetroffenen, dokumentiert die Abstimmung und wirkt ggf. auf eine Vorprüfung durch das Gericht nach den §§ 49, 50 StaRUG-E hin.

Zudem kann das Gericht ihm weitere Kontrollrechte übertragen und seine Rolle/Position damit der eines Sachwalters im Eigenverwaltungsverfahren annähern. Es kann dem notwendigen Restrukturierungsbeauftragten die Befugnis übertragen, (i) die wirtschaftliche Lage des Schuldners zu prüfen und die Geschäftsführung zu überwachen (§ 83 Abs. 2 Nr. 2 lit. a) StaRUG-E) und (ii) vom Schuldner zu verlangen, dass nicht dieser, sondern nur er eingehende Gelder entgegennehmen darf (§ 83 Abs. 2 Nr. 2 lit. b) StaRUG-E). Ferner kann das Gericht anordnen, dass der Schuldner dem notwendigen Restrukturierungsbeauftragten Zahlungen anzuzeigen und solche Zahlungen außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs nur mit dessen Zustimmung durchführen darf (§ 83 Abs. 2 Nr. 3 StaRUG-E). Gemäß § 83 Abs. 3 StaRUG-E kommt dem notwendigen Restrukturierungsbeauftragten nach Erlass einer Stabilisierungsanordnung zudem die Aufgabe zu, fortlaufend zu prüfen, ob die Voraussetzungen für den Erlass der Stabilisierungsanordnung fortbestehen. 

Schließlich können dem notwendigen Restrukturierungsbeauftragten Aufgaben übertragen werden, die dem Zweck dienen, die Arbeit des Restrukturierungsgerichts zu erleichtern. Legt der Schuldner einen Restrukturierungsplan zur Bestätigung vor, so ist der notwendige Restrukturierungsbeauftragte nach § 83 Abs. 4 StaRUG-E dazu verpflichtet, unter anderem zur Erklärung des Schuldners über die Erfolgsaussichten des Plans (§ 16 Abs. 1 StaRUG-E) Stellung zu nehmen, um so dem Gericht die Prüfung im Rahmen der Planbestätigung zu erleichtern. Ferner kann das Restrukturierungsgericht den notwendigen Restrukturierungsbeauftragten zum Zwecke seiner eigenen Entlastung damit beauftragen, die dem Gericht obliegenden Zustellungen durchzuführen (§ 83 Abs. 6 StaRUG-E).

4. Aufsicht, Entlassung und Haftung

Der notwendige Restrukturierungsbeauftragte steht gemäß § 82 Abs. 1 StaRUG-E unter der Aufsicht des ihn bestellenden Restrukturierungsgerichts. Dieses kann jederzeit einzelne Auskünfte oder einen Sachstandsbericht vom notwendigen Restrukturierungsbeauftragten verlangen. Dieser kann zudem vom Gericht von Amts wegen, auf seinen Antrag hin, auf Antrag des Schuldners oder eines Gläubigers aus wichtigem Grund entlassen werden(§ 82 Abs. 2 StaRUG-E). Für Anträge des Schuldners oder einzelner Gläubiger gilt dies jedoch nur dann, wenn diese glaubhaft machen, dass der notwendige Restrukturierungsbeauftragte nicht über die erforderliche Unabhängigkeit verfügt. 

Erfüllt der notwendige Restrukturierungsbeauftragte seine Aufgaben nicht mit der gebotenen Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit, so ist er bei schuldhafter Verletzung seiner Pflichten den Betroffenen zum Schadensersatzverpflichtet (§ 82 Abs. 4 StaRUG-E).

Umsetzung durch das StaRUG-E: Fakultativer Restrukturierungsbeauftragter

Ist ein Gericht nicht von Amts wegen dazu verpflichtet, einen notwendigen Restrukturierungsbeauftragten zu bestellen, so kann nach dem StaRUG-E gleichwohl ein sog. fakultativer Restrukturierungsbeauftragter durch das Gericht zu bestellen sein.

1. Bestellung

Ein fakultativer Restrukturierungsbeauftragter ist gemäß § 84 Abs. 1 StaRUG-E auf Antrag des Schuldners oder – vorbehaltlich einer gesamtschuldnerischen Kostenübernahme – auf Antrag einer Sperrminorität von Gläubigerninnerhalb einer Plangruppe (also mehr als 25 % der Stimmrechte in einer Gruppe) durch das Restrukturierungsgericht zu bestellen.

Das Restrukturierungsgericht hat aufgrund des Verweises in § 85 Abs. 1 StaRUG-E auf § 81 Abs. 1 StaRUG-E für das Amt des fakultativen Restrukturierungsbeauftragten ebenfalls eine Person auszuwählen, die für den jeweiligen Einzelfall geeignet, in Sanierungsfragen erfahren und von den Gläubigern und dem Schuldner unabhängig ist. Insoweit gelten die vorstehenden Ausführungen zum notwendigen Restrukturierungsbeauftragten entsprechend.

Darüber hinaus steht gemäß § 85 Abs. 2 StaRUG-E einer Gruppe von Gläubigern, die alle planbetroffenen Gruppen repräsentieren, grundsätzlich ein bindendes Vorschlagsrecht hinsichtlich der Person des fakultativen Restrukturierungsbeauftragten zu. Die Bindungswirkung des Vorschlags entfällt nur dann, wenn die vorgeschlagene Person offensichtlich ungeeignet ist oder aber der Schuldner der Bestellung der vorgeschlagenen Person widerspricht.

2. Aufgaben

Dem fakultativen Restrukturierungsbeauftragten kommt, anders als einem notwendigen Restrukturierungsbeauftragten, grundsätzlich keine überwachende und prüfende Funktion zu. Ihm obliegt es vielmehr gemäß der §§ 84 Abs. 1, 86 StaRUG-E, die Verhandlungen zwischen den Beteiligten zu fördern, indem er diese bei der Aushandlung von Restrukturierungskonzept und -plan unterstützt. Mit seiner Erfahrung in Sanierungsfragen soll er als Mediator zwischen den verschiedenen Interessen agieren, helfen Informationsasymmetrien auszugleichen und im Interesse aller Beteiligten den Restrukturierungsprozess voranzubringen.

Abweichend von diesem gesetzlichen Leitbild kann – sofern der Antrag dies vorsieht – ein fakultativer Restrukturierungsbeauftragter gemäß § 84 Abs. 2 StaRUG-E aber auch mit überwachenden und prüfenden Befugnissen und Aufgaben entsprechend dem notwendigen Restrukturierungsbeauftragten nach § 83 StaRUG-E betraut werden. Insoweit gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend. In diesem Falle steht dem Schuldner dann kein Widerspruchsrecht gegen die von den Gläubigern vorgeschlagene Person des Restrukturierungsbeauftragten zu, da dieser nicht auf die ihn prüfende und überwachende Person Einfluss nehmen können soll (§ 85 Abs. 2 StaRUG-E).

3. Aufsicht, Entlassung und Haftung

Der fakultative Restrukturierungsbeauftragte unterliegt schließlich gemäß § 85 Abs. 3 StaRUG-E hinsichtlich Aufsicht, Entlassung und Haftung den gleichen Regelungen wie ein vom Gericht von Amts wegen zu bestellender notwendiger Restrukturierungsbeauftragter. Dies folgt aus dem dortigen Verweis auf § 82 StaRUG-E.

Fazit und Ausblick

Es bleibt festzuhalten, dass neben den gesetzlich vorgeschriebenen Fällen zur Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten und verschiedener Antragsrechte von Schuldnern und Gläubigern auch das Restrukturierungsgericht einen Restrukturierungsbeauftragten als Sachverständigen konsultieren bzw. diesem entsprechende Prüfaufträge erteilen kann (vgl. § 80 Abs. 3 StaRUG-E). Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die Gerichte von dieser Möglichkeit sicherlich gerade in der "Startphase" des StaRUG-E regelmäßig Gebrauch machen werden, auch um sich selbst zu entlasten und ggf. zusätzliches Knowhow einzuholen. 

Jedenfalls in denjenigen Fällen, in denen eine Restrukturierung auch gegen den Willen einzelner Gläubiger durchgesetzt werden muss – und für diese Konstellation ist der neue Rahmen gerade von besonderem Interesse – dürfte die gerichtliche Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten daher letztlich eher einen Regelfall darstellen und nicht die Ausnahme.

Zu begrüßen ist auch, dass der Restrukturierungsbeauftragte zur Bestandsfähigkeit des Schuldners nach § 16 StaRUG-E quasi als Fachmann Stellung nehmen soll, wenn der Schuldner einen Restrukturierungsplan zur Bestätigung vorlegt. Dies erscheint sinnvoll, weil dadurch die weitere gerichtliche Prüfung vorstrukturiert wird.

Die Voraussetzungen, die eine Person erfüllen muss, um zum Restrukturierungsbeauftragten bestellt werden zu können, orientiert sich an der Regelung des § 56 InsO. Es ist richtig, dass ausschließlich natürliche Personen zu Restrukturierungsbeauftragten bestellt werden können. Denn auch bei diesem Amt handelt es sich um ein höchstpersönliches Amt, das eine grundlegende Personenbindung erfordert. Damit korrespondiert auch die gesetzliche Regelung des § 82 Abs. 4 StaRUG-E, der eine persönliche Haftung des Restrukturierungsbeauftragten – vergleichbar zu § 60 InsO – gegenüber den Beteiligten vorsieht. Auch an den Regelungen zu den Bestellungsvoraussetzungen des Restrukturierungsbeauftragten zeigt sich einmal mehr, dass der Gesetzgeber versucht, das Restrukturierungsverfahren möglichst eng an das Insolvenzverfahren anzulehnen und hier bekannte Strukturen adaptiert. 

Aufgrund der Tatsache, dass die Restrukturierungsbeauftragten aus einem Kreis aller zur Übernahme des Amts bereiten Personen auszuwählen sein sollen, ist zu erwarten, dass bei den Gerichten wohl künftig – analog zu den Insolvenzverwaltern – allgemeine Vorauswahllisten geführt werden dürften.

GLADE MICHEL WIRTZ wird Sie an dieser Stelle fortlaufend über das Gesetzgebungsverfahren informieren und Ihnen in weiteren Beiträgen die wesentlichen Regelungen und Bestandteile des Regierungsentwurfs über die Umsetzung des präventiven Restrukturierungsrahmens erläutern. Gerne stehen wir auch für einen Austausch zu diesem Thema jederzeit zur Verfügung.

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Die Umsetzung der Restrukturierungsrichtlinie in das deutsche Recht – Der Restrukturierungsplan Teil II

#FOKUS: COVID-19-PANDEMIE / EU-RE­STRUKTURIERUNGS­RICHTLINIE

Die Umsetzung der Re­struk­turierungs­richt­li­nie in das deutsche Recht – Der Re­struk­turierungs­plan Teil II

30. Oktober 2020

In unserer Beitragsreihe über die Umsetzung der Restrukturierungsrichtlinie (RL (EU) 2019/1023) in das deutsche Recht haben wir zuletzt die inhaltlichen Anforderungen an einen Restrukturierungsplan sowie die Auswahl der davon betroffenen Gläubiger (Planbetroffene) und ihre Einteilung in Gruppen nach dem Regierungsentwurf des Stabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz (StaRUG-E) genauer beleuchtet. Vorliegender Beitrag knüpft hierzu an, indem er sich der Planabstimmung und -bestätigung widmet und zudem insbesondere die Wirkungen eines Restrukturierungsplans aufzeigt. 

Vorgaben der Europäischen Restrukturierungsrichtlinie

Bevor die Regelungen des StaRUG-E zur Planabstimmung und -bestätigung sowie der Wirkung des Restrukturierungsplans im deutschen Recht im Detail beleuchtet werden, sollen zum besseren Verständnis zunächst noch einmal die diesbezüglichen Vorgaben der Restrukturierungsrichtlinie dargestellt werden.

Vorgaben zur Abstimmung über den Restrukturierungsplan finden sich in Art. 9 der Richtlinie. So muss nach Art. 9 Abs. 1, 2 jedenfalls der Schuldner das Recht haben, den betroffenen Parteien den Restrukturierungsplan zur Annahme vorzulegen und Letztere müssen das Recht haben, über die Annahme des Restrukturierungsplanes abzustimmen. Daneben steht es nach Art. 9 Abs. 1 UAbs. 2 im Ermessen der Mitgliedstaaten, ob und wenn ja unter welchen Bedingungen auch Gläubiger bzw. ein Restrukturierungsbeauftragter das Recht haben sollen, einen Restrukturierungsplan zur Annahme durch die Gläubiger vorzulegen.

Die Richtlinie regelt in Art. 9 Abs. 6 UAbs. 1 weiter, dass ein Restrukturierungsplan von den betroffenen Parteien dann als angenommen gilt, wenn bei der Abstimmung über den Plan in jeder Gläubigerklasse eine Mehrheit erreicht wird. Hinsichtlich der Frage, wann eine solche Mehrheit erreicht ist, wird den Mitgliedstaaten von der Richtlinie ein weiter Ausgestaltungsspielraum eingeräumt. So steht es nach Art. 9 Abs. 6 UAbs. 1 im Ermessen der nationalen Gesetzgeber, ob sie eine Summenmehrheit in jeder Gläubigerklasse genügen lassen oder zusätzlich verlangen, dass auch eine Kopfmehrheit vorliegen muss. Darüber hinaus obliegt es den Mitgliedstaaten festzulegen, welches Zustimmungsquorum bei der Abstimmung in jeder Gläubigerklasse erfüllt sein muss. Die Richtlinie legt hierbei in Art. 9 Abs. 6 UAbs. 2 nur eine Höchstgrenze fest. So dürfen die Mitgliedstaaten höchstens verlangen, dass eine Summenmehrheit sowie ggf. zusätzlich eine Kopfmehrheit von 75% in jeder Gläubigerklasse erreicht werden muss.

Überdies macht die Restrukturierungsrichtlinie in Art. 10 Vorgaben hinsichtlich der Bestätigung von Restrukturierungsplänen. In Abs. 1 wird zunächst festgelegt, dass bestimmte Restrukturierungspläne zwingend der Bestätigung durch eine Justiz- oder Verwaltungsbehörde bedürfen, damit diese verbindlich werden. Dies sind zum Beispiel solche Restrukturierungspläne, die eine neue Finanzierung vorsehen (Art. 10 Abs. 1 lit. b) oder zu einem Verlust von 25% der Arbeitsplätze des Unternehmens führen (Art. 10 Abs. 1 lit. c). Daneben stellt die Richtlinie in Art. 10 Abs. 2 zwingende Mindestbedingungen auf, die erfüllt sein müssen, damit eine Justiz- oder Verwaltungsbehörde einen Restrukturierungsplan bestätigen kann. So muss beispielsweise nach lit. d) bei streitig angenommenen Restrukturierungsplänen das Kriterium des Gläubigerinteresses erfüllt sein.

Schließlich sind die Mitgliedstaaten nach Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie verpflichtet, sicherzustellen, dass ein bestätigter Restrukturierungsplan für die im Plan genannten oder beschriebenen betroffenen Parteien verbindlich wird. Sie müssen nach Art. 15 Abs. 2 der Richtlinie zudem vorsehen, dass ein Restrukturierungsplan gegenüber an der Planannahme nicht beteiligten Gläubigern keine Wirkungen entfaltet.

Umsetzung durch das StaRUG-E: Verfahren zur Abstimmung über einen Restrukturierungsplan

Ein Restrukturierungsplan des Schuldners, der die in unserem letzten Beitrag dargestellten inhaltlichen Voraussetzungen erfüllt und der die Planbetroffenen sachgerecht bestimmt, bedarf sodann der Annahme durch die Planbetroffenen. Für die Annahme eines Restrukturierungsplanes stehen zwei verschiedene Wege zur Verfügung. Zum einen kann der Plan in einem außergerichtlichen Planabstimmungsverfahren angenommen werden und zum anderen steht die Möglichkeit der gerichtlichen Planabstimmung offen.

Eine außergerichtliche Planabstimmung vollzieht sich nach den §§ 19 ff. StaRUG-E. Der Schuldner übermittelt hierzu zunächst den Restrukturierungsplan an die Planbetroffenen zum Zwecke der Abstimmung (sog. Planangebot). Dieses Angebot muss dabei gem. § 19 Abs. 1 StaRUG-E neben dem vollständigen Restrukturierungsplan mit Anlagen auch den Hinweis enthalten, dass der Plan im Falle seiner mehrheitlichen Annahme auch gegenüber denjenigen Planbetroffenen wirksam werden kann, die gegen den Plan gestimmt haben.

Über den auf diesem Wege angebotenen Restrukturierungsplan kann sodann entweder in einem versammlungslosen Abstimmungsverfahren oder in einer Versammlung der Planbetroffenen nach § 22 StaRUG-E abgestimmt werden. 

Wählt der Schuldner den Weg der versammlungslosen Abstimmung so hat er den Planbetroffenen gem. § 21 StaRUG-E eine Frist zur Annahme des Restrukturierungsplans von regelmäßig mindestens 14 Tagen zu setzen; zudem ist auf die Möglichkeit einer gemeinschaftlichen Erörterung (§ 23 StaRUG-E) hinzuweisen. Sofern nichts Abweichendes vereinbart bzw. bestimmt worden ist, muss hierbei sowohl das Planangebot als auch die Annahme durch die Planbetroffenen gem. § 19 Abs. 4 StaRUG-E die Schriftform wahren. 

Soll der Restrukturierungsplan nach dem Willen des Schuldners hingegen in einer Versammlung der Planbetroffenen zur Abstimmung gestellt werden, so muss der Schuldner gem. § 22 Abs. 1 StaRUG-E diePlanbetroffenen zu dieser Versammlung schriftlich und ebenfalls mit einer Frist von mindestens 14 Tagen einberufen. Der Schuldner kann den Planbetroffenen dabei auch ermöglichen, in elektronischer Form, z.B. mittels Videokonferenz an der Versammlung teilzunehmen und abzustimmen. In der Versammlung können die Planbetroffenen Auskünfte vom Schuldner über den Restrukturierungsplan verlangen. Sofern der Schuldner den Restrukturierungsplan im Zuge der Versammlung in einzelnen Punkten abändert, kann über den geänderten Plan noch in der Versammlung abgestimmt werden. Handelt es sich jedoch um weitergehende, umfangreichere Änderungen so ist ein neues Angebot nach den §§ 19 ff. StaRUG-E oder die Einberufung einer neuen Abstimmungsversammlung erforderlich. Zur Abgrenzung, wann eine solche umfangreiche Änderung vorliegt, soll nach dem Willen des Gesetzgebers auf die Rechtsprechung zu § 240 InsO zurückgegriffen werden. 

Die gerichtliche Planabstimmung ist in den §§ 47, 48 StaRUG-E geregelt. Der Schuldner kann sich für die Organisation und Durchführung der Abstimmung der Planbetroffenen über den Restrukturierungsplan nach diesen Vorschriften auch an das Restrukturierungsgericht wenden. Hierfür muss der Schuldner gem. § 47 Abs. 1 StaRUG-E einen Antrag beim Restrukturierungsgericht stellen. Dieses bestimmt sodann unter Wahrung einer mindestens 14-tägigen Ladungsfrist einen Termin zur Erörterung und Abstimmung über den Restrukturierungsplan. Der Vorteil einer solchen gerichtlichen Planabstimmung ist, dass etwaige Zweifel an einer ordnungsgemäßen Planabstimmung im Rahmen einer späteren gerichtlichen Planbestätigung nicht zulasten des Schuldners gehen (vgl. § 70 Abs. 3 StaRUG-E).

Indes besteht gem. § 48 StaRUG-E auch die Möglichkeit, Fragen, die für die spätere gerichtliche Bestätigung des Restrukturierungsplanes erheblich sind, in einem gesonderter Vorprüfungstermin dem Restrukturierungsgericht zur Entscheidung vorzulegen. Beispielhaft nennt das Gesetz als Fragen, die in einem solchen Vorprüfungstermin geklärt werden können, welches Stimmrecht eine Restrukturierungsforderung gewährt (§ 48 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG-E) oder, ob dem Schuldner die Zahlungsunfähigkeit droht (§ 48 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG-E). Ein Vorprüfungstermin kann auf Antrag des Schuldners oder auch von Amts wegen erfolgen. Das Ergebnis einer solchen Vorprüfung fasst das Gericht sodann gem. § 48 Abs. 2 StaRUG-E in einem Hinweisbeschluss zusammen, der allerdings keine Bindungswirkung für das weitere Verfahren genießt.

Zudem sehen die §§ 49, 50 StaRUG-E die Möglichkeit eines Vorprüfungstermins auch im Rahmen des außergerichtlichen Planabstimmungsverfahrens (§§ 19 ff. StaRUG-E) vor. In diesem Fall hat das Gericht insbesondere die von den Vorprüfungsfragen berührten Planbetroffenen in einem Termin oder aber auf schriftlichem Wege anzuhören.

Umsetzung durch das StaRUG-E: Erforderliche Mehrheit bei der Abstimmung über einen Restrukturierungsplan

Für die Annahme des Restrukturierungsplanes durch die Planbetroffenen ist es gem. § 27 Abs. 1 StaRUG-E grundsätzlich erforderlich, dass in jeder Gläubigergruppe eine Mehrheit von 75% der Stimmen für den Restrukturierungsplan votiert. Die Gläubiger sind dabei – sofern sie Forderungsgläubiger sind – gem. § 26 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG-E in Abhängigkeit von ihrem Forderungsbetrag stimmberechtigt. Anders als beim Insolvenzplanverfahren (§ 244 InsO) ist keine zusätzliche Kopfmehrheit erforderlich, sondern es genügt die bloße Summenmehrheit für die Annahme des Restrukturierungsplanes.

Um einer durch dieses Quorum möglicherweise entstehenden Dominanz von großen Gläubigern gegenüber kleineren Gläubigern entgegenzuwirken, sieht der Gesetzesentwurf vor, dass für Kleingläubiger gem. § 11 Abs. 2 S. 4 StaRUG-E separate Gruppen zu bilden sind.

Auch wenn nicht alle Gläubigergruppen für den Restrukturierungsplan stimmen, kann dieser angenommen werden. Denn gem. § 28 StaRUG-E gilt die Zustimmung einer ablehnend stimmenden Gruppe als erteilt (sog. Cross Class Cram Down), wenn folgende drei Voraussetzungen kumulativ vorliegen.

(i) Die Mitglieder einer ablehnenden Gruppe dürfen durch den Restrukturierungsplan voraussichtlich nicht schlechter gestellt werden, als sie ohne einen Plan stünden.

(ii) Die Mitglieder einer ablehnend stimmenden Gruppe müssen angemessen am Planwert, also an dem wirtschaftlichen Wert, der nach dem Restrukturierungsplan den Betroffenen zufließen soll, beteiligt werden.

(iii) Ferner muss zumindest die Mehrheit der abstimmenden Gruppen dem Restrukturierungsplan zustimmen. 

In §§ 29, 30 StaRUG-E wird dann noch genauer bestimmt, wann eine angemessene Beteiligung am Planwert nach (ii) vorliegt (Absolute Priorität).

Umsetzung durch das StaRUG-E: Gerichtliche Bestätigung eines Restrukturierungsplans

Ein von den Planbetroffenen angenommener Restrukturierungsplan kann sodann gem. § 67 Abs. 1 StaRUG-E auf Antrag des Schuldners durch das Restrukturierungsgericht bestätigt werden. Vor der Entscheidung über die Bestätigung des Restrukturierungsplanes kann das Restrukturierungsgericht gem. § 68 StaRUG-E die Planbetroffenen anhören. Im Falle einer Planabstimmung im außergerichtlichen Verfahren muss das Gericht zwingend einen Termin zur Anhörung der Planbetroffenen durchführen.

Die Voraussetzungen für die Bestätigung eines Restrukturierungsplans durch das Gericht sind als Versagungsgründe und damit als negative Bestätigungsvoraussetzungen in § 70 StaRUG-E geregelt. Danach darf ein Restrukturierungsplan u.a. dann nicht bestätigt werden, wenn der Schuldner nicht drohend zahlungsunfähig ist (§ 70 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG-E) oder wenn eine Offenkundigkeitsprüfung ergibt, dass die durch den Plan gestalteten Ansprüche der Planbetroffenen sowie die Ansprüche der übrigen nicht planbetroffenen Gläubiger nicht erfüllt werden können (§ 70 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG-E). Daneben ist die Bestätigung des Planes insbesondere auch dann zu versagen, wenn dieser eine neue Finanzierung vorsieht und das dem Plan zu Grunde liegende Restrukturierungskonzept unschlüssig ist, nicht von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgeht oder keine begründete Aussicht auf Erfolg vermittelt (§ 70 Abs. 2 StaRUG-E). 

Neben diesen von Amts wegen zu berücksichtigenden Versagungsgründen hat das Gericht die Bestätigung eines Restrukturierungsplanes gem. § 71 Abs. 1 StaRUG-E auch auf Antrag eines Planbetroffenen zu versagen, sofern dieser durch den Restrukturierungsplan voraussichtlich schlechter gestellt wird, als er ohne den Plan stünde. Diesen Einwand muss der Planbetroffene indes bereits im Abstimmungsverfahren geltend gemacht haben (§ 71 Abs. 2 StaRUG-E), andernfalls ist er mit dem Einwand präkludiert. Der Schuldner kann sich vor solchen Anträgen aber dadurch schützen, dass er im gestaltenden Teil des Restrukturierungsplanes Mittel für den Fall vorsieht, dass ein Planbetroffener eine Schlechterstellung nachweist (§ 71 Abs. 3 StaRUG-E).

Die Entscheidungsverkündung zur Planbestätigung hat zeitgleich mit der Entscheidung über eine gerichtliche Vertragsbeendigung (§§ 51 ff. StaRUG-E) in einem einheitlichen Beschluss gem. § 52 Abs. 1 StaRUG-E zu ergehen. 

Wird der Restrukturierungsplan durch Beschluss des Restrukturierungsgerichts bestätigt, bleibt den Planbetroffenen die sofortige Beschwerde (§ 73 Abs. 1 S. 1 StaRUG-E). Gleiches gilt für den Schuldner im Fall einer Versagung der Planbestätigung (§ 73 Abs. 1 S. 2 StaRUG-E). Eine aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde kann unter bestimmten Voraussetzungen auf Antrag angeordnet werden (§ 73 Abs. 4 StaRUG-E).

Umsetzung durch das StaRUG-E: Planwirkung und Planüberwachung

Die Bestätigung des Restrukturierungsplans hat zur Folge, dass gem. § 74 Abs. 1 StaRUG-E die im gestaltenden Teil des Plans festgelegten Wirkungen eintreten. Insofern unterscheidet sich der Restrukturierungsplan vom Insolvenzplan, denn bei Letzterem treten die Wirkungen erst mit der Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses und nicht bereits mit dessen Verkündung ein. Nur wenn zugleich auch über eine Vertragsbeendigung entschieden wird, treten die Wirkungen des Restrukturierungsplanes ebenfalls erst mit Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses ein (§ 74 Abs. 2 StaRUG-E). Diese Planwirkung gilt auch für solche Planbetroffenen, die an der mehrheitlichen Planannahme nicht teilgenommen haben; hierauf ist bereits bei Unterbreiten des Planangebots hinzuweisen (§ 19 Abs. 1 StaRUG-E).

Für den Fall, dass der Schuldner mit der Begleichung der durch den Restrukturierungsplan gestundeten oder erlassenen Forderungen in einen erheblichen Rückstand gerät oder schlussendlich über das Vermögen des Schuldners doch ein Insolvenzverfahren eröffnet wird, regelt § 76 Abs. 1 StaRUG-E das Wiederaufleben der Forderungen in Gänze.

Soweit in einem Restrukturierungsplan Forderungen gestaltet werden, die streitig sind, gelten sie gem. § 77 Abs. 1 StaRUG-E nur in der Höhe von den Wirkungen des Restrukturierungsplans erfasst, in der sie darin festgelegt sind. In überschüssiger streitiger Höhe gelten weiterhin die zivilrechtlichen Grundsätze, wonach der Bestand der Forderungen im Zweifel durch ein zuständiges Gericht zu klären wäre. Insoweit ist davon auszugehen, dass die Entscheidung des Restrukturierungsgerichts über das Stimmgewicht wohl auch keine inzidente Feststellung über das Bestehen oder Nichtbestehen etwaiger streitiger Forderungen umfasst (§ 77 Abs. 2 StaRUG-E). 

Zudem regelt § 78 StaRUG-E, dass der Restrukturierungsplan grundsätzlich einen rechtskräftigen vollstreckbaren Titel – soweit die Forderungen nicht bestritten sind – darstellt (§ 78 Abs. 1 StaRUG-E). Der § 78 Abs. 4 StaRUG-E stellt in diesem Zusammenhang klar, dass eine Vollstreckung aus etwaigen früheren Titeln – zeitlich vor dem Restrukturierungsplan – nicht mehr erfolgen kann. 

Die Planüberwachung kann gem. § 79 StaRUG-E einem Restrukturierungsbeauftragten übertragen werden, mit dessen Rolle wir uns in einem weiteren Beitrag in dieser Reihe ausführlich auseinandersetzen werden. 

Fazit und Ausblick

Die Regelungen zum Restrukturierungsplan nach dem StaRUG-E sind äußerst detailreich gestaltet und orientieren sich – was die Handhabung sicherlich vereinfachen wird – in weiten Teilen an bereits bekannten Vorschriften zum Insolvenzplan, jedenfalls soweit dies die Restrukturierungsrichtlinie zugelassen hat.

Gerade im Zusammenhang mit dem Stimmrecht der Planbetroffenen bei der Planabstimmung gibt es für den Restrukturierungsplan insoweit einige Besonderheiten zu beachten. Hier ist indes offen, wie griffig sich die neuen Regelungen in der Umsetzung und Anwendung erweisen. Sicherlich macht es – zumindest unmittelbar nach Inkrafttreten des StaRUG – Sinn, bei Rechtsunsicherheiten in diesem Kontext in einem Vorprüfungstermin das Restrukturierungsgericht mit einzubeziehen.

Ein weiteres Novum stellt zudem das außergerichtliche Planabstimmungsverfahren dar. Es bleibt abzuwarten, wie häufig die betroffenen Schuldner hiervon im Vergleich zum gerichtlichen Planabstimmungsverfahren tatsächlich Gebrauch machen werden. Dies gilt u.a. bei möglichen aufkommenden Zweifelsfragen einzelner planbetroffener Gläubiger, die die Rechtmäßigkeit einer außergerichtlichen Planabstimmung im Rahmen der später erfolgenden gerichtlichen Planbestätigung in Frage stellen könnten und versucht sein könnten, einen Versagungsgrund für die Planbestätigung zu provozieren. Den für den Schuldner rechtssichereren Weg zur Erreichung der Planbestätigung trotz dissentierender planbetroffener Gläubiger dürfte daher eher die gerichtliche Planabstimmung darstellen. Nur im Falle eines kleinen Kreises an Planbetroffenen und einer wenig kontrovers verlaufender Planerörterung und -abstimmung dürfte das außergerichtliche Planabstimmungsverfahren eine effiziente und anerkennenswerte Alternative bieten.

Zudem gilt es, auch zahlreiche, neu geschaffene verfahrensrechtliche Abläufe im Zusammenhang mit dem Restrukturierungsplan, wie z.B. die Vorprüfung oder die Verknüpfung der gerichtlichen Entscheidung über die Planbestätigung mit der gerichtlichen Vertragsbeendigung, praktisch zu erproben.

GLADE MICHEL WIRTZ wird Sie an dieser Stelle fortlaufend über das Gesetzgebungsverfahren informieren und Ihnen in weiteren Beiträgen die wesentlichen Regelungen und Bestandteile des Regierungsentwurfs über die Umsetzung des präventiven Restrukturierungsrahmens erläutern. Gerne stehen wir auch für einen Austausch zu diesem Thema jederzeit zur Verfügung.

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Die Umsetzung der Restrukturierungsrichtlinie in das deutsche Recht – Der Restrukturierungsplan Teil I

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Die Um­setzung der Re­struk­tu­rierungs­richt­linie in das deutsche Recht – Der Re­struk­tu­rierungs­plan Teil I

27. Oktober 2020

In unserer Beitragsreihe über die Umsetzung der sog. Restrukturierungsrichtlinie (RL (EU) 2019/1023) in das deutsche Recht haben wir zuletzt über die Veröffentlichung des Referentenentwurfs des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) berichtet, dessen zentraler Bestandteil das Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz (StaRUG) ist und mit dem der präventive Restrukturierungsrahmen in das deutsche Recht implementiert wird. Mittlerweile wurde – nach seiner Verabschiedung durch die Bundesregierung in der Kabinettssitzung am 14. Oktober 2020 – bereits der Regierungsentwurf des SanInsFoG veröffentlicht.

Nachdem wir in unserem ersten Beitrag zunächst den Anwendungsbereich und die Zugangsvoraussetzungen des Stabilisierungs- und Restrukturierungrahmens dargestellt haben, soll nunmehr der Restrukturierungsplan in den Fokus gerückt werden. Dieser kann als das zentrale Instrument und Herzstück des Stabilisierungs- und Restrukturierungrahmens bezeichnet werden. Er bildet die Grundlage für die Eingriffe in die Forderungen und Rechte von Gläubigern und Anteilsinhabern auf der Grundlage einer Mehrheitsentscheidung der Betroffenen. Damit stellt der Restrukturierungsplan ein kollektiv-privatautonomes Instrument zur Bewältigung der Krise des Schuldners dar.

Aufgrund seiner zentralen Bedeutung und der Vielzahl an Regelungen betreffend des Restrukturierungsplans im StaRUG-E werden wir diesen in zwei Beiträgen beleuchten. In diesem ersten Teil werden wir die inhaltlichen Anforderungen an den Restrukturierungsplan und die Auswahl der Planbetroffenen sowie ihre Einteilung in Gruppen darstellen, während in dem zweiten Teil die Beschlussfassung, die gerichtliche Bestätigung, die Planüberwachung und die Planwirkung in den Blick genommen werden. 

Vorgaben der Europäischen Restrukturierungsrichtlinie

Zum besseren Verständnis der Regelungen des StaRUG-E zu den Inhalten des Restrukturierungsplans und der Auswahl und Einteilung der Planbetroffenen sollen in der gebotenen Kürze zunächst noch einmal die diesbezüglichen Vorgaben der Restrukturierungsrichtlinie dargestellt werden.

Die Richtlinie macht in Art. 8 Abs. 1 zunächst zwingende Vorgaben zum Mindestinhalt von Restrukturierungsplänen. Danach muss ein Restrukturierungsplan eine Aufstellung der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten des Schuldners enthalten, die betroffenen Gläubiger benennen und Informationen über die gebildeten Klassen (Gruppen) sowie die Kriterien ihrer Zuteilungen beinhalten. Erforderlich sind überdies auch Informationen über die Bedingungen der Restrukturierung, also zu den vorgeschlagenen konkreten Maßnahmen, die Dauer der einzelnen Maßnahmen und ggf. neuen Finanzierungen. 

Überdies schreibt die Richtlinie in Art. 8 Abs. 1 lit. h) vor, dass jeder Restrukturierungsplan eine Begründung enthalten muss, in der erläutert wird, warum die begründete Aussicht darauf besteht, dass durch den Restrukturierungsplan eine Insolvenz des Schuldners verhindert und dessen Bestandsfähigkeit gewährleistet werden kann. Zudem sind die notwendigen Voraussetzungen für den Erfolg des Plans darzulegen.

Die Richtlinie macht in Art. 9 Abs. 4 ferner die Vorgabe, dass die in den Restrukturierungsplan einbezogenen Gläubiger aufgrund überprüfbarer Kriterien in unterschiedliche Gruppen eingeteilt werden. Die Anzahl und Art der verschiedenen Klassen (Gruppen) wird nicht festgelegt, es ist jedoch erforderlich, dass es zumindest zwei unterschiedliche Klassen (Gruppen) für die Gläubiger von gesicherten und ungesicherten Forderungen gibt. Zudem sind die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, bei der Gruppenbildung den Schutz schutzbedürftiger Gläubiger, wie etwa kleiner Lieferanten, zu gewährleisten (UAbs. 1). Ferner besteht für die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, eine eigene Gruppe für die Forderungen von Arbeitnehmern vorzusehen (UAbs. 3) und Schuldner, bei denen es sich um KMU handelt, von der Verpflichtung zur Bildung von Gruppen generell auszunehmen (UAbs. 2).

Umsetzung durch das StaRUG-E: Inhaltliche Anforderungen an einen Restrukturierungsplan

Die inhaltlichen Anforderungen an den Restrukturierungsplan sind in den §§ 7 ff. des StaRUG-E normiert. Die Regelung des § 7 StaRUG-E sieht – in Anlehnung an die Regelungen der §§ 219 ff. InsO für den Insolvenzplan – vor, dass sich der Restrukturierungsplan in einen darstellenden und in einen gestaltenden Teil gliedern und darüber hinaus die in den §§ 16 und 17 StaRUG-E aufgeführten Anlagen enthalten muss.

Im darstellenden Teil des Restrukturierungsplans sind nach § 8 Abs. 1 StaRUG-E die Grundlagen und die Auswirkungen des Plans zu beschreiben. Der Sinn und Zweck ist es dabei, den vom Plan Betroffenen eine informierte Entscheidung über ihre Zustimmung zum Plan zu ermöglichen. Daher hat er alle Angaben zu enthalten, die für die Entscheidung der vom Plan betroffenen Gläubiger für ihre Zustimmung und die gerichtliche Bestätigung des Plans erforderlich sind. Daneben sollen auch diejenigen Restrukturierungsmaßnahmen beschrieben und besonders hervorgehoben werden, die nicht über die Gestaltungswirkungen des Plans herbeigeführt werden können oder sollen, sondern auf anderem Wege umzusetzen sind. 

Überdies hat der Restrukturierungsplan im darstellenden Teil nach § 8 Abs. 2 StaRUG-E eine Vergleichsrechnung zu enthalten, welche die Auswirkungen der Planregelungen auf die Befriedigungsaussichten der Planbetroffenen darstellt und begründet. Diese Vergleichsrechnung ist notwendig, weil die Herbeiführung einer Mehrheitsentscheidung gegen den Willen einer Plangruppe oder bei einer Planbestätigung gegen den Willen einzelner Betroffener jeweils nur dann möglich ist, wenn diese Beteiligten durch den Plan nicht schlechter gestellt werden, als sie ohne Plan stünden (§ 28 bzw. § 71 StaRUG-E). Eben dies lässt sich jedoch nur auf Basis einer Vergleichsrechnung beurteilen. In der Vergleichsrechnung sind dabei grds. Fortführungswerte anzusetzen, wenn die Fortführung des Unternehmens auf Basis des Restrukturierungsplans angestrebt wird. Liquidationswerte dürfen nur angesetzt werden, wenn eine anderweitige Fortführung – also nicht auf Basis des Restrukturierungsplans – oder ein Verkauf des Unternehmens angestrebt wird.

Soweit durch den Restrukturierungsplan nicht nur in vom Schuldner bestellte Sicherheiten, sondern auch in gruppeninterne Drittsicherheiten eingegriffen wird, muss der darstellende Teil nach Abs. 3 auch die Verhältnisse der Sicherungsgeber sowie die Auswirkungen des Restrukturierungsplans auf diesen wiedergeben. Dies ist erforderlich, um zum einen die Werthaltigkeit der Sicherheit und zum anderen die Auswirkungen des Plans auf die Stellung des Sicherungsnehmers bewerten zu können.

Der Inhalt des gestaltenden Teils des Restrukturierungsplans ist in § 9 StaRUG-E normiert, wobei die Regelungen im Wesentlichen den entsprechenden Regelungen der InsO zum gestaltenden Teil des Insolvenzplans nachgebildet worden sind. So orientiert sich die Regelung von § 9 Abs. 1 StaRUG-E an § 221 Satz 1 InsO und enthält eine Legaldefinition der Planbetroffenen, zu denen die Inhaber der Restrukturierungsforderungen, der Absonderungsanwartschaften, der Rechte aus gruppeninternen Drittsicherheiten und der Anteils- und Mitgliedschaftsrechte gehören können. Zudem geht aus der Regelung hervor, dass in dem gestaltenden Teil des Restrukturierungsplans festgelegt werden muss, wie die Rechtsstellung der Planbetroffenen geändert werden soll. Sofern es um die Gestaltung von Restrukturierungsforderungen oder Absonderungsanwartschaften geht, ist zu bestimmen, in welcher Höhe diese gekürzt, für welche Dauer sie gestundet und/oder gesichert sowie welchen sonstigen Regelungen sie unterworfen werden sollen (§ 9 Abs. 2 StaRUG-E). 

Sofern auch beabsichtigt ist, vertragliche Nebenbestimmungen nach § 4 Abs. 2 zu gestalten, was insbesondere bei der Restrukturierung von Konsortialkrediten und anderen komplexen Finanzierungsstrukturen mit Blick auf Covenants von Bedeutung sein dürfte, ist im gestaltenden Teil darzulegen, wie diese Nebenbestimmungen abgeändert werden sollen (Abs. 3). In dem gestaltenden Teil des Plans ist auch darzulegen, wenn Restrukturierungsforderungen in Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte umgewandelt werden sollen. Für Gläubiger, die sich hieran nicht beteiligen wollen, muss der Plan eine Barabfindung vorsehen (Abs. 4).

Entscheidend ist, dass die gestaltende Wirkung bzw. Wirkungen des Plans eindeutig und vollständig beschrieben werden, da das Gericht im Rahmen seiner etwaigen Planbestätigung an einen abgestimmten Plan gebunden ist und diesen entweder nur im Ganzen bestätigen oder ihm die Bestätigung versagen kann. Zur Vornahme von Änderungen ist es gerade nicht befugt (dazu noch ausführlicher in dem demnächst veröffentlichten Teil II unseres Beitrags zum Restrukturierungsplan). 

Gemäß § 14 StaRUG-E ist es zudem zulässig, im Restrukturierungsplan Regelungen hinsichtlich einer neuen Finanzierung vorzusehen. Unter dem Begriff der neuen Finanzierung ist dabei nach der Legaldefinition des § 14 StaRUG-E die Zusage von Darlehen oder sonstigen Krediten zu verstehen, die zur Finanzierung der Restrukturierung auf Grundlage des Plans erforderlich sind, sowie deren Besicherung.

Neben dem darstellenden Teil und dem gestaltenden Teil ist ein Restrukturierungsplan auch mit den in den §§ 16, 17 StaRUG-E genannten Anlagen zu versehen. So ist dem Restrukturierungsplan nach § 16 Abs. 1 StaRUG-E eine begründete Erklärung beizufügen, dass die drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners durch den Plan beseitigt und die Bestandsfähigkeit des Schuldners sicher- oder wiederhergestellt wird. Allerdings finden sich weder im StaRUG-E noch in der Gesetzesbegründung Ausführungen dazu, anhand welcher Kriterien der Schuldner seine Bestandsfähigkeit bzw. die Aussichten, dass diese sicher- bzw. wiederhergestellt werden wird, ermitteln und darlegen muss.

Zudem ist eine Vermögensübersicht beizufügen, in der diejenigen Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten wertmäßig aufgeführt sind, die sich bei einem Wirksamwerden des Plans gegenüberstünden. Dabei sind sowohl die Restrukturierungsforderungen als auch die unberührt bleibenden sowie künftigen Forderungen zu berücksichtigen. Es ist ferner darzulegen, welche Zinsen und Erträge während des Zeitraums der Befriedigung der Gläubiger nach dem Plan zu erwarten sind und durch welche Abfolge von Ein- und Auszahlungen die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens gewährleistet werden soll.

In § 17 StaRUG-E sind weitere Anlagen aufgeführt, deren verpflichtende Beifügung von der Rechtsform des Schuldners und/oder der Art der gestaltenden Regelungen des Restrukturierungsplans abhängig sind.

Umsetzung durch das StaRUG-E: Auswahl und Einteilung der Planbetroffenen

Bei dem Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen und somit auch beim Restrukturierungsplan handelt es sich – anders als im Insolvenzverfahren – lediglich um teilkollektive Maßnahmen. Es werden nämlich nicht alle Gläubiger in Gänze von dem Restrukturierungsrahmen betroffen, was sich bereits an den im Negativkatalog des § 6 StaRUG-E genannten Forderungen zeigt, die vom Restrukturierungsplan von vorneherein ausgenommen sind. 

Vielmehr steht die Auswahl derjenigen Gläubiger, denen der Schuldner einen Beitrag zur Erreichung des Restrukturierungsziels abverlangen will, gem. § 10 StaRUG-E in seinem Auswahlermessen. Bei diesen sog. Planbetroffenen handelt es sich, wie bereits vorstehend dargestellt, um die Inhaber der Restrukturierungsforderungen, der Absonderungsanwartschaften, der Rechte aus gruppeninternen Drittsicherheiten und der Anteils- und Mitgliedschaftsrechte. 

Der Schuldner ist in seiner Auswahl bzw. in seinem Auswahlermessen jedoch nicht völlig frei, sondern muss seine Auswahlentscheidung gem. § 10 Satz 1 StaRUG-E anhand von sachgerechten Kriterien treffen. Die dabei von ihm angelegten Maßstäbe und Kriterien sind im darstellenden Teil des Plans zu erläutern und zu begründen. Der Begriff der sachgerechten Auswahl wird durch die Regelung des § 10 Satz 2 StaRUG-E konkretisiert. Eine sachgerechte Auswahl liegt zum einen vor, wenn die nicht in den Plan einbezogenen Forderungen auch in einem Insolvenzverfahren vollständig befriedigt werden würden (Nr. 1) oder aber, wenn mit Ausnahme der nach § 6 StaRUG-E vom Anwendungsbereich des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens ohnehin nicht erfassten Forderungen, alle Forderungen und damit alle Gläubiger in den Restrukturierungsplan einbezogen worden sind (Nr. 3).

Zum anderen ist eine Auswahl nach Nr. 2 auch dann sachgerecht, wenn die in der Auswahl angelegte Differenzierung nach der Art der zu bewältigenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten und den Umständen angemessen erscheint, was insbesondere dann der Fall sein soll, wenn ausschließlich Finanzverbindlichkeiten und deren Sicherheiten gestaltet werden oder aber Forderungen von Kleingläubigern, wie Verbrauchern sowie Kleinst- und Kleinunternehmen oder mittleren Unternehmen, unberührt bleiben. Eine Konzentration der Restrukturierung auf die Finanzverbindlichkeiten des Schuldners entspricht nicht nur praktischen Bedürfnissen, sondern bietet die Möglichkeit, den operativen Geschäftsbetrieb von den Auswirkungen einer Restrukturierung abzuschirmen bzw. freizuhalten. Zudem besteht hier regelmäßig das höchste Potential an Sanierungsbeiträgen. Gleichwohl kann es erforderlich sein, zusätzlich auch die Forderungen aus Lieferantenkrediten oder anderen Rechtsverhältnissen in den Restrukturierungsplan miteinzubeziehen. Dies ist sachgerecht, wenn ihre Einbeziehung unter Berücksichtigung der Forderungshöhe und des zu erreichenden Restrukturierungsziels erforderlich ist. Auch die Möglichkeit, Verbraucher, Kleinst- und Kleinunternehmen und mittlere Unternehmen pauschal von den Planwirkungen auszunehmen, erscheint sinnvoll, da deren Sanierungsbeiträge häufig gering sind.

Nach der Auswahl der Planbetroffenen sind diese – zwecks Festlegung ihrer Rechte im Restrukturierungsplan – gem. § 11 Abs. 1 StaRUG-E in Gruppen einzuteilen, sofern es sich um Gläubiger mit unterschiedlicher Rechtsstellung handelt. Das StaRUG-E sieht hierbei vor, dass zwischen Inhabern gesicherter Forderungen (Nr. 1), ungesicherter Forderungen (Nr. 2 und 3) sowie den Inhabern von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten (Nr. 4) zu unterscheiden ist. Diese Gruppen können nach § 11 Abs. 2 StaRUG-E nach Maßgabe wirtschaftlicher Interessen in Untergruppen unterteilt werden, wobei die Abgrenzung der Gruppen ebenfalls sachgerecht erfolgen muss und die gewählten Abgrenzungskriterien im Restrukturierungsplan anzugeben sind. Hervorzuheben ist, dass der Gesetzgeber von der Möglichkeit nach Art. 9 Abs. 4 UAbs. 3 der Richtlinie, kleine und mittlere Unternehmen von der Verpflichtung zur Bildung von Gruppen generell auszunehmen, keinen Gebrauch gemacht hat. Begründet wird dies damit, dass die Bildung der vorgegebenen Pflichtgruppen nicht mit besonderen Schwierigkeiten verbunden sei und diese Unterscheidung im Interesse der transparenten Darstellung der unterschiedlichen wirtschaftlichen Situation der betroffenen Gläubiger und Anteilsinhaber geboten sei.

Der Schuldner hat nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG-E die Möglichkeit, im Rahmen eines Vorprüfungstermins die von ihm vorgenommene Auswahl der Planbetroffenen und deren Einteilung in Gruppen durch das Restrukturierungsgericht überprüfen zu lassen (vgl. zur Vorprüfung auch unseren Beitrag zum Restrukturierungsplan – Teil II).

Die innerhalb einer Gruppe zusammengefassten Planbetroffenen sind gem. § 12 Abs. 1 StaRUG-E grundsätzlich gleich zu behandeln. Lediglich Planbetroffene, die unterschiedlichen Gruppen angehören, können und dürfen unterschiedlich behandelt werden. Gleichwohl besteht nach Abs. 2 die Möglichkeit, dass einzelne oder mehrere Planbetroffene auf das gruppeninterne Gleichbehandlungsgebot verzichten können. Flankiert wird das gruppeninterne Gleichbehandlungsgebot durch die Regelung von § 12 Abs. 3 StaRUG-E, wonach jedes Abkommen des Schuldners oder Dritter mit einzelnen Planbetroffenen nichtig ist, wenn diesen auf diesem Wege ein nicht im Plan vorgesehener Vorteil gewährt wird. Dadurch soll verhindert werden, dass im Restrukturierungsplan selbst zwar alle Betroffenen derselben Gruppe gleichbehandelt werden, die Eingriffe in die Rechte einzelner Planbetroffener derselben Gruppe dann jedoch außerhalb des Plans wieder ausgeglichen werden. Der Umstand, dass es stets eine Ungleichbehandlung zwischen den Planbetroffenen und den nicht einbezogenen Beteiligten geben wird, ist dem Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen aufgrund seiner Teilkollektivität immanent und gerechtfertigt, soweit eine sachgerechte Auswahl vorgenommen wurde.

Fazit und Ausblick

Mit Blick auf die vorstehend dargestellten Regelungen des StaRUG-E zu den inhaltlichen Anforderungen an den Restrukturierungsplan und die Auswahl der Planbetroffenen und deren Einteilung in Gruppen lässt sich zunächst festhalten, dass sich die betreffenden Regelungen in vielen Aspekten eng an den bestehenden insolvenzplanrechtlichen Regelungen der InsO orientieren und anlehnen. Dies ist zu begrüßen, da das Insolvenzplanrecht in der Praxis bereits über lange Jahre erprobt ist und sich bewährt hat.

Allerdings sind auch Unterschiede und Abweichungen erkennbar, wie z.B. bei der Auswahl der Planbetroffenen, die jedoch zwingend und dem System des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens immanent sind, da der Restrukturierungsplan – anders als der Insolvenzplan – eben gerade ein nur teilkollektiv-privatautonomes Instrumentarium darstellen kann und wird.

Eben diese Möglichkeit des Schuldners, im Rahmen seines Auswahlermessens bzgl. der Planbetroffenen nur bestimmte Gläubiger in den Restrukturierungsplan einzubeziehen und andere Gläubiger unberücksichtigt zu lassen, ist grundsätzlich zu begrüßen. Denn in der Praxis wird es einerseits nicht selten der Fall sein, dass der größte Restrukturierungsbedarf und zugleich das größte Restrukturierungspotential bei den Finanzverbindlichkeiten besteht, sodass es durchaus sachgerecht sein kann, nur diese Rechtsverhältnisse zu gestalten. Andererseits werden von Verbrauchern oder Kleinst- und Kleinunternehmen regelmäßig keine großen Sanierungsbeiträge geleistet, sodass es ebenfalls als sachgerecht erscheinen kann, diese pauschal von einem Restrukturierungsplan auszunehmen. 

Es sollte gleichwohl nicht unberücksichtigt bleiben, dass dieses Auswahlermessen des Schuldners bzgl. der Planbetroffenen ein gewisses Missbrauchsrisiko mit sich bringen kann, auch wenn dieses aus zwei Gründen als gering anzusehen sein dürfte. Zum einen muss die Auswahl der Planbetroffenen nach sachgerechten Kriterien erfolgen, steht also nicht im freien Ermessen des Schuldners. Zudem sind die Kriterien, die zur Abgrenzung der einbezogenen Gläubiger und der nicht einbezogenen Gläubiger herangezogen werden, im darstellenden Teil des Restrukturierungsplans zu erläutern und zu begründen, wodurch Transparenz hergestellt wird. Zum anderen darf das Restrukturierungsgericht den Restrukturierungsplan nur bestätigen, wenn die Auswahl der Planbetroffenen sachgerecht erfolgt ist. Folglich ist hier auch eine gerichtliche Kontrolle gegeben.

Kritisch zu betrachten ist jedoch, dass auch der Regierungsentwurf keine Aussagen dazu enthält, welche Anforderungen an die Erklärung des Schuldners, dass durch den Restrukturierungsplan die drohende Zahlungsunfähigkeit beseitigt und die Bestandsfähigkeit sicher- bzw. wiederhergestellt wird, zu stellen sind. Hier wäre im Interesse aller Beteiligten eine entsprechende Klarstellung im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens wünschenswert.

GLADE MICHEL WIRTZ wird Sie an dieser Stelle fortlaufend über das Gesetzgebungsverfahren informieren und Ihnen in weiteren Beiträgen die wesentlichen Regelungen und Bestandteile des Regierungsentwurfs über die Umsetzung des präventiven Restrukturierungsrahmens erläutern. Gerne stehen wir auch für einen Austausch zu diesem Thema jederzeit zur Verfügung.

Der Blogbeitrag steht hier für Sie zum Download bereit: Die Umsetzung der Restrukturierungsrichtlinie in das deutsche Recht – Der Restrukturierungsplan Teil I

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Die Umsetzung der Restrukturierungsrichtlinie in das deutsche Recht– Anwendungsbereich und Zugangsvoraussetzungen des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens

#FOKUS: COVID-19-PANDEMIE / EU-RE­STRUKTURIERUNGS­RICHTLINIE

Die Umsetzung der Re­struk­turierungs­richtlinie in das deutsche Recht – An­wen­dungs­­bereich und Zu­gangs­voraus­setzung­en des Sta­bili­sie­rungs- und Re­struk­turierungs­rahmens

7. Oktober 2020

Am 20. Juni 2019 ist die Richtlinie (EU) 2019/1023 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132, allgemein auch als Restrukturierungsrichtlinie (nachfolgend auch die Richtlinie) bekannt, im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden und Mitte Juli letzten Jahres in Kraft getreten.

In unserer Beitragsreihe über die Umsetzung der Richtlinie in das deutsche Recht haben wir in unseren bisherigen Beiträgen vom 23. Januar 2020 und vom 21. Februar 2020 bereits über den präventiven Restrukturierungsrahmen sowie den Referentenentwurf zur Umsetzung der weiteren Verkürzung der Restschuldbefreiung in das nationale Recht vom 13. Februar 2020 berichtet.

Am 19. September 2020 wurde nach langem Warten nun der mit Spannung erwartete Referentenentwurf des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) veröffentlicht. Aus diesem wird ersichtlich, dass der deutsche Gesetzgeber die Umsetzung der Vorgaben der Richtlinie zum präventiven Restrukturierungsrahmen in einem neuen Gesetz – dem Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz (StaRUG) – plant. Damit stellt der Gesetzgeber in einem eigens dafür geschaffenen Gesetz eine Vielzahl verschiedener Maßnahmen zur Verfügung, die der Schuldner für die vorinsolvenzliche Sanierung und Restrukturierung – je nach Bedarf – in Anspruch nehmen kann (Restrukturierungs- und Stabilisierungsinstrumente). Obwohl die Richtlinie erst bis zum 17. Juli 2021 in nationales Recht umzusetzen gewesen wäre, plant der deutsche Gesetzgeber – auch vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie – bereits eine Umsetzung zum 1. Januar 2021 (vgl. Art. 27 SanInsFoG-E).

Dieser Beitrag stellt – wie bereits angekündigt – den Auftakt zu einer Serie von Beiträgen dar, mit denen wir die wichtigsten Regelungen des StaRUG sowie die relevanten Änderungen der InsO darstellen und einer ersten kritischen Bewertung unterziehen werden.

Vorgaben der Europäischen Restrukturierungsrichtlinie

Bevor die Regelungen des Referentenentwurfs zum Anwendungsbereich und den Zugangsvoraussetzungen des präventiven Restrukturierungsrahmens im deutschen Recht im Detail beleuchtet werden, sollen zum besseren Verständnis zunächst in der gebotenen Kürze noch einmal die diesbezüglichen Vorgaben der Restrukturierungsrichtlinie dargestellt werden.

Der persönliche Anwendungsbereich des präventiven Restrukturierungsrahmens wird durch die Richtlinie sehr weit gefasst. Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie enthält insoweit "lediglich" einen Negativkatalog von Schuldnern, die von dem präventiven Restrukturierungsrahmen auszunehmen sind. Hierzu gehören u.a. bestimmte Finanzmarktunternehmen, wie Kreditinstitute und Wertpapierfirmen, aber auch Versicherungsunternehmen, Zentralverwahrer und öffentliche Stellen nach nationalem Recht. Ausgenommen sind ferner natürliche Personen, die keine Unternehmer i.S.d. der Legaldefinition des Art. 2 Abs. 1 Nr. 9 der Richtlinie sind, d.h. solche, die keine gewerbliche, geschäftliche, handwerkliche oder freiberufliche Tätigkeit ausüben. 

Die Richtlinie eröffnet den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, diesen persönlichen Anwendungsbereich teilweise zu beschränken und/oder zu erweitern. So sieht Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie die Möglichkeit vor, weitere Finanzunternehmen vom Anwendungsbereich auszunehmen. Zudem kann der nationale Gesetzgeber den Anwendungsbereich des präventiven Restrukturierungsrahmens nach Art. 1 Abs. 4 Uabs. 1 der Richtlinie auf juristische Personen beschränken, also deutlich enger fassen. Spiegelbildlich dazu kann der Anwendungsbereich aber auch auf natürliche Personen, die keine Unternehmer sind, erweitert werden (vgl. Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie).

Zum gegenständlichen Anwendungsbereich sieht die Restrukturierungsrichtlinie in Art. 1 Abs. 5 die Möglichkeit vor, dass die Mitgliedstaaten bestimmte Forderungen von den Wirkungen des präventiven Restrukturierungrahmens ausnehmen können. Zu diesen "privilegierten" Forderungen gehören bestehende oder zukünftige Forderungen derzeitiger oder ehemaliger Arbeitnehmer, Unterhaltsforderungen oder Forderungen aus einer deliktischen Haftung des Schuldners. Hingegen sind die Mitgliedstaaten nach Art. 1 Abs. 6 der Richtlinie gezwungen, sicherzustellen, dass der präventive Restrukturierungsrahmen keine Auswirkungen auf erworbene Ansprüche einer betrieblichen Altersversorgung hat. Bei den erworbenen Ansprüchen handelt es sich dabei um solche, die vor der Restrukturierung erworben wurden, während in Zukunft zu erwerbende Ansprüche hingegen nicht von Art. 1 Abs. 6 der Richtlinie erfasst sind (vgl. Erwägungsgrund 20).

Die Richtlinie selbst knüpft den Zugang des Schuldners zum präventiven Restrukturierungsrahmen an keine besonderen Voraussetzungen. Erforderlich ist insoweit lediglich, dass eine Insolvenz wahrscheinlich ist (Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie). Der Begriff der "wahrscheinlichen Insolvenz" soll dabei nach Art. 2 Abs. 2 lit. b) der Richtlinie vom deutschen Gesetzgeber zu definieren sein. Da der präventive Restrukturierungsrahmen jedoch eine frühzeitige Sanierung ermöglichen und eine Insolvenz abwenden soll, muss die "wahrscheinliche Insolvenz" den zwingenden Insolvenzantragsgründen nach nationalem Recht vorgelagert sein.

Den Mitgliedstaaten ist es zudem erlaubt, den Zugang zu dem präventiven Restrukturierungsrahmen von bestimmten weiteren Voraussetzungen abhängig zu machen. So kann z.B. nach Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie eine Bestandsfähigkeitsprüfung vorgesehen werden, die den Zugang nur solchen Unternehmen eröffnet, deren grundsätzliche Sanierungsfähigkeit gegeben ist. Unternehmen ohne Überlebenschance sollen nämlich so schnell wie möglich abgewickelt werden (vgl. Erwägungsgrund 3).

Nach Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie kann der präventive Restrukturierungsrahmen ein einheitliches Verfahren oder eine kohärente Zusammenfassung einer Vielzahl von Verfahren, Maßnahmen und Bestimmungen sein, das auf Antrag des Schuldners (Art. 4 Abs. 7 der Richtlinie) zur Verfügung steht. Allerdings können die Mitgliedstaaten regeln, dass dieser mit Zustimmung des Schuldners auch durch Gläubiger und Arbeitnehmervertreter gestellt werden kann (Art. 4 Abs. 8 der Richtlinie). 

Umsetzung durch das StaRUG-E: Anwendungsbereich des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens 

Der Anwendungsbereich des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen weist eine persönliche und eine gegenständliche Komponente auf. Der persönliche Anwendungsbereich des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens, also die Frage für wen dieser überhaupt zur Verfügung steht, ist in § 30 StaRUG-E geregelt. Nach § 30 Abs. 1 StaRUG-E können die verschiedenen Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens von jeder insolvenzfähigen Schuldnerin in Anspruch genommen werden. Unter Zugrundelegung der Aufzählung in § 11 InsO ist der persönliche Anwendungsbereich des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens daher zunächst für alle natürlichen und juristischen Personen (§ 11 Abs. 1 S. 1 InsO), nicht rechtsfähigen Vereine (§ 11 Abs. 1 S. 2 InsO) und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit (§ 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO) eröffnet. 

Allerdings enthält § 30 Abs. 2 Satz 1 StaRUG-E die Einschränkung, dass der Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen natürlichen Personen nur offensteht, soweit sie eine unternehmerische Tätigkeit, also eine gewerbliche, geschäftliche, handwerkliche oder freiberufliche Tätigkeit ausüben. ausüben. Der deutsche Gesetzgeber macht damit von der in Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie enthaltenen Öffnungsklausel, den Anwendungsbereich auf sämtliche natürliche Personen in Gänze zu erstrecken, keinen Gebrauch. Dies wird auch durch die Regelung von § 6 Satz 2 StaRUG-E deutlich, wonach Forderungen, die nicht im Zusammenhang mit der unternehmerischen Tätigkeit einer Person stehen, kein Bestandteil des Restrukturierungsplans sind.

Nach § 30 Abs. 2 StaRUG-E findet der Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen zudem keine Anwendung auf Unternehmen der Finanzbranche i.S.v. § 1 Abs. 19 KWG. Das

StaRUG-E setzt mit dieser Regelung nicht nur die zwingenden Vorgaben der Richtlinie (Art. 1 Abs. 2 lit. a) bis f)) zum Ausschluss von bestimmten Finanzunternehmen um, sondern schließt zudem durch die Bezugnahme auf § 1 Abs. 19 KWG noch weitere Finanzunternehmen aus dem Anwendungsbereich des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens aus.

Der gegenständliche Anwendungsbereich des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens, also die Frage welche Rechtsverhältnisse bzw. Forderungen überhaupt Gegenstand der einzelnen Instrumentarien des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens sein können, wird in dem StaRUG-E nicht in allgemeiner Form festgelegt. Stattdessen findet sich in § 6 StaRUG-E ein Negativkatalog mit denjenigen Rechtsverhältnissen, die einer Gestaltung durch einen Restrukturierungsplan nicht zugänglich sind. Auf diesen Negativkatalog wird sodann auch in den Regelungen bzgl. des Instruments der Stabilisierungsanordnung (im Zusammenhang mit der Richtlinie auch als Moratorium bezeichnet) in § 53 Abs. 2 StaRUG-E verwiesen.

Nach § 6 Nr. 1 StaRUG-E sind demnach vom gegenständlichen Anwendungsbereich zunächst Forderungen von Arbeitnehmern aus oder im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis ausgenommen. Gleiches gilt für Rechte aus Zusagen auf eine betriebliche Altersversorgung. Damit wird zum einen von der in Art. 1 Abs. 5 lit. a) der Richtlinie enthaltenen Öffnungsklausel Gebrauch gemacht und zum anderen Art. 1 Abs. 6 der Richtlinie umgesetzt. Kann ein Unternehmen bereits nicht mehr die Forderungen seiner Belegschaft erfüllen, liegt nach der Gesetzesbegründung regelmäßig eine vertiefte Krise vor, die mit den Instrumenten des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens nicht (mehr) angemessen überwunden werden kann. Zum anderen sind die Arbeitnehmer nach Auffassung des Gesetzgebers in besonderem Maße schutzwürdig, da – anders als in einem Insolvenzeröffnungsverfahren – nicht auf das Insolvenzgeld zurückgegriffen werden kann (vgl. RefE SanInsFoG, S. 123).

Einer Gestaltung durch einen Restrukturierungsplan unzugänglich sollen auch Forderungen aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen sein (§ 6 Nr. 2 StaRUG-E). Der deutsche Gesetzgeber macht insoweit von der ihm in Art. 1 Abs. 5 lit. c) der Richtlinie eingeräumten Möglichkeit, Forderungen aus deliktischer Haftung des Schuldners auszuschließen, teilweise Gebrauch. Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, die von der Haftung für vorsätzliches Handeln ausgehende Steuerungswirkung zu bewahren. Dies kommt bereits in § 302 Nr. 1 InsO zum Ausdruck, wonach Verbindlichkeiten aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung nicht der Restschuldbefreiung unterfallen.

Überdies schließt § 6 Nr. 3 StaRUG-E Geldstrafen und die ihnen nach § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO gleichgestellten Forderungen aus dem gegenständlichen Anwendungsbereich des Restrukturierungsplans und damit auch aus dem Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen aus. Durch die Regelung soll verhindert werden, dass der Sanktionscharakter der Strafen verloren geht, denn eine Einbeziehung solcher Forderungen in den Anwendungsbereich des Restrukturierungsplans würde faktisch dazu führen, dass die Strafen zumindest teilweise durch die Gläubiger mit ihren Beiträgen zur Restrukturierung getragen werden würden. Die Zulässigkeit dieser Regelung soll sich aus einem Erst-Recht-Schluss des vorgenannten Art. 1 Abs. 5 lit. a) der Richtlinie ergeben.

Umsetzung durch das StaRUG-E: Zugangsvoraussetzungen zum Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen

Die Zugangsvoraussetzungen zum Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen sind in § 29 Abs. 1 StaRUG-E geregelt. Danach muss die Schuldnerin, um die Restrukturierungs- und Stabilisierungsinstrumente in Anspruch nehmen zu können, drohend zahlungsunfähig sein. Die drohende Zahlungsunfähigkeit liegt nach § 18 Abs. 2 InsO vor, wenn die Schuldnerin voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu erfüllen. Dabei soll künftig nach § 18 Abs. 2 Satz 2 InsO in aller Regel ein Prognosezeitraum von 24 Monaten zugrunde gelegt werden.

Die Grundvoraussetzung für die Inanspruchnahme der Restrukturierungs- und Stabilisierungsinstrumente ist gemäß § 31 StaRUG-E zunächst die Anzeige des Restrukturierungsvorhabens an sich beim zuständigen Restrukturierungsgericht. Nach § 31 Abs. 2 StaRUG-E muss die Anzeige des Restrukturierungsvorhabens mit den in § 31 Abs. 2 StaRUG-E aufgezählten Anlagen versehen werden. So muss unter anderem der Entwurf eines Restrukturierungsplans, jedenfalls aber ein Konzept für die angestrebte Restrukturierung beigefügt werden. Darüber hinaus ist auch eine Darstellung des Stands der Verhandlungen mit den planbetroffenen Gläubigern anzuhängen, die bereits von der Schuldnerin geführt worden sind. Erst nach dieser Anzeige kann der Schuldner nach seiner Wahl – im Sinne des modularen Ansatzes des StaRUG-E – von den einzelnen Instrumenten zur Stabilisierung und Restrukturierung aufgrund entsprechend separater Antragstellungen bei dem zuständigen Restrukturierungsgericht Gebrauch machen. Dieses Restrukturierungsgericht soll nach § 34 Abs. 1 StaRUG-E grundsätzlich dasjenige Amtsgericht sein, in dessen Bezirk jeweils ein Oberlandesgericht seinen Sitz hat. Hierdurch soll gewährleistet sein, dass die Restrukturierungsgerichte durch entsprechend hohe Fallzahlen die erforderliche Expertise und Erfahrung gewinnen können. Nach § 36 StaRUG-E soll für alle Entscheidungen und Maßnahmen der Restrukturierungssache nicht nur dasselbe Restrukturierungsgericht, sondern auch derselbe Richter zuständig sein, nämlich derjenige Richter, der für die erste Entscheidung zuständig war.

Durch die Anzeige des Restrukturierungsvorhabens beim Restrukturierungsgericht soll sichergestellt werden, dass das Restrukturierungsgericht im weiteren Verlauf über vom Schuldner beantragte Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens in der gebotenen Eile und hinreichend informiert entscheiden kann.

Weitere Voraussetzung ist – anders kann die Regelung des § 16 Abs. 1 StaRUG-E nicht verstanden werden – dass die Bestandsfähigkeit des Schuldners durch den Restrukturierungsplan und damit auch durch die Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens sicher- oder wiederhergestellt wird. Damit hat der Gesetzgeber von der Möglichkeit des Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie Gebrauch gemacht, den Zugang zum Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens von einer Bestandsfähigkeitsprüfung abhängig zu machen. Allerdings finden sich weder in dem StaRUG-E selbst, noch in der Gesetzesbegründung Ausführungen dazu, nach welche Kriterien die Bestandsfähigkeit des Schuldners zu prüfen bzw. festzustellen ist.

Fazit und Ausblick

Es lässt sich mit Blick auf die vorstehend dargestellten Regelungen des StaRUG-E bzgl. des Anwendungsbereichs und der Zugangsvoraussetzungen zum Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens festhalten, dass der deutsche Gesetzgeber die Vorgaben der Richtlinie – wie erwartetet – umgesetzt hat. 

Bemerkenswert ist insoweit, dass er sich im Hinblick auf zahlreiche Regelungen und Definitionen an der Insolvenzordnung orientiert hat. So sind beispielsweise zahlreiche Regelungen, mit denen der Gesetzgeber den gegenständlichen Anwendungsbereich des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens einschränkt bzw. Ausnahmen von diesem vorsieht, an etablierten Vorschriften zum Insolvenzplanverfahren orientiert. Dies dürfte der Zielsetzung des Gesetzgebers geschuldet sein, den Restrukturierungsrahmen in harmonischer Weise in das bestehende, in seiner Leistungsfähigkeit anerkannte deutsche (Insolvenz-)Recht einzubetten (vgl. RefE SanInsFoG, S. 4).

Hervorzuheben ist zudem, dass der deutsche Gesetzgeber als Zugangsvoraussetzung für den präventiven Restrukturierungsrahmen an die drohende Zahlungsunfähigkeit aus § 18 Abs. 2 InsO anknüpft und gleichzeitig mit § 18 Abs. 2 S. 2 InsO-E Schärfung der Begrifflichkeit vornimmt, indem er vorschreibt, dass bei der Feststellung der drohenden Zahlungsunfähigkeit in aller Regel ein Prognosezeitraum von 24 Monaten zugrunde zu legen ist. In der Praxis wird insbesondere abzuwarten sein, wie viele Unternehmen sich bei Vorliegen der drohenden Zahlungsunfähigkeit für die Inanspruchnahme des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens entscheiden bzw. ob überhaupt noch Schuldner von dem fakultativen Antragsgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit Gebrauch machen und einen Insolvenzantrag stellen werden.

Ferner ist die verfahrensrechtliche Implementierung des neuen Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens, für die sich der Gesetzgeber entschieden hat, von Interesse. Mit der Schaffung des Restrukturierungsgerichts hat er sich für die Schaffung einer Zuständigkeitskonzentration für den gesamten Ablauf der Restrukturierungssache und sämtlicher Restrukturierungs- und Stabilisierungsinstrumente, die ein Schuldner für sich in Anspruch nimmt, entschieden. Das Verfahren soll mit einer Anzeige des Schuldners eingeleitet werden, die die Restrukturierungssache an sich rechtshängig macht; erst dann können die einzelnen Restrukturierungs- und Stabilisierungsinstrumente nach Wahl des Schuldners in Anspruch genommen werden.

Durch diese verfahrensrechtliche Struktur wird die Autonomie des Schuldners bei der Inanspruchnahme des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens, die die Begründung des Referentenentwurfs deutlich betont, erheblich eingehegt. Dies ist aus Sicht der künftig betroffenen Gläubiger, die in den Restrukturierungsplan einbezogen werden, zu begrüßen. Wie stark die Kontrollfunktion des Restrukturierungsgerichts jedoch in der Praxis tatsächlich sein wird bzw. in welchem Umfang es von dieser Gebrauch machen wird, beispielsweise bei der Prüfung der von dem Schuldner mit der Anzeige einzureichenden Unterlagen zum Restrukturierungsplan bzw. des diesbzgl. Konzepts, bleibt abzuwarten.

GLADE MICHEL WIRTZ wird Sie an dieser Stelle mit aufeinander folgende Beitragen über weitere relevante Aspekte des StaRUG-E informieren und Sie zudem fortlaufend über das Gesetzgebungsverfahren informieren. Gerne stehen wir auch für einen Austausch zu diesem Thema jederzeit zur Verfügung.

Der Blogbeitrag steht hier für Sie zum Download bereit: Die Umsetzung der Restrukturierungsrichtlinie in das deutsche Recht– Anwendungsbereich und Zugangsvoraussetzungen des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens

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Die vorübergehende insolvenzrechtliche Privilegierung von Gesellschafterdarlehen durch das COVInsAG und ihre praktischen Folgen

#FOKUS: COVID-19-PANDEMIE / EU-RE­STRUKTURIERUNGS­RICHTLINIE

Die vorübergehende insolvenz­rechtliche Privi­legierung von Gesell­schafter­dar­lehen durch das COVInsAG und ihre prak­tischen Folgen

9. Juni 2020

Das rückwirkend zum 1. März 2020 in Kraft getretene COVInsAG sieht unter anderem eine vorübergehende Privilegierung von Gesellschafterdarlehen vor. Dr. Jochen Markgraf und Fabian von Lübken haben sich die gesetzlichen Regelungen einmal im Detail angeschaut, sie in das bisherige Gesellschafterdarlehensrecht eingeordnet und einen Blick auf die Folgen der zeitweisen Privilegierung von Gesellschafterdarlehen für künftige Insolvenzverfahren geworfen. Ihre Überlegungen sind in der ZRI 2020, 279 erschienen.

Den Artikel können Sie hier abrufen: Die vorübergehende insolvenzrechtliche Privilegierung von Gesellschafterdarlehen durch das COVInsAG und ihre praktischen Folgen

 

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Insolvenzrechtliche Maßnahmen des Gesetzgebers im Zuge des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht

#FOKUS: COVID-19-PANDEMIE / EU-RE­STRUKTURIERUNGS­RICHTLINIE

Insolvenzrecht­liche Maß­nahmen des Gesetzgebers im Zuge des Gesetzes zur Ab­milderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Straf­verfahrens­­­recht

27. März 2020

Die COVID-19-Pandemie und die zu deren Eindämmung beschlossenen erheblichen Einschränkungen des öffentlichen Lebens in Deutschland haben für die meisten Unternehmen massive wirtschaftliche und finanzielle Schwierigkeiten zur Folge, die noch vor wenigen Wochen kaum vorstellbar gewesen wären.

In unserem Beitrag "Bundesregierung veröffentlicht Maßnahmenpaket zur Abfederung des Corona-Virus – Was Unternehmen jetzt tun könnenvom 13. März 2020 haben wir bereits die Einzelheiten des finanziellen Maßnahmenpaketes dargestellt, dass in dieser Woche endgültig von Bundestag und Bundesrat beschlossen wurde.

Allerdings hat die Bundesregierung es nicht bei diesen finanziellen Maßnahmen belassen, sondern am Mittwoch unter dem Titel Entwurf des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht ein umfassendes Gesetzespaket in den Bundestag eingebracht, welches noch am selben Tag von diesem beschlossen und am heutigen Freitag – erwartungsgemäß ohne Änderungen – auch vom Bundesrat verabschiedet worden ist. Gegenstand dieses Gesetzes sind weitreichende, zeitlich befristete Änderungen zivil-, insolvenz-, gesellschafts- sowie strafverfahrensrechtlicher Vorschriften, die die wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie für Unternehmen, Banken und die Bürgerinnen und Bürger abschwächen sollen.

Nachfolgend beleuchten wir im Einzelnen die insolvenzrechtlichen Maßnahmen, die die Fortführung von Unternehmen ermöglichen und erleichtern sollen, die infolge der COVID-19-Pandemie insolvent geworden oder in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sind.

Die wichtigsten Maßnahmen im Überblick

  • Die Insolvenzantragspflichten für Unternehmen und Vereine werden bis zum 30. September 2020 ausgesetzt (Aussetzungszeitraum), es sei denn die Insolvenzreife beruht nicht auf den Folgen der COVID-19-Pandemie oder es bestehen keine Aussichten darauf, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Wenn das Unternehmen am 31. Dezember 2019 nicht zahlungsunfähig war, wird jedoch in doppelter Hinsicht vermutet, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht und dass Aussichten darauf bestehen, eine eingetretene Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen (doppelte Vermutungsregel).
  • Die persönliche Haftung für Geschäftsführer und -leiter für nach Eintritt der Insolvenzreife getätigte Zahlungen wird weitgehend ausgesetzt. Zahlungen, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgen, insbesondere solche Zahlungen, die der Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes oder der Umsetzung eines Sanierungskonzepts dienen, gelten im Aussetzungszeitraum als mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar. Diese Aussetzung kommt Geschäftsleitern von Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Aktiengesellschaften, offenen Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften (letztere mit Ausnahmen) zugute.
  • Die Insolvenzanfechtung wird für die Rückgewährung von im Aussetzungszeitraum gewährten neuen Krediten sowie für die Bestellung von Sicherheiten zur Absicherung dieser Kredite bis zum 30. September 2023 ausgesetzt. Bis zu diesem Zeitpunkt erfolgende Rückzahlungen gelten nicht als gläubigerbenachteiligend.
  • Die Aussetzung der Insolvenzanfechtung bis zum 30. September 2023 gilt auch für die Rückgewährung von im Aussetzungszeitraum gewährten Gesellschafterdarlehen (Achtung: die Besicherung von Gesellschafterdarlehen wird hiervon ausdrücklich nicht erfasst!).
  • Die vorstehend dargestellte insolvenzanfechtungsrechtliche Privilegierung gilt auch für solche Unternehmen, die weder zahlungsunfähig noch überschuldet und damit nicht insolvenzreif sind. Darüber hinaus wird in Insolvenzverfahren, die bis zum 30. September 2023 beantragt werden, u.a. die sog. Nachranghaftung für neue Gesellschafterdarlehen suspendiert. Ansprüche des Gesellschafters auf Rückzahlung gewährter Darlehen werden in der Insolvenz damit als gleichgestellte Insolvenzforderungen behandelt.
  • Die Aussetzung der Insolvenzanfechtung gilt im Falle der Inanspruchnahme von Mitteln aus staatlichen Hilfsprogrammen (z.B. durch die KfW) anlässlich der COVID-19-Pandemie auch für nach dem Aussetzungszeitraum gewährte neue Kredite und deren Besicherung sowie unbefristet für deren Rückgewähr.
  • Zum Schutz der Darlehensgeber gelten Darlehensgewährungen und die Besicherung von Darlehen im Aussetzungszeitraum nicht als sittenwidriger Beitrag zur Insolvenzverschleppung. Dieser Schutz gilt im Aussetzungszeitraum umfassend auch bei der Vergabe von Krediten an Unternehmen, die noch nicht zahlungsunfähig oder überschuldet sind. Auch hier gilt eine Darlehensgewährung bzw. Besicherung im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme von Mitteln aus staatlichen Hilfsprogrammen wiederum auch nach dem Aussetzungszeitraum nicht als sittenwidrig.
  • Darüber hinaus sind Rechtshandlungen in bestehenden Rechtsverhältnissen (z.B. Dauerschuldverhältnissen), die dem Vertragspartner innerhalb des Aussetzungszeitraums Befriedigung oder Sicherung gewähren, in einem späteren Insolvenzverfahren nicht anfechtbar, es sei denn, dem Vertragspartner war positiv bekannt, dass die Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen des Schuldners nicht zur Beseitigung einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit geeignet gewesen sind. Die Aussetzung der Insolvenzanfechtung gilt auch bei Unternehmen, die während des Aussetzungszeitraums weder zahlungsunfähig noch überschuldet waren. Die Aussetzung der Insolvenzanfechtung gilt entsprechend für eine ganze Reihe weiterer Rechtshandlungen des späteren Insolvenzschuldners (z.B. Leistungen an Erfüllung statt oder erfüllungshalber, die Verkürzung von Zahlungszielen oder die Gewährung von Zahlungserleichterungen).

Einordnung der Maßnahmen des Gesetzgebers

Mit den vorstehenden Maßnahmen hat der Gesetzgeber weitreichende Änderungen vorgenommen, um die wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie für alle Beteiligten des Rechts- und Wirtschaftsverkehrs in einem erheblichen Umfang abzufedern.

Zugunsten der Unternehmen werden die Insolvenzantragspflichten bis Ende September weitgehend ausgesetzt, sofern der Insolvenzgrund auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht. Die Unternehmen werden hierbei durch eine weitreichende Vermutungsregel entlastet, nach der die Insolvenzantragspflicht letztlich suspendiert ist, wenn am 31. Dezember 2019 keine Zahlungsunfähigkeit bestand. Diese Unternehmen sollten sich von ihrem Wirtschaftsprüfer eine entsprechende Bestätigung ausstellen lassen. Unternehmen, die bereits am 31. Dezember 2019 zahlungsunfähig waren, werden dagegen zu beweisen haben, dass der jetzt vorliegende Insolvenzgrund auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht.

Die Geschäftsleiter der Unternehmen werden im Aussetzungszeitraum durch eine weitreichende Vermutungsregel vor persönlicher Inanspruchnahme wegen der Vornahme von Zahlungen nach dem Eintreten der Insolvenzreife geschützt. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen Geschäftsleiter bei der Fortführung oder Sanierung des Unternehmens die erforderlichen Maßnahmen ergreifen können und nicht durch die engen Grenzen der persönlichen Haftung für Geschäftsleiter beschränkt werden.

Die Geber von neuen Krediten (dieser Begriff soll weit ausgelegt werden und jegliche Formen der Leistungserbringung umfassen) werden durch die faktische Aussetzung der Insolvenzanfechtung zur Gewährung neuer Finanzierungshilfen und Liquidität für angeschlagene Unternehmen ermutigt. Kreditgeber sollen weder befürchten müssen, erhaltene Rückzahlungen zurückgewähren zu müssen noch erhaltene Sicherheiten zu verlieren. Nach der neuen Regelung werden bis zum 30. September 2023 erfolgte Rückzahlungen für im Aussetzungszeitraum gewährte Kredite und Sicherheiten von der Insolvenzanfechtung ausgenommen. Es muss sich hierbei jedoch ausdrücklich um neue Finanzierungen handeln, so dass beispielsweise die Prolongation eines bestehenden Darlehens nicht erfasst ist.

Der Schutz für Kreditgeber im Zusammenhang mit Finanzierungen aus staatlichen Hilfsprogrammen – dies betrifft z.B. die finanzierenden Hausbanken – geht hierüber sogar noch deutlich hinaus. Der Schutz vor der späteren Insolvenzanfechtung gilt hier auch für nach dem Aussetzungszeitraum gewährte Kredite sowie zeitlich unbeschränkt für deren Rückzahlung durch die Unternehmen.

Besondere Erwähnung verdient hier überdies, dass der Schutz vor Insolvenzanfechtung auf Gesellschafterdarlehen ausgeweitet wird. Hier besteht der Schutz vor späterer Anfechtung jedoch nur für die Gewährung neuer Darlehen, nicht für deren Besicherung. Gesellschafter werden darüber hinaus zur Bereitstellung von Liquidität motiviert, indem die Ansprüche auf Rückzahlung der gewährten Darlehen im Insolvenzfall des Unternehmens als Insolvenzforderung qualifiziert werden. Der Grundsatz der Nachranghaftung wird suspendiert.

Zu Gunsten der Kreditgeber wird darüber hinaus das zivilrechtliche Haftungsrisiko entschärft. So soll die Kreditgewährung und Besicherung im Aussetzungszeitraum keinen Sittenverstoß (§§ 138, 826 BGB) darstellen, so dass eine Haftung gegenüber anderen Kreditgebern und Gläubigern in der Regel ausscheiden wird.

Auch zugunsten der weiteren Gläubiger der Unternehmen (beispielsweise Vermieter oder Lieferanten) wird eine spätere Anfechtung von erhaltenen Leistungen zur Sicherung oder Befriedigung von Gläubigerforderungen suspendiert. Der Gesetzgeber will so verhindern, dass sich die Gläubiger des Unternehmens aufgrund des Risikos der späteren Anfechtbarkeit der erhaltenen Leistungen von den Verträgen mit den Unternehmen lösen und damit eine Fortführung oder Sanierung der Unternehmen unmöglich wird. Um dies zu verhindern, schützt der Gesetzgeber die Gläubiger vor den Folgen einer späteren Insolvenzanfechtung, es sei denn dem Gläubiger war positiv bekannt, dass die Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen des Schuldners nicht zur Beseitigung einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit geeignet waren.

Bitte beachten Sie, dass es sich bei diesem Beitrag lediglich um eine informatorische Übersicht über das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht handelt. Dieser Beitrag ist daher nicht geeignet, eine umfassende anwaltliche Beratung im Einzelfall zu ersetzen. Gerne stehen wir bei Beratungsbedarf sowie für einen Austausch zu diesem Thema jederzeit zur Verfügung.

Der Blogbeitrag steht hier für Sie zum Download bereit: Insolvenzrechtliche Maßnahmen des Gesetzgebers im Zuge des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht

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Bundesregierung veröffentlicht Maßnahmenpaket zur Abfederung des Corona-Virus – Was Unternehmen jetzt tun können

#FOKUS: COVID-19-PANDEMIE / EU-RE­STRUKTURIERUNGS­RICHTLINIE

Bundesregierung veröffentlicht Maß­nahmenpaket zur Ab­federung des Corona-Virus – Was Unter­nehmen jetzt tun können

13. März 2020

In den vergangenen Tagen sind die Auswirkungen des Corona-Virus für die deutsche Wirtschaft und die Unternehmen immer deutlicher geworden. Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung heute ein umfassendes Maßnahmenpaket zur Abfederung der Auswirkungen des Corona-Virus veröffentlicht und ein Schutzschild für Beschäftigte und Unternehmen angekündigt. Dieser Beitrag skizziert die wesentlichen Inhalte des Maßnahmenpakets. Zudem soll für Unternehmen, die von den wirtschaftlichen Auswirkungen des Corona-Virus besonders betroffen sind, in diesem Beitrag aufgezeigt werden, welche möglichen Schritte sie der uner- warteten Herausforderung entgegensetzen können.

Wesentlicher Inhalt des Maßnahmenpakets der Bundesregierung

Durch das von der Bundesregierung veröffentlichte Maßnahmenpaket soll für Beschäftigte und Unternehmen, die von den Auswirkungen des Corona-Virus betroffen sind, ein umfassendes Schutzschild errichtet werden. Dies besteht im Wesentlichen aus den vier nachfolgend dargestellten Säulen:

1. Das Kurzarbeitergeld wird durch erleichterte Zugangsvoraussetzungen erheblich flexibilisiert. Dies wird unter anderem durch eine Absenkung des Quorums der vom Arbeitsausfall betroffenen Beschäftigten im Betrieb, die Gewährung von Kurzarbeitergeld auch für Leiharbeitnehmer sowie eine vollständige Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge durch die Bundesagentur für Arbeit erreicht.

2. Um die Liquidität der Unternehmen zu verbessern bzw. zu gewährleisten, werden die Möglichkeiten zur Stundung von Steuerzahlungen und zur Senkung von Umsatzsteuervorauszahlungen erheblich verbessert. Die Finanzbehörden wurden angewiesen, Steuern zu stunden, wenn deren Einziehung eine erhebliche Härte darstellen würde. Zu strenge Anforderungen sollen hier nicht gestellt werden. Zudem können Vorauszahlungen leichter angepasst werden, wenn klar ist, dass die Einkünfte der Steuerpflichtigen im laufenden Jahr voraussichtlich geringer ausfallen werden. Ist der Schuldner einer fälligen Steuerzahlung zudem unmittelbar von den Auswirkungen des Corona-Virus betroffen, dann werden sämtliche Vollstreckungsmaßnahmen und Säumniszuschläge bis zum 31. Dezember 2020 ausgesetzt.

3. Darüber hinaus hat der Bund eine erhebliche Ausweitung der bestehenden KfW-Programme angekündigt, um so den Zugang der Unternehmen zu günstigen Krediten zu erleichtern. So wurde für den KfW-Unternehmerkredit die Risikoübernahme für Betriebsmittelkredite bis zu einer Höhe von EUR 200 Mio. auf bis zu 80% erhöht, was die Bereitschaft der Hausbanken zur Kreditvergabe anregen sollte. Darüber hinaus hat der Bund die Auflage zusätzlicher Sonderkreditprogramme bei der KfW für solche Unternehmen angekündigt, die krisenbedingt vorübergehend in ernsthaftere Finanzierungsschwierigkeiten geraten und daher nicht ohne weiteres Zugang zu bestehenden Förderprogrammen haben. Zudem wird der Bund der Wirtschaft mit Exportkreditgarantien (sog. Hermesdeckungen) eine flexible, effektive und umfassende Unterstützung bereitstellen, die vergleichbar mit derjenigen in den Jahren nach der Finanzkrise 2009 sein wird.

4. Die Bundesregierung wird sich darüber hinaus auf europäischer Ebene für ein koordiniertes und entschlossenes Vorgehen einsetzen und begrüßt die Idee der europäischen Kommission, für eine "Corona Response Initiative" zunächst EUR 25 Mrd. bereitzustellen.

Bewertung des Maßnahmenpakets

Die nun von der Bundesregierung angekündigten Maßnahmen stellen einen wichtigen Schritt dar, um die Auswirkungen des Corona-Virus auf die deutsche Wirtschaft und die Unternehmen wirtschafts- und finanzpolitische Impulse entgegenzusetzen. So sollen die Schäden für Beschäftige und Unternehmen möglichst gering gehalten werden.

Die heute von der Bundesregierung vorgestellten Maßnahmen können aber nur den Anfang darstellen, um den wirtschaftlichen Auswirkungen des Corona-Virus entgegenzutreten. Insbesondere die Stundung von fälligen Steuerverbindlichkeiten sowie eine Reduzierung der Umsatzsteuervorauszahlungen wird die Liquidität der Unternehmen nicht dauerhaft sicherstellen können, zumal die Wirkung dieser Maßnahmen immer geringer wird, je weiter die Umsätze der Unternehmen zurückgehen.

Nach unserem Dafürhalten ist der Gesetzgeber dazu aufgerufen, erneut über eine Unterbrechung der Insolvenzantragsfristen nachzudenken, wie er es bereit im Zuge der Flutkatastrophe 2002 getan hatte. Seinerzeit hatte der Gesetzgeber die gesetzlichen Fristen zur Beantragung der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens unterbrochen, wenn der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung auf den Auswirkungen der Hochwasserkatastrophe im August 2002 beruhte und die Antragspflichtigen ernsthafte Finanzierungs- oder Sanierungsverhandlungen durchführten, sodass begründete Aussichten auf eine Sanierung bestanden.

Eine solche Maßnahme ist auch vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen sinnvoll. Denn durch die wirtschaftlichen Auswirkungen des Corona-Virus sind oder werden Unternehmen, die bis vor wenigen Wochen wirtschaftlich und finanziell "kerngesund" waren, unverschuldet in erhebliche Schwierigkeiten geraten. Eine vorübergehende Aussetzung der Insolvenzantragspflichten dürfte auch deutlich effektiver sein, als die vorgeschlagene Verlängerung der Antragsfristen von drei auf sechs Wochen. Denn angesichts der sich täglich überschlagenden Ereignisse und der ungewissen Entwicklung dürfte den allermeisten Unternehmen eine zuverlässige Liquiditätsplanung für mehrere Wochen momentan schlichtweg nicht möglich sein. Insbesondere eine positive Fortführungsprognose dürfte derzeit kaum zu erstellen sein. Exemplarisch sei hier nur einmal auf die massiven Auswirkungen des Einreisestops der USA für alle Reisenden aus der Europäischen Union auf die Luftfahrtbranche verwiesen. Hier hat sich die wirtschaftliche Situation schlagartig über Nacht noch einmal massiv verschlechtert.

Was Unternehmen, die von den wirtschaftlichen Auswirkungen des Corona-Virus betroffen sind, tun können

Im Folgenden werden mögliche Schritte aufgeführt, die betroffene Unternehmen nunmehr kurz- fristig ergreifen können, um den wirtschaftlichen Herausforderungen, die das Corona-Virus mit sich bringt, standzuhalten:

  • Schriftliche Dokumentation, dass die eingetretenen Umsatzrückgänge und daraus folgende Liquiditätsengpässe im Zusammenhang mit dem Corona-Virus stehen, etwa durch einbrechende Auftragseingänge, Buchungsrückgänge, Produktionsrückgänge aufgrund von Quarantäne-Maßnahmen, etc.
  • Erstellung einer angepassten Liquiditätsplanung für die nächsten Wochen.
  • Kurzfristige Kontaktaufnahme mit der zuständigen Finanzbehörde, um bereits jetzt eine mögliche Stundung zukünftiger Steuerzahlungen sowie eine Anpassung von Umsatzsteuervorauszahlungen zu erreichen, wenn ersichtlich ist, dass die Liquidität für andere Zwecke erforderlich sein wird.
  • Kurzfristige Kontaktaufnahme mit den finanzierenden Banken, um eine vorübergehende Aussetzung von Zins- und Tilgungszahlungen zu erreichen, falls dies zur Liquiditätsschonung aufgrund der wirtschaftlichen Auswirkungen des Corona-Virus erforderlich erscheint.
  • Auch die Möglichkeit einer Übergangsfinanzierung kann in diesem Zusammenhang geprüft bzw. eine Übergangsfinanzierung beantragt werden, bis die von der Bundesregierung angekündigten umfassenden Sonderprogramme der KfW aufgelegt sind.
  • Prüfung, ob auch Programme von Landesförderbanken sowie den Bürgschaftsbanken ergänzend in Anspruch genommen werden können.
  • Prüfung, ob Kurzarbeitergeld beantragt werden kann.
  • Genaue Beobachtung des tagesaktuellen Geschehens, insbesondere von etwaigen Ankündigungen der Bundesregierung zu weiteren Fördermaßnahmen oder Gesetzesvorhaben.

Bitte beachten Sie, dass es sich bei diesem Beitrag lediglich um eine informatorische Übersicht über das von der Bundesregierung am 13. März 2020 angekündigte Maßnahmenpaket zur Abfederung der wirtschaftlichen Auswirkungen des Corona-Virus sowie eine – nicht abschlie- ßende – Darstellung von möglichen Schritten, die Unternehmen nun prüfen können, handelt. Dieser Beitrag eignet sich nicht, eine umfassende anwaltliche Beratung im Einzelfall zu ersetzen. Gerne stehen wir für einen Austausch zu diesem Thema jederzeit zur Verfügung.

Der Blogbeitrag steht hier für Sie zum Download bereit: Bundesregierung veröffentlicht Maßnahmenpaket zur Abfederung des Corona-Virus – Was Unternehmen jetzt tun können

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