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Auswertung der Ad-hoc-Mitteilungen von DAX-Unter­nehmen in 2019

15. Januar 2020

Deutlicher Rückgang der Ad-hoc-Veröffentlichungen von DAX-Emittenten zu verzeichnen. 2019 wurden insgesamt 63 Ad-hoc-Mitteilungen veröffentlicht (Vorjahr: 98 Ad-hoc-Mitteilungen). Jeder vierte DAX-Emittent veröffentlichte 2019 überhaupt keine Ad-hoc-Mitteilung (Vorjahr: jeder zehnte DAX-Emittent).

Überwiegende Anzahl der Ad-hoc-Mitteilungen betrifft wie schon in den Vorjahren typische kursrelevante Themen wie Geschäftszahlen, bedeutende M&A-Transaktionen und Personalangelegenheiten im Vorstand oder Aufsichtsrat. Auffällig ist der spürbare Rückgang der Veröffentlichungen zu M&A-Transaktionen (16 Ad-hoc-Mitteilungen in 2019; Vorjahr: 33 Ad- hoc-Mitteilungen). Des Weiteren ist die hohe Anzahl an Ad-hoc-Veröffentlichungen, die durch Marktgerüchte ausgelöst wurden, bemerkenswert.

Anstehende Neufassung des BaFin-Emittentenleitfadens sowie laufende Konsultation der EU-Marktmissbrauchsverordnung 2020 im Blick zu behalten.

Rückgang der Ad-hoc-Veröffentlichungen

Im Kalenderjahr 2019 wurden von den 30 im DAX notierten Emittenten (Stichtag: 31. De- zember 2019 deutlich weniger Ad-hoc-Mitteilungen veröffentlicht als noch im Vorjahr. Im Durchschnitt veröffentlichten die Unternehmen 2,1 Mitteilungen pro Kalenderjahr, während es 2018 noch 3,3 Mitteilungen waren. Damit ist es auch in 2019 nicht zu der mit Einführung der Marktmissbrauchsverordnung befürchteten "Flut an Ad-hoc-Mitteilungen" gekommen.

Thema der Ad-hoc-Mitteilungen unverändert

Die meisten Ad-hoc-Mitteilungen betreffen unverändert (i) bedeutende M&A-Transaktionen (Übernahmen, Fusionen, Joint Ventures, Börsengänge etc.), (ii) überraschende Geschäftsergebnisse und Prognoseänderungen sowie (iii) Personalangelegenheiten im Vorstand bzw. Aufsichtsrat (knapp zwei Drittel der Ad-hoc-Mitteilungen fallen in diese Kategorien).

Die weiteren Veröffentlichungen betreffen Themen wie z.B. wichtige Rechtsstreitigkeiten und Behördenverfahren, Informationen über Aktienrückkaufprogramme und strategische Unternehmensentscheidungen.

Trends in 2019

Die Veröffentlichungen zu M&A-Transaktionen sind im letzten Jahr sowohl in absoluter als auch in relativer Hinsicht spürbar zurückgegangen (16 Mitteilungen in 2019 gegenüber 33 Mitteilungen in 2018). Dies dürfte weniger dem Umstand geschuldet sein, dass es im vergangenen Jahr weniger M&A-Aktivitäten gab, sondern vielmehr der Tatsache, dass im DAX die großen meldepflichtigen Transaktionen (wie die zwischenzeitlich erwogene Fusion der Deutschen Bank und der Commerzbank) ausblieben. Die größte Akquisition 2019 gelang Infineon mit dem Erwerb der Cypress Semiconductor Corporation (Ad-hoc-Mitteilung vom 3. Juni 2019). Kleinere M&A-Transaktionen, also solche, die im Verhältnis zur Marktkapitalisierung des Emittenten unwesentlich sind, verfügen in der Regel nicht über das Potential zur erheblichen Beeinflussung des Börsenkurses und lösen damit auch keine Pflicht zur Veröffentlichung einer Ad-hoc-Mitteilung aus.

In der im Sommer 2019 veröffentlichten Entwurfsfassung des neuen Emittentenleitfadens hat die BaFin (noch) strengere Vorgaben für die Ad-hoc-Publizität bei M&A-Projekten angedeutet. So soll z.B. schon der Abschluss einer Vertraulichkeitsvereinbarung Anlass zur Prüfung der Ad-hoc-Publizitätspflicht geben. In der Praxis ist dies auf heftige Kritik gestoßen (vgl. dazu auch unseren Aufsatz in der AG 2019, 621 ff.). Auf die Ad-hoc-Praxis der Emittenten in 2019 hat sich die (geplante) Verschärfung der ad-hoc-rechtlichen Verwaltungspraxis aber augenscheinlich noch nicht niedergeschlagen.

Auch die Anzahl der Ad-hoc-Mitteilungen zu Finanzkennzahlen (vorläufige Geschäftszahlen, Anpassung der Guidance etc.) hat im Vergleich zum Vorjahr deutlich abgenommen (16 Ad-hoc-Mitteilungen in 2019 – Vorjahr: 27 Ad-hoc-Mitteilungen). Während das Kalenderjahr 2018 von einer Vielzahl an Gewinnwarnungen geprägt war, ließ sich dieser Trend für das Jahr 2019 nicht bzw. nur für einzelne Branchen (insb. Automobilindustrie) bestätigen. Die Anzahl der Gewinnwarnungen und die Anzahl der Mitteilungen, in denen eine höhere Ergebniserwartung mitgeteilt wird, hielten sich im Großen und Ganzen die Waage.

Emittenten sind verpflichtet, bei der Verwendung von alternativen Leistungskennzahlen (z.B. EBIT oder RoS) in Ad-hoc-Mitteilungen die Vorgaben der APM-Leitlinien der ESMA zu beachten (vgl. ESMA/2015/1415). In einer Ende Dezember 2019 veröffentlichten empirischen Untersuchung der Einhaltung dieser Leitlinien kam die ESMA zu dem Schluss, dass ein Großteil der 123 untersuchten Emittenten alternative Leitungskennzahlen in Ad-hoc-Mitteilungen verwendet (so auch einige der hier analysierten Emittenten), aber lediglich jedes zehnte Unternehmen die Vorgaben der APM-Leitlinien vollständig einhält.

Wie im Vorjahr entfallen elf Prozent der Ad-hoc-Mitteilungen auf Personalwechsel im Vorstand oder Aufsichtsrat. Im Gegensatz zu 2018, als teilweise per Ad-hoc-Mitteilung über bevorstehende Sitzungen des Aufsichtsrats, nicht aber über das Ergebnis der Beschlussfassung, berichtet wurde, gab es 2019 jedenfalls im DAX keine derart frühen Ad-hoc-Mitteilungen. Vielmehr wurden die Ad-hoc-Mitteilungen entweder zum Zeitpunkt des Rücktrittsgesuchs des Vorstandsmitglieds oder aber mit dem Beschluss des Gesamtaufsichtsrats zur Bestellung des Vorstandsmitglieds veröffentlicht. Während im erstgenannten Fall ein Aufschub der Veröffentlichung nach der ESMA regelmäßig ausscheidet, spricht im letztgenannten Fall viel dafür, dass bereits zu einem früheren Zeitpunkt eine Insiderinformation angenommen und die Veröffentlichung zunächst aufgeschoben wurde.

Soweit Emittenten Ad-hoc-Mitteilungen zu sonstigen Themen veröffentlichten, betrafen diese wie im Vorjahr einen bunten Strauß an Themen die typischerweise kursrelevant sind wie z.B. Hinweise zu Aktienrückkaufprogrammen oder aber bedeutende Rechtsstreitigkeiten und Behördenverfahren. Die ad-hoc-rechtliche Bedeutung von Behördenverfahren dürfte in Zukunft noch weiter steigen, wenn das in der Diskussion befindliche "Verbandssanktionengesetz" kommen sollte.

Ausblick auf die Ad-hoc-Praxis in 2020

Im ersten Halbjahr 2020 Jahr steht die Veröffentlichung des finalen BaFin-Emittentenleitfadens an. Derzeit ist noch offen, ob die von der Praxis im Rahmen des Konsultationsverfahrens geäußerten Anregungen und Kritikpunkte (zumindest stellenweise) von der BaFin berücksichtigt werden. Angesichts des Stellenwerts der BaFin-Verwaltungspraxis sollten Emittenten diese Entwicklung laufend beobachten und ggf. ihre Ad-hoc-Praxis (und ggf. Compliance) entsprechend anpassen, um der Gefahr von Verstößen gegen die Marktmissbrauchsverordnung und der Verhängung hoher Bußgelder vorzubeugen.

Ferner findet 2020 – auf europäischer Ebene – die Konsultation der Marktmissbrauchsverordnung durch die Europäische Kommission statt. Die Kommission wird sich im Zuge dessen mit dem aus Sicht der Praxis begrüßenswerten Vorschlag der Securities and Markets Stakeholder Group (SMSG) befassen, künftig zwei Typen von Insiderinformationen vorzusehen und die Ad-hoc-Publizität vom Insiderhandelsverbot abzukoppeln. All diese Entwicklungen sollten beobachtet werden, da sie teilweise erhebliche Relevanz für die Ad-hoc-Praxis der Emittenten haben können.

GLADE MICHEL WIRTZ steht für einen Austausch zu diesen Themen jederzeit gern zur Verfügung. Insbesondere erläutern wir Ihnen gern die für die Praxis wesentlichen Neuerungen des neuen BaFin-Emittentenleitfadens, sobald dieser in der finalen Fassung veröffentlicht wird.

Der Blogbeitrag steht hier für Sie zum Download bereit: Auswertung der Ad-hoc-Mitteilungen von DAX-Unternehmen in 2019

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