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Referen­ten­ent­wurf zur Stär­kung der Finanz­markt­inte­grität

17. November 2020

Ende Oktober 2020 wurde ein erster Referentenentwurf für ein Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität veröffentlicht. Er zielt auf die dauerhafte Stärkung des Vertrauens in den deutschen Finanzmarkt ab und sieht – nicht unumstrittene – Gesetzesänderungen in den Bereichen Abschlussprüfungen, Corporate Governance von Unternehmen und der Bilanzkontrolle vor. In welchem Umfang diese Änderungen tatsächlich später beschlossen werden, ist derzeit allerdings noch nicht absehbar.

Hintergrund

Anfang Oktober 2020 haben das Bundesministerium der Finanzen (BMF) und das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) einen Aktionsplan zur Bekämpfung von Bilanzbetrug und zur Stärkung der Kontrolle über Kapital- und Finanzmärkte verabschiedet, um das Vertrauen in den Finanzplatz Deutschland und dessen Funktionsfähigkeit zu stärken. Ziel ist es, u.a. ein Gesetz auf den Weg zu bringen, welches das Bilanzkontrollverfahren grundlegend reformieren soll. Wenige Wochen später, am 26. Oktober 2020, veröffentlichten die beiden Ministerien dann einen ersten Referentenentwurf für ein Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (Finanzmarkintegritätsstärkungsgesetz – FISG).

Kern des Gesetzes ist insbesondere die Stärkung der Bilanzkontrolle und der Abschlussprüfung, um die Richtigkeit der Rechnungslegung von Unternehmen sicherzustellen. Dazu sollen u.a. die bereits bestehenden Regeln der Abschlussprüfung verschärft und die Aufsichtsstrukturen der BaFin verbessert werden. Daneben befasst sich der Referentenentwurf mit weiteren angrenzenden Rechtsgebieten wie beispielsweise dem Gesellschaftsrecht, um die Corporate Governance der zu prüfenden Gesellschaften zu verbessern.

In diesem Beitrag geben wir einen kurzen Überblick über die wesentlichen Regelungen des FISG in der Fassung des RefE vom 26. Oktober 2020.

Ausgewählte Aspekte des FISG

Das FISG sieht für verschiedene Gesetze inhaltliche Änderungen vor. Der Schwerpunkt der Neuerungen liegt in den Bereichen der Abschlussprüfungen, der Corporate Governance und der Bilanzkontrolle.

Regelungsbereich Abschlussprüfungen

Im Bereich der Abschlussprüfungen sind insbesondere die Verschärfung der Rotationspflicht, die Trennung von Prüfungs- und Beratungsleistungen sowie die Verschärfung der zivilrechtlichen Haftung des Abschlussprüfers gegenüber dem geprüften Unternehmen vorgesehen. Im Einzelnen:

  • Begrenzung der Höchstlaufzeit von Prüfmandaten auf zehn Jahre für Unternehmen von öffentlichem Interesse, vgl. § 316a Satz 2 HGB-E (Unternehmen von öffentlichem Interesse in diesem Sinne sind (i) Unternehmen, die kapitalmarktorientiert i.S.d. § 264d HGB sind, (ii) CRR-Kreditinstitute i.S.d. § 1 Abs. 3d Satz 1 KWG und (iii) Versicherungsunternehmen)
  • Steuerberatungs- und Bewertungsleistungen dürfen vom Abschlussprüfer nicht mehr neben der Abschlussprüfung erbracht werden (vgl. die ersatzlose Streichung von § 319a HGB)
    Die ersten beiden Punkte sollen ausweislich der Gesetzesbegründung "die Unabhängigkeit der Abschlussprüfer" stärken, vgl. RefE v. 26.10.2020 S. 54.
  • Unbegrenzte zivilrechtliche Haftung des Abschlussprüfers schon bei grober Fahrlässigkeit (statt nur bei Vorsatz) sowie Anhebung der Haftungsgrenze bei einfacher Fahrlässigkeit von vier auf 20 Mio. Euro pro Prüfung (vgl. § 323 Abs. 2 HGB-E)
    Diese Neuregelung soll laut Gesetzesbegründung "die Qualität der Abschlussprüfung fördern", indem "notwendige Anreize zu einer sorgfältigen und gewissenhaften Prüfung der Rechnungslegungsunterlagen" gesetzt werden, vgl. RefE v. 26.10.2020 S. 1 und 55.
  • Verschärfung des Strafmaßes für Bilanzfälschung, falschen Bilanzeid und die Ausstellung eines falschen Bestätigungsvermerks (vgl. §§ 331 ff. HGB-E) sowie Erweiterung der Bußgeldvorschriften in § 334 HGB
    Nach der Gesetzesbegründung soll durch die Anpassungen im Bilanzstrafrecht "eine ausreichend abschreckende Ahndung" der Unternehmensverantwortlichen und der Abschlussprüfer ermöglicht werden, vgl. RefE v. 26.10.2020 S. 55.

Regelungsbereich Corporate Governance

Im Zusammenhang mit der Corporate Governance der zu prüfenden Unternehmen steht die Stärkung der unternehmensinternen Prüfverfahren sowie der Kontroll- und Überwachungsprozesse im Fokus. Folgende Regelungen sind konkret vorgesehen:

  • Verpflichtung zur Einrichtung eines im Hinblick auf den Umfang der Geschäftstätigkeit und die Risikolage des Unternehmens angemessenen und wirksamen internen Kontrollsystems und Risikomanagementsystems für börsennotierte Unternehmen (vgl. § 93 Abs. 1a AktG-E)
  • Zwingende Einrichtung eines Prüfungsausschusses zur Überwachung der Unabhängigkeit und Qualität der Abschlussprüfung für Unternehmen von öffentlichem Interesse im Sinne von § 316 Satz 2 HGB-E sowie Beurteilung der Qualität der Abschlussprüfung als neuer Pflichtauftrag des Prüfungsausschusses (§ 107 Abs. 3 S. 3 und Abs. 4 AktG-E)
  • Auskunftsrecht des Prüfungsausschusses gegenüber dem Leiter der internen Kontrolle, dem Leiter des Risikomanagements und dem Leiter der Internen Revision (§ 107 Abs. 4 AktG-E bzw. § 34 Abs. 5 SE-Ausführungsgesetz)
    "Mit dieser Regelung, die sich ausdrücklich auf Gesellschaften mit verpflichtendem Prüfungsausschuss beschränkt, ist indes keine Abkehr von der Grundentscheidung des Aktiengesetzes (vergleiche § 90 Absatz 1 AktG) verbunden, dass der Vorstand grundsätzlich der richtige Adressat für ein Auskunftsverlangen des Aufsichtsrates ist", vgl. RefE v. 26.10.2020 S. 117. Die Regelung hat demnach Ausnahmecharakter wie zum Beispiel auch § 25d Abs. 8 Satz 7 KWG für Kreditinstitute.
  • Im Aufsichtsrat und im Prüfungsausschuss muss mindestens ein Mitglied über Sachverstand auf dem Gebiet der Rechnungslegung und mindestens ein Mitglied auf dem Gebiet der Abschlussprüfung verfügen (vgl. § 107 Abs. 4 Satz 2 AktG-E in Verbindung mit § 100 Abs. 5 AktG). Die Sachkunde kann auch kumulativ durch ein Mitglied vorhanden sein
    Die neu einzuführenden Pflichten sollen laut der Gesetzesbegründung dazu führen, dass "die unternehmensinternen Kontrollsysteme gestärkt und die Verantwortungsstrukturen verbessert" werden, vgl. RefE v. 26.10.2020 S. 55.

Sonstige Regelungsbereiche

Bezüglich der sonstigen Regelungsbereiche sind insbesondere die Vorschläge für die Bilanzkontrolle zu erwähnen, die nachfolgend zusammengefasst werden:

  • Zuständigkeit der BaFin für Anlassprüfungen sowie Erweiterung ihrer Kompetenzen, z.B. Auskunfts- und Ladungsrechte sowie Durchsuchungs- und Beschlagnahmerechte, darüber hinaus auch das Recht zum Naming and Shaming (vgl. § 107 WpHG-E)
    Hintergrund dieser Regelungen ist ausweislich der Gesetzesbegründung, dass "der BaFin die Kontrolle über das Prüfungsgeschehen" ermöglicht wird. Das Gesetz stelle sicher, "dass in allen Prüfungsphasen hoheitliche Mittel zur Verfügung stehen. So werden Bilanzkontrollen insgesamt schneller, transparenter und effektiver", vgl. RefE v. 26.10.2020 S. 1.
  • Eine Prüfstelle kann für Stichprobenprüfungen eingesetzt werden, hat aber künftig mehr Pflichten gegenüber der BaFin (§§ 107a Abs. 3 und 4, 108 WpHG-E)
  • BaFin soll künftig Verfahren der Prüfstelle an sich ziehen können (§ 108 Abs. 4 WpHG-E)
  • Unrichtige Auskunftserteilung gegenüber der Prüfstelle kann Geldbuße in Höhe von bis zu EUR 100.000 nach sich ziehen (§ 120 Abs. 2 Nr.  14a und Abs. 24 WpHG-E)

Fazit und Ausblick

Der von BMF und BMJV vorgelegte Referentenentwurf zum FISG bringt erhebliche Änderungen im Bereich der Abschlussprüfungen mit sich. Davon sind in erster Linie die Wirtschaftsprüfer betroffen. Im Rahmen der Konsultationsphase, die vor wenigen Tagen endete, wurde seitens der Wirtschaftsprüferkammer und vom Institut für Wirtschaftsprüfer erhebliche Kritik an den Vorschlägen geäußert. Die Regelungen seien zu weitgehend und würden letztlich dem Finanzplatz Deutschland Schaden zufügen. Insbesondere die Verschärfung der Haftung der Wirtschaftsprüfer (Erhöhung der Haftungsgrenze, Haftung bei grober Fahrlässigkeit etc.) sei unangemessen. Sie wirke sich zulasten der kleinen und mittelständigen Wirtschaftsprüfer aus und verstärke das derzeit bestehende Oligopol.

Grundsätzlich positiv bewertet werden hingegen die Regelungen zur Stärkung der Corporate Governance (Errichtung eines internen Kontroll- und Risikomanagementsystems, verpflichtende Errichtung eines Prüfungsausschusses im Aufsichtsrat zur Überwachung der Unabhängigkeit und Qualität der Abschlussprüfung usw.), die allerdings die zu prüfenden Gesellschaften und nicht die Wirtschaftsprüfer treffen.

Es bleibt abzuwarten, wie auf Gesetzgebungsebene mit der Kritik der Wirtschaftsprüferverbände umgegangen und welche Änderungen und Anpassungen das Gesetz letztlich noch erfahren wird. Ohnehin werden die Gesetzesänderungen des FISG aufgrund von Übergangsvorschriften frühestens ab 2022 gelten.

Der Blogbeitrag steht hier für Sie zum Download bereit: Referentenentwurf zur Stärkung der Finanzmarktintegrität

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