#GMW-Blog: Aktuelle Rechtsentwicklungen

Das Regime der virtuellen Hauptversammlung ab der Hauptversammlungssaison 2023

8. Juli 2022

Seit dem Frühjahr 2020 bildet das in Reaktion auf die COVID-19-Pandemie verabschiedete "Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohneigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie" (COVMG) die (vorläufige) Rechtsgrundlage für die Durchführung rein virtueller Hauptversammlungen. Aufgrund der überwiegend positiven Erfahrungen mit diesem Format hat der Gesetzgeber die virtuelle Hauptversammlung durch das "Gesetz zur Einführung virtueller Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften und zur Änderung weiterer Vorschriften" nunmehr dauerhaft im Aktiengesetz (AktG) verankert.

Dabei hat sich die konkrete Ausgestaltung der virtuellen Hauptversammlung nicht nur gegenüber dem Format unter dem Notregime des COVMG verändert. Auch die während des Gesetzgebungsverfahrens diskutierten Entwurfsfassungen unterscheiden sich zum Teil sogar konzeptionell. So enthielt der in den Bundestag eingebrachte Regierungsentwurf vom 27. April 2022 (BT-Drucks. 20/1738 vom 10. Mai 2022) gegenüber dem – von den Emittenten ganz überwiegend begrüßten – Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz aus Februar 2022 eine Vielzahl teils gravierender Änderungen, die davon geprägt waren, die Präsenzhauptversammlung quasi "eins zu eins" in die virtuelle Welt zu übertragen. Nach der nunmehr erfolgten Verabschiedung durch den Bundestag liegt die finale Gesetzesfassung vor, die auf der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses vom 6. Juli 2022 (BT-Drucks. 20/2653) beruht. Diese enthält wiederum einige zu begrüßende Änderungen und Klarstellungen, ohne dass sich allerdings die Hoffnungen der Emittenten erfüllt hätten, dass sich das zukünftige Hauptversammlungsregime wieder dem Konzept des Referentenentwurfs annähert. 

Gegenüber dem Regierungsentwurf sind insbesondere folgende Änderungen hervorzuheben:

  • Es bleibt dabei, dass – anders als nach dem Referentenentwurf – alle Anträge (und damit auch Gegenanträge) in der Hauptversammlung selbst gestellt werden können. Allerdings kann dies nur im Wege der Videokommunikationgeschehen, was auf eine Simulation der Präsenz-Hauptversammlung hinausläuft. 
  • Reichweite sowie Art und Weise der Beschränkung des (Nach-)Fragerechts wurden präzisiert. Sofern der Vorstand die Vorabeinreichung von Fragen zulässt, bleibt es jedoch dabei, dass die Antworten von der Gesellschaft vor der Versammlung beantwortet und die Antworten bei börsennotierten Gesellschaften auf der Internetseite der Gesellschaft veröffentlicht werden müssen.
  • Sofern die Ausübung des Rede- und Fragerechts – wie in der Präsenz-Hauptversammlung – nur in der Versammlung selbst erfolgen kann, ist die Einrichtung eines "virtuellen Meldetisches" erforderlich, was insbesondere bei großen Gesellschaften im Falle eines hohen Redneraufkommens mit technischen und auch rechtlichen Herausforderungen verbunden sein kann. 
  • Eine Vorabveröffentlichung des Vorstandsberichts oder dessen wesentlichen Inhalts muss nur dann erfolgen, wenn der Vorstand die Vorabeinreichung der Aktionärsfragen vorsieht. Die Veröffentlichung des Berichts ist somit keine zwingende Bedingung für die Abhaltung einer virtuellen Hauptversammlung.
  • Die Gesellschaft kann sich in der Einberufung vorbehalten, die Funktionsfähigkeit der Videokommunikation zwischen Aktionär und Gesellschaft in der Versammlung und vor dem Redebeitrag zu überprüfen und diesen zurückzuweisen, sofern die Funktionsfähigkeit nicht sichergestellt ist.

Vor diesem Hintergrund vergleicht die Synopse ausgewählte Regelungsaspekte von Referentenentwurf, Regierungsentwurf und finaler Gesetzesfassung und gibt erste Hinweise für die praktische Handhabung des neuen Regimes.

(Synopse durch Klick auf Abbildung aufrufbar)

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