#FOKUS: COVID-19-PANDEMIE / EU-RE­STRUKTURIERUNGS­RICHTLINIE

Startschuss für die Um­setzung der Re­struk­tu­rierungs­­richtlinie in das Deutsche Recht

21. Februar 2020

In unserem Beitrag "Der präventive Restrukturierungsrahmen und das lange Warten auf den nationalen Gesetzgeber" vom 23. Januar 2020 hatten wir auf die vom Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz verlautbarte Umsetzung der Restrukturierungsrichtlinie (Richtlinie (EU) 2019/1023) in drei Phasen hingewiesen. Nun hat die erste Phase endlich begonnen. Am vergangenen Donnerstag, den 13. Februar 2020, wurde der Referentenentwurf zum zweiten Teil der Restrukturierungsrichtlinie als Gesetz zur weiteren Verkürzung der Restschuldbefreiung veröffentlicht.

Die wesentlichen Eckpunkte dieses Referentenentwurfes bilden einerseits die Reduzierung der Dauer des Restschuldbefreiungsverfahrens von sechs auf drei Jahre, die nicht nur – wie es die Restrukturierungsrichtlinie vorsieht – unternehmerisch tätige natürliche Personen betrifft, sondern auch alle Verbraucher/innen. Andererseits ist eine Übergangsregelung vorgesehen, wonach die Dauer des Restschuldbefreiungsverfahrens bis zum 17. Juli 2022 sukzessive auf drei Jahre verkürzt wird.

Diese Eckpunkte hatte das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz bereits vorab in einer Pressemitteilung vom 7. November 2019 mit einem Informationsblatt veröffentlicht, da die sukzessive Verkürzung der Dauer des Restschuldbefreiungsverfahrens rückwirkend ab dem 17. Dezember 2019 erfolgen soll.

Nachfolgend seien überblicksartig die Richtlinienvorgaben und die mögliche Umsetzung durch den nationalen Gesetzgeber im "Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens" dargestellt:

Restrukturierungsrichtlinie zu unternehmerischer Entschuldung und Tätigkeitsverbot

Bislang neben den Regelungen zum präventiven Restrukturierungsrahmen (Titel II der Restrukturierungsrichtlinie) eher stiefmütterlich behandelt, wurden die ebenso in der Restrukturierungsrichtlinie vorgesehenen Regelungen zu Entschuldung und Tätigkeitsverboten für Unternehmer (Titel III der Restrukturierungsrichtlinie in Art. 20 bis 24). Ziel dieser Regelungen ist es, die negativen Auswirkungen von Überschuldung und Insolvenz auf Unternehmer insbesondere dadurch zu verringern, dass eine volle Entschuldung nach Ablauf einer bestimmten Frist ermöglicht und die Dauer von mit der Überschuldung oder Insolvenz eines Schuldners zusammenhängenden Tätigkeitsverboten begrenzt wird (vgl. Erwägungsgrund 73 der Restrukturierungsrichtlinie).

Die Restrukturierungsrichtlinie setzt hier in zeitlicher Hinsicht also nicht vorinsolvenzlich an, wie die Reglungen zum präventiven Restrukturierungsrahmen, sondern erst mit Insolvenz eines Unternehmers. Nach Art. 20 Abs. 1 der Restrukturierungsrichtlinie sollen insolvente Unternehmer Zugang zu mindestens einem Verfahren haben, das zu einer vollen Entschuldung gemäß dieser Richtlinie (vgl. zur "vollen Entschuldung" Art. 2 Abs. 1 Nr. 10) führt.

Als Entschuldungsfrist sieht die Restrukturierungsrichtlinie in Art. 21 Abs. 1 eine Dauer von höchstens drei Jahren anknüpfend an einen Tilgungsplan oder ein Insolvenzverfahren vor. Die Entschuldung soll nach Ablauf dieser Entschuldungsfrist – quasi ipso iure – ohne weiteren Antrag oder ein weiteres Verfahren erfolgen (vgl. Art. 21 Abs. 2). Tatsächlich handelt es sich hier um eine feste 3-Jahres-Frist, sodass dem nationalen Gesetzgeber insoweit wenig Umsetzungsspielraum verbleibt (vgl. zu Ausnahmen für eine längere Entschuldungsfrist Art. 23 Abs. 3 der Restrukturierungsrichtlinie: z.B. Schutz der Hauptwohnung des insolventen Unternehmers oder dessen Familie).

Art. 22 der Restrukturierungsrichtlinie erlaubt insofern auch ein Tätigkeitsverbot für den insolventen Unternehmer nur bis spätestens zum Ablauf der Entschuldungsfrist aufrechtzuerhalten. Eine Tätigkeitsaufnahme soll danach ohne weiteres Verfahren wieder möglich sein.

Entsprechende Ausnahmen regelt Art. 23 der Restrukturierungsrichtlinie dahingehend, dass der insolvente Unternehmer dann nicht in den vollen Genuss der vorstehenden Regeln zur Entschuldung zu kommen braucht, wenn er sich während des Insolvenzverfahrens oder während der Begleichung seiner Schulden gegenüber den Gläubigern oder sonstigen Interessenträgern unredlich oder bösgläubig im Sinne der nationalen Vorschriften verhält (Art. 23 Abs. 1). Insgesamt verbleibt aufgrund der nur beispielhaft aufgeführten Ausnahmetatbestände ein bedeutender Umsetzungsspielraum für den nationalen Gesetzgeber.

Schließlich sieht die Restrukturierungsrichtlinie in Art. 24 die Konsolidierung der Entschuldung für unternehmerische und private Schulden des insolventen Unternehmers vor. Insoweit regt Erwägungsgrund 21 der Restrukturierungsrichtlinie an, aufgrund einer nur schwer vorzunehmenden Trennung von unternehmerischen und privaten Schulden die Entschuldung auch für Verbraucher/innen an die Vorschriften der Restrukturierungsrichtlinie anzupassen.

Die Umsetzung dieser Regelungen durch den nationalen Gesetzgeber hat gem. Art. 34 der Restrukturierungsrichtlinie bis zum 17. Juli 2021 zu erfolgen, wobei die Umsetzungsfrist einmalig bis zum 17. Juli 2022 verlängert werden kann.

Richtlinienumsetzung im Referentenentwurf zur weiteren Verkürzung der Restschuldbefreiung

Eine Entschuldung auch von insolventen unternehmerisch tätigen natürlichen Personen war mit der Restschuldbefreiung in §§ 286 ff. InsO auch bisher schon in der deutschen Insolvenzordnung angelegt. Der deutsche Gesetzgeber muss aufgrund der aufgezeigten Vorgaben nun gleichwohl einige Anpassungen im nationalen Recht vornehmen.

Der Referentenentwurf sieht solche Anpassungen nun allgemein für alle natürlichen Personen und nicht nur für die unternehmerisch tätigen vor, denn nur so – d.h. ohne Differenzierung – ist die Restschuldbefreiung seit 1990 in der Insolvenzordnung angelegt. Argumentiert wird im Referentenentwurf – wie auch schon im Rahmen der Richtlinie – mit sonst auftretenden Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen unternehmerischen und privaten Schulden sowie einer nicht nachvollziehbar darzustellenden Differenzierung zwischen diesen Schuldenkategorien. Zudem wird im Referentenentwurf darlegt, dass auch in der Spätphase der Restschuldbefreiungsfrist bei Verbraucherinsolvenzen positive Befriedigungsbeiträge zugunsten der Gläubiger eher die Ausnahme seien. Dies gelte auch für Missbrauchsfälle, sodass auch hier ein Anstieg bei einer Verkürzung der Frist zur Restschuldbefreiung nicht zu erwarten sei.

Die Restschuldbefreiung ist bislang gem. § 287 Abs. 2 i.V.m. § 300 Abs. 1 S. 1 InsO an eine Frist von regulär sechs Jahren geknüpft. Nur soweit die Verfahrenskosten gedeckt und die Insolvenzforderungen zu 35 % beglichen waren, konnte gem. § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO eine Verkürzung der Frist zur Restschuldbefreiung auf drei Jahre beantragt werden. Vor diesem Hintergrund sieht der Referentenentwurf entsprechende Änderungen in § 287 Abs. 2 InsO und § 300 InsO vor, wonach die dort so bezeichnete Abtretungsfrist zukünftig einheitlich drei Jahre beträgt.

Diese Fristverkürzung bei der Restschuldbefreiung wird flankiert durch ausführlich geregelte Übergangsvorschriften in den neu geschaffenen §§ 103 k und 103 l des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung. Danach soll die Fristverkürzung sukzessive vollzogen werden. Das bedeutet, für Insolvenzantragstellungen ab dem 17. Dezember 2019 findet bereits eine verkürzte Frist von fünf Jahren und sieben Monaten Anwendung, die monatlich bis zum 17. Juli 2022 auf drei Jahre abschmilzt. Der nationale Gesetzgeber hat an dieser Stelle also von der einmaligen Möglichkeit zur Verlängerung der Umsetzungsfrist um ein Jahr bis zum 17. Juli 2022 Gebrauch gemacht.

Die Verlängerung der Umsetzungsfrist sei hier aufgrund besonderer Schwierigkeiten, die eine Halbierung der Dauer des Restschuldbefreiungsverfahrens von derzeit sechs auf künftig drei Jahre mit sich bringe, geboten. Insoweit seien erhebliche Verfahrensschwemmen zu erwarten, wenn mit der Insolvenzantragstellung gezielt bis zur Anwendung des neuen, auf drei Jahre verkürzten Verfahrens zur Restschuldbefreiung zugewartet würde. Eine abrupte Verkürzung der Verfahrensdauer bei der Restschuldbefreiung ginge zudem mit einer erheblichen Ungleichbehandlung abhängig von dem Tag des Insolvenzantragstellung einher.

Quasi als Ausgleich zur Verkürzung des Verfahrens zur Restschuldbefreiung auf drei Jahre darf man die im Referentenentwurf vorgesehene Verlängerung der Sperrfrist von zehn auf 13 Jahre für die erneute Erlangung einer Restschuldbefreiung verstehen. Hierfür wird eine entsprechende Änderung des § 287a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 InsO erforderlich.

Hinsichtlich der Beschränkung etwaiger Tätigkeitsverbote trifft der Referentenentwurf in § 301 Abs. 4 InsO eine Regelung zur Richtlinienumsetzung.

Fazit

Das von der Restrukturierungsrichtlinie geforderte Verfahren für eine Entschuldung und der Begrenzung etwaiger Tätigkeitsverbote für insolvente Unternehmer war mit den Vorschriften zur Restschuldbefreiung bereits im deutschen Recht angelegt. Eine Differenzierung zwischen Unternehmern und Verbraucher/innen war hier bisher nicht vorgesehen. Die Umsetzung der Restrukturierungsrichtlinie hätte maßstabsgetreu daher reichlich kompliziert unter Einführung von Regelungen zur Restschuldbefreiung erfolgen können, die entsprechend zwischen Unternehmern und Verbraucher/innen differenzieren.

Stattdessen hat sich der Gesetzgeber für eine pragmatische Lösung entschieden und die Richtlinienumsetzung für Unternehmer und – überschie.end, d.h. über den Regelungsumfang der Restrukturierungsrichtlinie hinaus – entsprechend auch für Verbraucher/innen vorgesehen. Auf diese Weise konnte der Referentenentwurf unter Beibehaltung des bisherigen Regelungsgefüges zur Restschuldbefreiung mit verhältnismäßig wenigen gezielten Änderungen im geltenden Recht die Richtlinienkonformität schaffen.

Kern der im Referentenentwurf dargestellten Gesetzesänderung entsprechend der Restrukturierungsrichtlinie ist die Verkürzung des Verfahrens zur Restschuldbefreiung und damit der Entschuldung von sechs auf drei Jahre. Um hier keinen abrupten Bruch in der Verfahrensdauer und -abwicklung zu verursachen, ist im Referentenentwurf ein Modell der sukzessiven Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahren über einen Zeitraum von Insolvenzantragstellungen vom 19. Dezember 2019 bis zum 22. Juli 2022 vorgesehen. Die mögliche Verlängerung der Umsetzungsfrist der Restrukturierungsrichtlinie ist im Referentenentwurf damit voll ausgeschöpft worden.

Der bisher erkennbare minimalinvasive Eingriff in das geltende Recht zur Umsetzung des zweiten Teils der Restrukturierungsrichtlinie unter voller Ausnutzung der verlängerten Umsetzungsfrist bis zum 17. Juli 2022, macht durchaus Hoffnung. Insbesondere behält der Referentenentwurf hierbei das Interessengemenge in der Insolvenz – insbesondere auch die Gläubigerinteressen – stets im Blick. Was das für den nun mit Spannung erwarteten Referentenentwurf zur Umsetzung des präventiven Restrukturierungsrahmens – der nächsten Etappe der Richtlinienumsetzung – heißt, bleibt abzuwarten.

GLADE MICHEL WIRTZ wird Sie an dieser Stelle fortlaufend über das Gesetzgebungsverfahren informieren und Ihnen insbesondere den erwarteten Referentenentwurf zur Umsetzung des präventiven Restrukturierungsrahmens erläutern, sobald dieser veröffentlicht wird. Gerne stehen wir auch für einen Austausch zu diesem Thema jederzeit zur Verfügung.

Der Blobeitrag steht hier für Sie zum Download bereit: Startschuss für die Umsetzung der Restrukturierungsrichtlinie in das Deutsche Recht

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