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Das Gesetz zur Moder­nisierung des Personen­gesellschafts­rechts – ein erster Überblick

15. Februar 2022

In seiner Sitzung vom 24. Juni 2021 hat der Bundestag das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (kurz: MoPeG) verabschiedet. Hiermit ist die im Koalitionsvertrag vom 7. Februar 2018 geplante Reform des Personengesellschaftsrechts in rekordverdächtiger Zeit umgesetzt und bereits am 17. August 2021 im Bundesgesetzblatt verkündet worden. Das Gesetz bringt umfassende Änderungen des Personengesellschaftsrechts mit sich und wird zum 1. Januar 2024 in Kraft treten. 

Über das Reformvorhaben und seinen Fortschritt haben wir bereits in früheren Blogbeiträgen berichtet. In einer mit diesem Beitrag beginnenden Reihe von Blogbeiträgen sollen nunmehr einzelne wesentliche Rechtsänderungen durch das MoPeG dargestellt und deren Auswirkungen auf die Praxis bewertet werden. 

Dieser Blogbeitrag gibt einen Überblick über die Entstehungsgeschichte des MoPeG und fasst – als Ausblick auf die weiteren Beiträge der Blogserie – die wichtigsten Änderungen durch das MoPeG zusammen.

I. Entstehungsgeschichte des MoPeG

Anlass der Reform durch das MoPeG ist vorrangig die Kritik der Literatur an den zum Teil noch aus dem 19. Jahrhundert stammenden gesetzlichen Vorschriften über die Personengesellschaften, insbesondere im Hinblick auf die GbR. Denn nach und nach definierte die Rechtsprechung die GbR entgegen ihrer gesetzlichen Regelungen als eine nach außen im Rechtsverkehr aktiv auftretende Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit. 

Grundlegend ist in diesem Zusammenhang das Urteil des BGH in Sachen "ARGE/Weißes Ross" vom 29. Januar 2001 (Az.: II ZR 331/00), mit dem er die Rechtsfähigkeit sowie die aktive und passive Parteifähigkeit der Außen-GbR anerkannte und die persönliche Haftung der Gesellschafter auf § 128 HGB analog stützte. Diese fortgeschriebene Rechtsentwicklung führte dazu, dass sich das Recht der GbR immer mehr vom geschriebenen Recht entfernte.

Um das Personengesellschaftsrecht an die geltende Rechtsprechung und Vertragspraxis anzupassen und es zu modernisieren, beauftragte das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz eine Expertenkommission damit, einen Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des geschriebenen Rechts an die geltende Rechtsprechung und Vertragspraxis zu erarbeiten. Entstanden ist dabei der sog. Mauracher Entwurf, welcher als wesentliche Grundlage des MoPeG diente und schließlich lediglich mit vereinzelten Änderungen beschlossen worden ist.

II. Rechtsänderungen des MoPeG

In Bezug auf das Recht der GbR bringt das MoPeG grundlegende Änderungen mit sich. Sie sollen vor allem der Konsolidierung des Rechts der GbR mit den über die Jahre entwickelten Rechtsgrundsätzen zur GbR und der Behebung ihres Publizitätsdefizits dienen.

Zudem kam es vereinzelt auch zu Rechtsänderungen im Personengesellschaftsrecht insgesamt, wovon auch die Rechtsformen der oHG und der KG betroffen sind. Ziel der Reform ist insoweit vor allem die Gewährleistung von Rechtssicherheit bei Beschlussmängelstreitigkeiten und die Flexibilisierung der Haftungsverhältnisse für Angehörige freier Berufe.

Die wichtigsten Neuerungen durch das MoPeG lassen sich wie folgt überblicksartig zusammenfassen:

1. Wesentliche Änderungen des GbR-Rechts

  • Neu ist zunächst, dass das Gesetz künftig die Rechtsfähigkeit der GbR ausdrücklich anerkennt und zwischen der rechtsfähigen und der nicht rechtsfähigen GbR unterscheiden wird. Maßgeblich für die Rechtsfähigkeit der GbR wird sein, ob die Gesellschaft nach dem gemeinsamen Willen der Gesellschafter am Rechtsverkehr teilnehmen soll. Für diese beiden Arten der GbR werden unterschiedliche Regelungsregimes gelten.
  • Als zweite große Änderung im Hinblick auf die GbR bringt das MoPeG die Möglichkeit mit sich, die GbR in ein neu gegründetes Gesellschaftsregister eintragen zu lassen. Dabei steht den Gesellschaftern grundsätzlich ein Eintragungswahlrecht zu, welches sich unter Umständen zu einer Eintragungspflicht verdichten kann – etwa, wenn die GbR Rechte an Grundstücken oder Anteile an einer GmbH erwerben möchte.
  • Künftig wird die eingetragene GbR die Möglichkeit haben, an einer Umwandlung, etwa einer Verschmelzung, einer Spaltung oder einem Formwechsel, beteiligt zu sein, wodurch die Rechtsform der GbR insgesamt verkehrsfähiger wird.

2. Neuregelungen in Bezug auf die GbR, die oHG und die KG

  • In Bezug auf die Rechtsformen der GbR, der oHG und der KG werden die Ausscheidensgründe der Gesellschafter und die Auflösungsgründe der Gesellschaft neu gefasst. Dabei werden in Bezug auf die GbR einige Auflösungsgründe zu Ausscheidensgründen, sodass diese Neuregelung den Fokus von der Personenkontinuität auf die Verbandskontinuität der GbR verlagert.
  • Die eingetragene GbR, die oHG und die KG werden künftig die Möglichkeit der freien Sitzwahl haben. Hierdurch werden sie ihren Verwaltungssitz, unabhängig von ihrem Vertragssitz, ins Ausland zu verlegen können.

3. Gesetzesanpassungen mit Bezügen zum Prozessrecht

  • Rechtsformübergreifend wird für alle Personengesellschaften des BGB und des HGB die actio pro socio gesetzlich geregelt. Diese sog. Gesellschafterklage erlaubt es den Gesellschaftern, im eigenen Namen – statt als Vertreter der Gesellschaft – deren Ansprüche gerichtlich geltend zu machen. Dies ist vor allem relevant, wenn sich der geschäftsführende Gesellschafter weigert, auf Leistung an die Gesellschaft zu klagen.
  • Eine ebenfalls wesentliche Neuregelung ist die Einführung eines Beschlussmängelrechts für die Personenhandelsgesellschaften, d.h. die oHG und die KG. Diese Regelungen werden – angelehnt an das aktienrechtliche Beschlussmängelrecht – zwischen nichtigen und anfechtbaren Gesellschafterbeschlüssen unterscheiden. Letztere werden binnen einer Frist von drei Monaten gerichtlich anzugreifen sein.

4. Besondere Änderungen betreffend die KG – insbesondere die GmbH & Co. KG

  • Das Informationsrecht der Kommanditisten wird gestärkt. Künftig steht den Kommanditisten ein erweitertes Informationsrecht unter der Voraussetzung zu, dass die Auskunft zur Wahrnehmung ihrer Mitgliedschaftsrechte erforderlich ist.
  • Eine weitere Neuerung betrifft die Simultaninsolvenz, d.h. die gleichzeitige Insolvenz sowohl der KG als auch ihres persönlich haftenden Gesellschafters. Danach scheidet der einzige persönlich haftende Gesellschafter trotz seiner Insolvenz nicht aus der KG aus, wenn auch über das Vermögen der KG ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist oder zumindest eröffnet werden könnte. Diese Änderung soll insbesondere die Sanierung einer GmbH & Co. KG bei gleichzeitiger Insolvenz der KG und ihrer Komplementär-GmbH ermöglichen.
  • Die Einheits-GmbH & Co. KG wird mit § 170 Abs. 2 HGB n.F. erstmals ausdrücklich im Gesetz erwähnt und deren Willensbildung geregelt: Künftig werden die Rechte der Kommanditgesellschaft in der Gesellschafterversammlung der Komplementär-Kapitalgesellschaft nicht von der Komplementärin, sondern von den Kommanditisten wahrgenommen. 

5. Personenhandelsgesellschaften als künftige Rechtsform für Freiberufler

Die Gesellschaftsformen der oHG und der KG werden für den Rechtsstand der freien Berufe geöffnet. Voraussetzung für die Gründung einer solchen Freiberufler-Personenhandelsgesellschaft ist, dass die jeweiligen berufsrechtlichen Bestimmungen die Eintragung zulassen. Für die Praxis relevant wird insoweit vor allem die Möglichkeit der Gründung einer GmbH & Co. KG durch Angehörige freier Berufe.

III. Handlungsbedarf in der Praxis

Das MoPeG setzt eine große Menge von Regelungsmaterien umfassend, durchdacht und strukturiert um. Gleichwohl ist im Rahmen der Reform an anderen Stellen Regelungsbedarf nicht gesehen oder es ist bewusst auf entsprechende gesetzliche Vorschriften verzichtet worden, sodass die Neuerungen durch das MoPeG bereits jetzt zu erheblichem Handlungsbedarf in Bezug auf bestehende Gesellschaften führen:

  • Regelungslücken der Reform – zum Beispiel die Beschränkung des neu eingeführten Beschlussmängelrechts auf Personenhandelsgesellschaften – sollten durch bestehende Personengesellschaften identifiziert und ihre Gesellschaftsverträge entsprechend angepasst werden. So sollten GbR beispielsweise erwägen, dieses Beschlussmängelrecht auch auf ihre Beschlüsse für anwendbar zu erklären. Zudem begnügt sich das MoPeG im Hinblick auf die nicht rechtsfähige GbR mit Verweisen auf das Recht der rechtsfähigen GbR, sodass insoweit konkrete vertragliche Regelungen getroffen werden sollten.
  • Darüber hinaus sollte untersucht werden, ob in Bezug auf bestehende GbR eine Eintragung in das Gesellschaftsregister sinnvoll ist – diese wird sich etwa insbesondere für Familienpools und vermögensverwaltende GbR anbieten. Auch wird zu prüfen sein, ob eine faktische Eintragungspflicht besteht, weil die GbR etwa Grundstücke oder Anteile an einer GmbH erwerben möchte. Konkret muss auch überlegt werden, ob und wann eine Eintragung von GbR, welche bereits solche Rechte halten, erforderlich oder sinnvoll ist.
  • Zudem sollte bereits jetzt geprüft werden, ob es gegebenenfalls vorteilhaft wäre, wenn bestehende Gesellschaften nach Inkrafttreten des MoPeG in andere Gesellschaftsformen umgewandelt würden – insbesondere angesichts der neu eingeführten Umwandlungsfähigkeit der GbR und der Möglichkeit des Betriebes einer Freiberufler-Personenhandelsgesellschaft. Insoweit werden vor allem haftungsrechtliche Gesichtspunkte zu untersuchen sein. 
  • Unter anderem in steuer- und insolvenzrechtlicher Hinsicht sollte auch die neu geschaffene Möglichkeit der freien Sitzwahl konkret in den Blick genommen werden.

Auch bei Neugründungen von Gesellschaften sollten die neuen gesetzlichen Regelungen bereits jetzt beachtet und Gesellschaftsverträge diesen entsprechend gestaltet werden, um sicherzustellen, dass zum Inkrafttreten des MoPeGkeine weiteren Anpassungen erforderlich sein werden. Hierbei werden zudem die Freiberufler-Personenhandelsgesellschaft und – wohl häufiger als vor der Reform – auch die Rechtsform der GbR in Betracht kommen, sodass diese bei Neugründungen verstärkt in den Blick zu nehmen sein werden.

Der Blogbeitrag steht hier für Sie zum Download bereit: Das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts – ein erster Überblick

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Isabella Liermann-Koch

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