#FOKUS: COVID-19-PANDEMIE / UNTERNEHMENSSTABILISIERUNGS- und -restrukturierungsgesetz

Die Umsetzung der Re­struktu­rierungs­richtlinie in das deutsche Recht – Inkraft­treten des Gesetzes zur Fort­entwicklung des Sanierungs- und Insolvenz­rechts zum 1. Januar 2021

4. Januar 2021

In unserer Beitragsreihe über die Umsetzung der sog. Restrukturierungsrichtlinie (RL (EU) 2019/1023) in das deutsche Recht hatten wir uns zunächst auf Grundlage des Referenten- und später des Regierungsentwurfs fortlaufend mit verschiedenen Aspekten der Restrukturierungsrichtlinie und des StaRUG befasst, zuletzt mit dem Amt des Restrukturierungsbeauftragten.

Nachdem nunmehr eine durch den Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags geänderte Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) am 17. Dezember 2020 zunächst vom Bundestag sowie einen Tag später vom Bundesrat beschlossen und am 29. Dezember 2020 im Bundesgesetzblatt (BGBl. I 2020, S. 3256) veröffentlicht wurde, ist das StaRUG zum 1. Januar 2021 in Kraft getreten. Damit steht Unternehmen und unternehmerisch tätigen natürlichen Personen ab diesem Zeitpunkt der präventive Restrukturierungsrahmen zur Verfügung.

In diesem Blogbeitrag werden die wesentlichen Änderungen zwischen der nunmehr zum 1. Januar 2021 in Kraft getretenen Fassung des StaRUG und des seinerzeit von der Bundesregierung vorgelegten Regierungsentwurfs dargestellt. 

Dabei ist zu Beginn anzumerken, dass mehrere zunächst vorgesehene Regelungen ersatzlos gestrichen wurden, sodass sich die Nummerierung der einzelnen Paragraphen des StaRUG verändert hat. Soweit in diesem Beitrag auf Normen des Regierungsentwurfs Bezug genommen wird, so wird dieses als "StaRUG-RegE" bezeichnet. Im Übrigen meint die Abkürzung "StaRUG" das nunmehr in Kraft getretene Gesetz.

Keine gerichtliche Vertragsbeendigung mehr möglich

Die wohl wesentlichste Änderung des nun in Kraft getretenen StaRUG gegenüber dem Regierungsentwurf stellt die Streichung der §§ 51-55 StaRUG-RegE dar. Diese Paragraphen sahen bislang für den Schuldner die Möglichkeit vor, einen Vertrag, an dem der Schuldner beteiligt ist, auf dessen Antrag durch das Restrukturierungsgericht beenden zu lassen, wenn der jeweilige Vertragspartner einem Anpassungs- oder Beendigungsverlangen des Schuldners nicht nachkam und der Schuldner drohend zahlungsunfähig war.

Sowohl in den Anhörungen als auch den Stellungnahmen zu dem Regierungsentwurf war gerade diese Möglichkeit vielfach kritisiert worden. Als Argument gegen diese Regelungen wurde insbesondere angeführt, dass eine gerichtliche Vertragsbeendigung für die Vertragspartner zu unkalkulierbaren Risiken geführt hätte und sich zudem auch nicht mit dem im deutschen Recht herrschenden Grundsatz der Vertragsautonomie hätte in Einklang bringen lassen. Infolge dieser Kritik wurde die Regelung ersatzlos aus dem Gesetz gestrichen.

Restrukturierungsplan

Sehr umfangreiche Änderungen zwischen dem StaRUG und dem Regierungsentwurf hat es in den Regelungen zum Restrukturierungsplan gegeben.

So ist es nun möglich, dass unter bestimmten Voraussetzungen beim Vorliegen eines Restrukturierungsplans durch das Gericht ein Gläubigerbeirat nach § 93 StaRUG eingesetzt wird. Die Möglichkeit zur Einsetzung eines Gläubigerbeirates stellt jedoch nicht den Regelfall dar. Eines Gläubigerbeirates bedarf es ausnahmsweise nur dann, wenn der Schuldner von allen betroffenen Gläubigern, außer solchen nach § 4 StaRUG vom Anwendungsbereich des Gesetzes Ausgenommenen, im Rahmen eines Restrukturierungsplanes Sanierungsbeiträge einfordert und die Restrukturierungssache gesamtverfahrensartige Züge aufweist. Dies ist dann der Fall, wenn eine Vielzahl von Gläubigern mit inhomogenen Interessen in den Restrukturierungsplan einbezogen wird. In einem solchen Szenario kann, ähnlich wie bei einem Insolvenzverfahren, das Bedürfnis nach einer Koordinierung der unterschiedlichen Interessen und Betroffenheiten entstehen, dem durch die Einsetzung eines Gläubigerbeirates Rechnung getragen werden soll. 

Die Zusammensetzung des Gläubigerbeirates richtet sich dabei nach § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1a InsO, sodass die Vorschriften über die Zusammensetzung des vorläufigen Gläubigerausschusses im Insolvenzeröffnungsverfahren entsprechende Anwendung finden. Dem Gläubigerbeirat kommt die Aufgabe zu, den Schuldner bei seiner Geschäftsführung zu überwachen und zu unterstützen. Zudem ist der Schuldner verpflichtet, dem Gläubigerbeirat gegenüber die Inanspruchnahme der Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens anzuzeigen. Außerdem kann der Gläubigerbeirat anstelle der Planbetroffen durch einen einstimmigen Beschluss einen Vorschlag für die Person des Restrukturierungsbeauftragten machen.

Daneben wurden auch die bisherigen Regelungen zur Einbeziehung von gruppeninternen Drittsicherheiten in den Restrukturierungsplan erweitert. Bislang waren nur gruppeninterne Drittsicherheiten von einem Tochterunternehmen einer Gestaltung durch den Restrukturierungsplan zugänglich. Im Zuge der Beratungen über den Regierungsentwurf wurde § 2 Abs. 4 StaRUG dahingehend ergänzt, dass es für eine Einbeziehung nunmehr genügt, dass es sich bei dem die Sicherheit stellenden Unternehmen um ein verbundenes Unternehmen i.S.d. § 15 AktG handelt. Erfasst sind daher nun auch Mutter- und/oder Schwesterunternehmen.

Auch der gestaltende Teil des Restrukturierungsplans hat eine wesentliche Änderung erfahren. So sah § 9 Abs. 4 StaRUG-RegE bislang vor, dass Restrukturierungsforderungen auch gegen den Willen der betroffenen Gläubiger in Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte an dem Schuldner umgewandelt werden konnten, sofern für die widersprechenden Gläubiger eine Barabfindung vorgesehen war. Diese Möglichkeit besteht im jetzigen § 7 Abs. 4 StaRUG nicht mehr. Eine Umwandlung gegen den Willen der betroffenen Gläubiger ist dort ausdrücklich ausgeschlossen. Der Gesetzgeber begründet die Abkehr von der ursprünglich geplanten Regelung damit, dass die Bestimmung eines angemessenen Maßstabs für die Festlegung der Höhe der Barabfindung mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden gewesen wäre.

Gegenüber dem Regierungsentwurf muss nach den nun verabschiedeten Regelungen zudem das Planangebot nach § 17 StaRUG (§ 19 StaRUG-RegE) erhöhten Anforderungen gerecht werden. Dieses muss nach § 17 Abs. 1 StaRUG nunmehr auch eine Darstellung der bereits angefallenen und der noch zu erwartenden Kosten des Restrukturierungsverfahrens einschließlich der Vergütung des Restrukturierungsbeauftragten enthalten. Der Hintergrund dieser Regelung ist, dass diese Kosten für die Planbetroffenen bei der Bewertung der Eignung des Restrukturierungsplans zur Sicherung oder Wiederherstellung der Bestandsfähigkeit des Schuldners von großer Bedeutung sind, da sie die Liquidität des Schuldners zusätzlich belasten und zudem den Finanzierungsbedarf erhöhen, der von den Planbetroffenen mittels ihrer Sanierungsbeiträge getragen werden muss.

Der Restrukturierungsbeauftragte

Die Regelungen bzgl. des Restrukturierungsbeauftragten sind im Wesentlichen unverändert geblieben. Lediglich an zwei Stellen wurden kleinere Veränderungen vorgenommen.

Zum einen wurde klargestellt, dass § 76 Abs. 2 StaRUG, der die Kompetenzen des notwendigen Restrukturierungsbeauftragten regelt, nicht nur dann Anwendung findet, wenn der Restrukturierungsbeauftragte nach den § 73 Abs. 1 Nr. 1, 2 oder Abs. 2 StaRUG gerichtlich bestellt worden ist, sondern auch bereits dann, wenn die Voraussetzungen dieser Vorschriften erfüllt sind. Die Regelung des § 76 Abs. 2 StaRUG findet also auch in denjenigen Fällen Anwendung, in denen die Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 Nr. 1, 2 oder Abs. 2 StaRUG erst nach dem Zeitpunkt der Bestellung des Restrukturierungsbeauftragten vorliegen.

Zum anderen kann das Gericht dem Restrukturierungsbeauftragten gemäß § 76 Abs. 2 Nr. 2 b) StaRUG nicht ausschließlich nur die Befugnis übertragen, vom Schuldner zu verlangen, dass eingehende Gelder von ihm entgegengenommen werden können, sondern er kann von diesem nunmehr auch verlangen, dass Zahlungen nur vom Restrukturierungsbeauftragten, also von ihm selbst, geleistet werden können.

Haftung der Organe des Schuldners

Bislang sah das StaRUG-RegE in den §§ 2, 3 vor, dass bei der drohenden Zahlungsunfähigkeit einer juristischen Person oder Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit die Geschäftsleiter die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger zu wahren haben. Bei einem schuldhaften Verstoß gegen diese Verpflichtung sollte der jeweilige Geschäftsleiter der Gesellschaft für den dadurch entstandenen Schaden haften. Diese Regelungen wurden aus der finalen Fassung des StaRUG gestrichen, da dem Gesetzgeber zum einen das Verhältnis dieser Vorschriften zu den im Gesellschaftsrecht verankerten Sanierungspflichten nicht hinreichend klar erschien und zum anderen dem Bedürfnis des Gläubigerschutzes durch die gesellschaftsrechtlichen Haftungsnormen hinreichend Rechnung getragen werde.

In dem Zuge der Streichung von §§ 2, 3 StaRUG-RegE wurde zudem die Regelung des § 43 StaRUG (§ 45 StaRUG-RegE) erweitert. Da sich der Pflichtenkatalog des Geschäftsleiters einer juristischen Person oder einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit nun nicht mehr aus § 2 Abs. 1 StaRUG-RegE ergibt, legt § 43 Abs. 1 StaRUG fest, dass der Geschäftsleiter darauf hinzuwirken hat, dass der Schuldner die Restrukturierungssache mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters (vgl. § 32 Abs. 1 StaRUG) betreibt und die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger wahrt. Verletzt ein Geschäftsleiter diese Pflichten schuldhaft, so ist er der Gesellschaft zum Ersatz des den Gläubigern daraus resultierenden Schadens verpflichtet.

Weitere Änderungen und Ergänzungen

Die nun verabschiedete Fassung des Gesetzes sieht zudem in § 34 Abs. 2 S. 3 StaRUG die Möglichkeit vor, dass mehrere Bundesländer länderübergreifende Zuständigkeiten für Restrukturierungsgerichte schaffen können. Es kann also vereinbart werden, dass ein Amtsgericht für Restrukturierungssachen über die eigenen Landesgrenzen hinaus zuständig ist. Dadurch soll eine professionelle und effiziente Bearbeitung von Restrukturierungssachen sichergestellt werden.

Schließlich wird mit dem SanInsFoG auch ein neuer § 204 Abs. 1 Nr. 10a BGB geschaffen. Hiernach wird die Verjährung eines Anspruchs während der Dauer einer Vollstreckungssperre nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz gehemmt. Diese Regelung soll dem Gläubigerschutz dienen, da ein Gläubiger, der von einer Vollstreckungssperre betroffen ist, für die Dauer dieser Sperre keinen Neubeginn der Verjährung gemäß § 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB durch Beantragung einer gerichtlichen oder behördlichen Vollstreckungshandlung herbeiführen kann.

Fazit und Ausblick

In dem nunmehr in Kraft getretenen StaRUG wurden zahlreiche wesentliche Kritikpunkte, die gegenüber dem StaRUG-RegE geäußert wurden, aufgegriffen.

Dies betrifft insbesondere die Regelungen zur Vertragsbeendigung in den §§ 51-55 StaRUG-RegE, die von den Experten aus Praxis und Wissenschaft ausführlich diskutiert und mitunter auch heftig kritisiert wurden. Die Restrukturierungsrichtlinie hatte derartige Maßnahmen zur Abänderung und Beendigung von Vertragsverhältnissen nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 der Richtlinie i.V.m. dem Erwägungsgrund 2 Satz 3 in ihrer Umsetzung nicht als verpflichtend vorgesehen. Vor diesem Hintergrund war es ohnehin überraschend, dass der Gesetzgeber eine so erhebliche Möglichkeit zur Einschränkung der im deutschen Recht vorherrschenden Vertragsfreiheit vorgesehen hatte. Diese Auffassung teilte auch der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags, der diese Regelungen im Rahmen der Beschlussempfehlung aus dem StaRUG gestrichen hat. Der Bundestag und Bundesrat sind dieser Empfehlung dann auch gefolgt.

Auch wenn die ersatzlose Streichung der Regelungen zur gerichtlichen Vertragsbeendigung sowohl aus rechtsdogmatischen Gründen als auch aus Gläubigersicht zu begrüßen ist, dürfte dem Schuldner damit gleichwohl ein effektives Instrument zur Restrukturierung genommen worden sein.

Insgesamt kann festgehalten werden, dass die Gläubigerrechte durch die vom Rechtsausschuss vorgenommenen Änderungen im StaRUG-RegE in dem nun in Kraft getretenen StaRUG eine deutliche Aufwertung erfahren haben. Dies zeigt sich nicht nur an der Streichung der bisher vorgesehenen und aus Gläubigersicht sehr unwägbaren Möglichkeit der gerichtlichen Vertragsbeendigung, sondern beispielsweise auch daran, dass unter gewissen Voraussetzungen die Einrichtung eines Gläubigerbeirates erforderlich ist, der das Restrukturierungsverfahren des Schuldners begleiten und in gewisser Weise überwachen soll. Auch die nun vorgesehene Transparenz hinsichtlich der Kosten des Restrukturierungsverfahrens im Restrukturierungsplan entspricht dem Interesse der Gläubiger.

Aus Gläubigersicht sind die nun Gesetz gewordenen Anpassungen des StaRUG-RegE durch den Rechtsausschuss also zu begrüßen. Letztlich wird jedoch die praktische Anwendung des StaRUG zeigen, ob es zu einem gerechten Ausgleich der rechtlichen Interessen von Gläubigern und Schuldnern kommen kann. Dabei wird es vielfach auch auf die Auslegung des Gesetzes durch die Gerichte ankommen.

GLADE MICHEL WIRTZ wird Sie an dieser Stelle fortlaufend über alle Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz, insbesondere den ersten Umsetzungserfahrungen aus der Praxis informieren und Ihnen in weiteren Beiträgen die wesentlichen Regelungen und Bestandteile des StaRUG erläutern. Gerne stehen wir jederzeit auch für einen Austausch zu diesem Thema zur Verfügung.

Der Beitrag steht hier für Sie zum Download bereit: Die Umsetzung der Restrukturierungsrichtlinie in das deutsche Recht – Inkrafttreten des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts zum 1. Januar 2021

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