Das Recht der fehlerhaften Gesellschafterbeschlüsse – Neuerungen durch das MoPeG
28. Februar 2023
Alle grundlegenden Entscheidungen in einer Personengesellschaft gehen auf deren Gesellschafter zurück und werden von diesen regelmäßig im Rahmen einer Gesellschafterversammlung gemeinsam durch Beschluss getroffen. Bei der Aktiengesellschaft werden Beschlüsse von ihrer Hauptversammlung gefasst. Wenn bei der Vorbereitung oder Durchführung der Gesellschafter- bzw. Hauptversammlung und der Beschlussfassung Fehler passieren, stellt sich die Frage, ob und wie sich diese Fehler auf die Wirksamkeit des Beschlusses auswirken und welche Rechtsmittel den Gesellschaftern bzw. Aktionären gegen solch fehlerhafte Beschlüsse zustehen.
Dies hängt entscheidend von der Rechtsform der Gesellschaft und den für sie geltenden gesetzlichen Regelungen ab, die gerade mit Blick auf das Beschlussmängelrecht grundlegend verschieden sind. Sie unterscheiden sich insbesondere im Hinblick auf die Auswirkungen von Fehlern bei der Beschlussfassung und der Möglichkeit ihrer gerichtlichen Geltendmachung. Es gibt daher kein einheitliches gesellschaftsrechtliches Beschlussmängelrecht, sondern dieses ist streng rechtsformspezifisch. Dies wurde in der Vergangenheit bereits vielfach kritisiert – nicht zuletzt, weil sich in der Praxis oftmals schwierige Abgrenzungsprobleme zeigten. Das zum 1. Januar 2024 in Kraft tretende Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (kurz: MoPeG) soll diese Kritik aufgreifen und Abhilfe schaffen.
Dieser Blogbeitrag setzt unsere Beitragsreihe zu den durch das MoPeG eintretenden gesetzlichen Neuerungen fort, indem er die Grundlagen der einzelnen, in den verschiedenen Gesellschaftsformen derzeit herrschenden Beschlussmängelregimes vorstellt und die diesbezüglichen gesetzlichen Neuerungen für Personenhandelsgesellschaften zusammenfasst. Abschließend wird eine kurze Bewertung der Reform des Beschlussmängelrechts für die Praxis vorgenommen.
I. Überblick über die Beschlussmängelregimes der verschiedenen Gesellschaftsformen
1. Beschlussmängelrecht der AG
Ein umfassendes Beschlussmängelrecht ist bislang nur für die Aktiengesellschaft in den §§ 241 ff. AktG gesetzlich geregelt. Dort wird unterschieden zwischen nichtigen und anfechtbaren Beschlüssen der Hauptversammlung. Nichtig sind deren Beschlüsse, wenn sie auf besonders schwerwiegenden Fehlern beruhen, die die Einberufung der Hauptversammlung, die Beurkundung des Beschlusses oder dessen Inhalt betreffen. Etwa ist ein Beschluss nichtig, wenn er in einer Hauptversammlung gefasst worden ist, die nicht durch den Vorstand mit der erforderlichen Mehrheit einberufen worden ist und die Einberufung zugleich nicht die Firma, den Sitz der Gesellschaft sowie Zeit und Ort der Hauptversammlung enthält. Ein solcher Fehler kann mit der Nichtigkeitsklage geltend gemacht werden. Als Folge seiner Nichtigkeit entfaltet der Beschluss von Beginn an keine Rechtswirkungen.
Lediglich anfechtbar sind Beschlüsse bei der AG dagegen bei weniger schwerwiegenden Verstößen gegen das Gesetz oder die Satzung. Solche Beschlüsse sind trotz ihrer Fehlerhaftigkeit vorläufig verbindlich, bis sie vom Gericht aufgrund der eigens hierfür vorgesehenen Anfechtungsklage für nichtig erklärt werden. Zur Anfechtbarkeit eines Beschlusses führt etwa ein Verstoß gegen das Gebot der Gleichbehandlung der Aktionäre.
2. Beschlussmängelrecht der GmbH
Für die GmbH existieren dagegen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften zu Beschlussmängeln. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH werden indes die aktienrechtlichen Vorschriften auf Beschlussfassungen in der GmbH grundsätzlich analog angewendet, soweit diesen nicht die gesellschaftsrechtlichen Strukturen und Besonderheiten der GmbH im Unterschied zur AG entgegenstehen. Wann genau dies der Fall ist und welche Regeln dann für die GmbH gelten, ist bislang durch die Rechtsprechung nur für Einzelfälle, jedoch nicht allgemein und abschließend geklärt, sodass insoweit eine erhebliche Rechtsunsicherheit besteht.
3. Beschlussmängelrecht der Personengesellschaften
Bislang gibt es auch keine gesetzlichen Regelungen zu fehlerhaften Beschlüssen in Personengesellschaften. In vielen Gesellschaftsverträgen der Personengesellschaften finden sich Regelungen zum Beschlussmängelrecht, die sich an jenem der AG mit Nichtigkeits- und Anfechtungsklage orientieren. Denn im Gegensatz zur GmbH lehnt die ganz überwiegende Auffassung eine analoge Anwendung der aktienrechtlichen Vorschriften auf Beschlussmängel bei den Personengesellschaften grundsätzlich ab. Stattdessen gilt bislang, – falls keine abweichenden gesellschaftsvertraglichen Regelungen getroffen worden sind – dass jeder Gesellschafterbeschluss, der gegen formelles oder materielles Recht verstößt, automatisch nichtig ist, sofern der Rechtsverstoß Auswirkungen auf das Abstimmungsergebnis hat. Ein solcher Beschluss hat damit von Beginn an keine Verbindlichkeit für die Gesellschaft und ihre Gesellschafter. Geltend gemacht werden kann die Nichtigkeit von Beschlüssen der Personengesellschaften mit der allgemeinen Feststellungsklage der ZPO. Eine bloße Anfechtbarkeit von Beschlüssen kennt das Personengesellschaftsrecht hingegen bislang nicht.
II. Das Beschlussmängelrecht nach dem MoPeG
Der Umstand, dass für die genannten Gesellschaftsformen unterschiedliche Beschlussmängelregimes gelten, wird seit langem von der Rechtsliteratur kritisiert. Insbesondere bei der GmbH & Co. KG haben sich diese unterschiedlichen Regelungen bislang in besonderem Maße ausgewirkt, da die Auswirkungen und Folgen von Beschlussfehlern in der GmbH und der KG wegen der insoweit unterschiedlichen rechtlichen Behandlung voneinander abweichen. Auch, dass Beschlüsse der Personengesellschaften ohne Weiteres bei Rechtsverstößen nichtig sind, wird wegen der sich daraus ergebenden Rechtsunsicherheit bemängelt. Mit dem zum 1. Januar 2024 in Kraft tretenden MoPeG wird das Gesetz nunmehr umfassende Regelungen zu Beschlussmängeln für die Personengesellschaften treffen.
1. Geltung nur für Personenhandelsgesellschaften (OHG, KG und GmbH & Co. KG)
Das mit dem MoPeG neu eingeführte Beschlussmängelrecht wird allerdings lediglich für die Personenhandelsgesellschaften (d.h. für die OHG, die KG und mithin auch für die GmbH & Co. KG) gelten. Keine Anwendung wird es hingegen auf die GbR finden – und zwar in sämtlichen im MoPeG für die GbR vorgesehenen Formen: der nicht rechtsfähigen und der rechtfähigen GbR sowie der eingetragenen GbR. Gleiches gilt für die PartG. Für diese beiden Gesellschaftsformen – GbR und PartG – wird es bei dem bislang geltenden Nichtigkeitsmodell bleiben. In dieser ungleichen Behandlung der Personengesellschaften in Bezug auf Beschlussmängel liegt – zu Recht – ein zentraler Kritikpunkt des durch das MoPeG eingeführten Beschlussmängelrechts.
Darüber hinaus wird in der Literatur bereits lebhaft diskutiert, ob künftig eine analoge Anwendung des durch das MoPeG eingeführten Beschlussmängelrechts auf die GmbH geboten ist, da es der Interessenlage der Gesellschafter dieser ebenso eher personalistisch geprägten Gesellschaftsform eher entsprechen könnte als die bisher durch die Rechtsprechung herangezogene Analogie zum AktG.
2. Neuerungen des Beschlussmängelrecht für die Personenhandelsgesellschaften
Nach Inkrafttreten des MoPeG wird künftig auch das HGB in seinen §§ 110 ff. für die Personenhandelsgesellschaften zwischen nichtigen und anfechtbaren Beschlüssen unterscheiden. Dieses Modell ist angelehnt an die Regelungen des AktG, wobei jedoch die personalistischen Strukturen der Personenhandelsgesellschaften angemessen berücksichtigt sind. So werden – abweichend vom aktienrechtlichen Modell – Beschlüsse nichtig sein, die gegen Rechtsvorschriften verstoßen, auf deren Einhaltung die Gesellschafter nicht verzichten können. Hierzu zählt etwa ihr Recht zur Teilnahme an Gesellschafterversammlungen einschließlich ihres Rede- und Antragsrechts. Damit wird der Fokus hier auf den Kernbereich der Gesellschafterrechte gelegt, insbesondere etwa ihr Kontroll- und Informationsrecht sowie ihr Recht zur Teilnahme an der Gesellschafterversammlung einschließlich ihres Rede- und Antragsrechts. Verstöße gegen andere gesetzliche oder gesellschaftsvertragliche Vorgaben werden lediglich zur Anfechtbarkeit von Beschlüssen führen.
Als Folge der eingeführten Unterscheidung zwischen nichtigen und anfechtbaren Beschlüssen führt das HGB nunmehr ebenfalls eine Nichtigkeits- und eine Anfechtungsklage ein. Zu beachten ist dabei insbesondere die für die Anfechtungsklage geltende Klagefrist von grundsätzlich drei Monaten. Diese Frist kann vertraglich auf bis zu einen Monat verkürzt, nicht aber verlängert werden. Für die Nichtigkeitsklage ist hingegen keine Klagefrist vorgesehen.
III. Ausblick für die Praxis
Mit der Kodifizierung eines Beschlussmängelregimes durch das MoPeG sind wiederum rechtsformspezifische Regelungen geschaffen worden, die einen weiteren Rechtsrahmen für Beschlussmängel stecken, der jedoch ausschließlich für die Personenhandelsgesellschaften (OHG und KG, insbesondere GmbH & Co. KG) gelten wird. Während die Behandlung von Beschlussmängeln in Personengesellschaften – soweit keine gesellschaftsvertraglichen Regelungen getroffen worden sind – bisher einheitlich erfolgte, wird hier künftig zwischen den Personenhandelsgesellschaften einerseits und der GbR und der PartG andererseits zu differenzieren sein.
Das neue Beschlussmängelrecht für die Personenhandelsgesellschaften wartet nicht erst im Rahmen von Beschlussmängelstreitigkeiten auf eine weitere Ausgestaltung durch die Rechtsprechung; diese soll sich nach dem Regierungsentwurf zum MoPeG vielmehr an der Rechtsprechung zu Beschlussmängeln bei der GmbH orientieren. Auch im Vorfeld sollten die Gesetzesänderungen zum Beschlussmängelrecht durch das MoPeG bei der Gestaltung von Gesellschaftsverträgen berücksichtigt werden und können im Einzelfall bereits jetzt eine Revision der bestehenden Verträge gebieten.
Der Blogbeitrag steht hier für Sie zum Download bereit: Das Recht der fehlerhaften Gesellschafterbeschlüsse – Neuerungen durch das MoPeG
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Isabella Liermann-Koch
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