Gesetzentwurf zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts vorgelegt

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Gesetz­entwurf zur Mo­der­ni­sierung des Per­sonen­gesell­schafts­rechts vor­gelegt

15. Mai 2020

Am 20. April 2020 hat die von dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) eingesetzte Expertenkommission einen Gesetzentwurf zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts vorgelegt.

Ziel der Expertenkommission ist es, wie es das BMJV selbst formuliert, "das Teils noch aus dem 19. Jahrhundert stammende Personengesellschaftsrecht den Anforderungen an ein modernes Wirtschaftsleben anzupassen". Dies erscheint mehr als notwendig, zumal mit der Anerkennung der Rechtsfähigkeit der GbR geradezu ein grundlegender Systemwechsel vollzogen wurde, ohne dass die gesetzlichen Regelungen entsprechend angepasst wurden.

Vor diesem Hintergrund sind vor allem in der jüngeren Vergangenheit vielfach Spannun-gen zwischen dem geschriebenen Gesetzesrecht und der Rechtsanwendung in Rechtsprechung und Vertragsgestaltung aufgetreten. Dies führte freilich zu – vor allem aus Mandantensicht mehr als unbefriedigenden – Rechtsunsicherheiten, die nunmehr hoffentlich mit der angestrebten Reform jedenfalls teilweise beseitigt werden.

Auch wenn der Gesetzentwurf mit Sicherheit noch eine Vielzahl von Änderungen und Ergänzungen erfahren wird, sind bereits zu diesem Zeitpunkt Schwerpunkte erkennbar. Hierrüber möchten wir nachstehend einen allerersten Überblick geben:

1. Anpassung des Rechts der GbR

Wie bereits eingehend erwähnt, hat vor allem das Recht der GbR in der jüngeren Vergangenheit einen ganz grundsätzlichen Systemwechsel vollzogen. Mit seiner "Jahrhundert-Entscheidung" hat der zweite Zivilsenat des Bundesgerichtshofs im Jahr 2001 die Rechtsfähigkeit der GbR anerkannt und hiermit das bis dahin gelebte Gesamthandsprinzip über Bord geworfen. 

Ein derart grundsätzlicher Systemwechsel führte selbstredend zu vielfältigen Folgefragen, die nunmehr auch von Seiten des Gesetzgebers grundlegend angegangen werden. Es verwundert insofern nicht, dass die Modernisierung des Rechts der GbR den Schwerpunkt des Entwurfs bildet. So soll mit der Reform ganz grundsätzlich das "gesetzliche Leitbild der GbR" von einer "nicht rechtsfähigen Gelegenheitsgesellschaft auf eine rechtlich verselbstständigte und auf gewisse Dauer angelegte Gesellschaft umgestellt" werden. Die GbR wird hierdurch zugleich Grundform aller rechtsfähigen Personengesellschaften wie der OHG, der KG und der PartGG. 

Diesem Systemwechsel wird in dem Entwurf zuvorderst dadurch Rechnung getragen, dass die GbR und ihre Legitimation im Rechtsverkehr durch ein – zurecht vielfach gefordertes – Register gestärkt wird. In dem geplanten GbR-Register sollen insbesondere Name und Sitz der GbR, Identität der Gesellschafter und Vertretungsregelung einer nach Außen auftretenden GbR publiziert werden.

Zwar soll die Registrierung ausweislich des Entwurfes zunächst freiwillig bleiben, diese Freiwilligkeit wird jedoch dort eingeschränkt, wo eine GbR bestimmte Rechtsvorgänge, wie insbesondere den Erwerb von Grundstücken, vornehmen möchte. Zudem ist die Registrierung einer GbR zugleich Voraussetzung für die ebenfalls im Gesetzesentwurf neu vorgesehene Umwandlungsfähigkeit der GbR. Somit kann auch eine GbR zukünftig an Verschmelzungen, Spaltungen und Formwechseln beteiligt werden.

Das im Wesentlichen durch die Anerkennung der Rechtsfähigkeit der GbR durch die Rechtsprechung geschaffene Haftungsregime bleibt indes – soweit auf dem ersten Blick ersichtlich – unverändert. Somit haften die Gesellschafter einer GbR weiterhin unmittelbar, persönlich und unbeschränkt für Verbindlichkeiten der GbR. Eine Beschränkung dieser Gesellschafterhaftung ist im Kommissionsentwurf nicht vorgesehen.

2. Anpassungen im allgemeinen Personengesellschaftsrecht

Der Grundsatz der Gestaltungsfreiheit von Gesellschaftsverträgen wird im Bereich der Personengesellschaften zukünftig bestehen bleiben. Die Gesellschafter bleiben insbesondere im Verhältnis untereinander frei, verschiedenartige Vereinbarungen zu treffen. Freilich ist insbesondere mit Blick auf bestehende Gesellschaftsverträge zu prüfen, inwiefern durch die Gesetzesreform etwaige Anpassungen erforderlich werden.

Auch die im Personengesellschaftsrecht für die Trennung zwischen GbR und gewerblichen Personenhandelsgesellschaften (OHG und KG) maßgebende Orientierung am Kaufmannsbegriff bleibt erhalten. Der Gesetzesentwurf sieht hier allerdings vor, dass zukünftig auch Freiberufler eine Personenhandelsgesellschaft und damit vor allem auch die Rechtsform einer GmbH & Co. KG wählen können. 

Vorgesehen ist überdies, dass eine nach deutschen Recht gegründete Personengesellschaft einen Sitz außerhalb Deutschlands wählen und somit ihre Geschäftstätigkeit außerhalb des Hoheitsgebiets der Bundesrepublik Deutschland entfalten kann, ohne auf die bestehende Rechtsform verzichten zu müssen. Hier erfolgt also eine Anpassung an die bestehenden kapitalgesellschaftsrechtlichen Möglichkeiten. 

3. Beschlussmängelrecht

Besonders begrüßenswert ist aus hiesiger Sicht die angestrebte Reform des Beschlussmängelrechts. Soweit der Entwurf erkennen lässt, wird das Beschlussmängelrecht an das im Kapitalgesellschaftsrecht erprobte Anfechtungsregime angeglichen. 

Dies hat zunächst Auswirkung auf die Wirksamkeit angegriffener Gesellschafterbeschlüsse während eines laufenden Beschlussmängelstreits. Während bislang bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung Unsicherheiten bzgl. der Wirksamkeit eines Beschlusses bestanden, wird zukünftig die Wirksamkeit bis zum Erlass eines rechtskräftigen Anfechtungsurteils feststehen. Einzig in "schweren" Fällen wird es nach dem Entwurf weiterhin bei der Nichtigkeit eines Beschlusses bleiben. 

Zu erwarten ist zudem eine Vereinfachung des personengesellschaftsrechtlichen Beschlussmängelstreits durch die Einführung der Passivlegitimation der Gesellschaft. Ohne eine – sehr zu empfehlende – Abweichung im Gesellschaftsvertrag ist ein Beschlussmängelstreit im Personengesellschaftsrecht bislang nicht gegen die Gesellschaft, sondern gegen die Mitgesellschafter zu führen. Die regelmäßig hierbei auftretenden prozessualen Komplikationen und prozessökonomischen Nachteile werden somit ausgeschlossen.

4. Ausblick

Der vorgelegte Gesetzesentwurf ist bereits allein aufgrund des immensen Anpassungsbedarfs an die durch die Rechtsprechung herbeigeführten Systemänderungen zu begrüßen. Es bleibt selbstredend abzuwarten, welche Änderungen, Anpassungen und Ergänzungen der Entwurf noch erfahren wird. 

GLADE MICHEL WIRTZ wird Sie an dieser Stelle fortlaufend über die weitere Entwicklung sowie den derzeitigen Stand der Diskussion informieren. Gerne stehen wir auch für einen Austausch zu diesem Thema jederzeit zur Verfügung.

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Q&As im Zusammenhang mit dem deutschen Kartellrecht (EN)

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Q&As im Zusammenhang mit dem deutschen Kartellrecht (EN)

Welche wesentlichen Schritte erfolgen regelmäßig im Rahmen einer Kartelluntersuchung? Wie läuft das kartellrechtliche Kronzeugenprogramm ab? Diese und weitere Fragen beantworten unsere Kartellrechtspartner Dr. Markus Wirtz und Dr. Christian Karbaum im jüngst erschienenen internationalen Legal500 "Cartels Country Comparative Guide", der einen aktuellen Überblick über das Kartellrecht in Deutschland gibt.

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Update Verbandssanktionenrecht – Veröffentlichung des Referentenentwurfs

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Update Verbands­sanktionen­recht – Ver­öffent­lichung des Referen­ten­entwurfs

7. Mai 2020

Am 22. April 2020 hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz ("BMJV") den Referentenentwurf für ein Verbandssanktionengesetz ("VerSanG") veröffentlicht.

Mit dem Gesetzesvorhaben wird auf der Basis des Koalitionsvertrags das Ziel verfolgt, durch Schaffung eines neuen Gesetzes – des VerSanG – die Sanktionierung von Verbänden wegen aus der Organisation heraus begangener, verbandsbezogener Straftaten auf eine eigenständige gesetzliche Grundlage zu stellen, die Verfolgung dem Legalitätsprinzip zu unterstellen und ein eigenständiges Sanktionsinstrumentarium zu etablieren, um eine gegenüber dem heutigen Status Quo weitergehende Ahndung der Verbände zu ermöglichen. Zugleich sollen Compliance-Maßnahmen gefördert und wirksame Anreize geschaffen werden, damit Verbände mittels verbandsinterner Untersuchungen wesentlich zur Aufklärung von verbandsbezogenen Straftaten beitragen.

Nachstehend möchten wir ergänzend zu unseren am 26. Februar 2020 bei LinkedIn veröffentlichten Beitrag, in dem wir uns mit den Regelungsvorschlägen des BMJV bereits näher auseinandergesetzt haben, einen kurzen Überblick zum aktuellen Stand des Gesetzesvorhabens geben.

Beibehaltung des grundsätzlichen Regelungsansatzes

Festzustellen ist zunächst, dass das BMJV in dem nun veröffentlichten Referentenentwurf ("Referentenentwurf 2020") die in der bereits viel diskutierten, inoffiziellen Entwurfsfassung vom 15. August 2019 ("Inoffizieller Referentenentwurf 2019") eingeschlagene Linie grundsätzlich beibehält. Gleichzeitig zeigt der Referentenentwurf 2020 aber auch, dass beim BMJV Hinweise und Bedenken aus der Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Wissenschaft und Praxis nicht vollkommen ungehört verhallt sind. Allerdings sind die vorgenommenen Änderungen, jedenfalls aus der Sicht von Unternehmen, eher punktueller Natur. 

Punktuelle Modifikationen

Der Referentenentwurf 2020 weist insbesondere in den folgenden Punkten Änderungen bzw. Anpassungen gegenüber dem Inoffiziellen Referentenentwurf 2019 auf:

1.   Keine Anwendbarkeit auf nichtwirtschaftliche Verbände

Zunächst sollen die Regelungen des VerSanG nunmehr ausschließlich auf wirtschaftliche Verbände bezogen werden. Für andere Verbände soll es bei der bisherigen Regelung des § 30 OWiG und damit der Geltung des Opportunitätsprinzips bleiben. Die erforderliche Abgrenzung soll sich nach den Grundsätzen richten, die für die Abgrenzung zwischen ideellen und wirtschaftlichen Vereinen gelten. Es entstünden damit unterschiedliche Zuständigkeiten: Für nichtwirtschaftliche Verbände soll es auch bei Vorliegen einer verbandsbezogenen Straftat bei dem bereits heute geltenden Regelungsregime bleiben, d.h. in Betracht käme der Erlass eines ordnungswidrigkeitenrechtlichen Bußgeldbescheides durch die Staatsanwaltschaft bzw. die Verfolgungsbehörde. Erst bei Einspruchseinlegung wäre eine gerichtliche Zuständigkeit begründet. Bei wirtschaftlichen Verbänden, also Unternehmen, wäre dagegen im Anwendungsbereich des VerSanG von der Staatsanwaltschaft bzw. der Verfolgungsbehörde öffentliche Anklage vor dem zuständigen Gericht (Schöffengericht; Strafkammer) zu erheben, welches dann nach Maßgabe des VerSanG und den Verfahrensregeln der StPO und des GVG über die Verhängung sowie Art und Höhe einer Verbandssanktion entscheiden würde.

2.   Punktuelle Konkretisierung von Anforderungen an das Compliance-Management (nur) in der Gesetzesbegründung

Bezüglich der Ausgestaltung des Compliance-Managements lässt der Referentenentwurf 2020 weiter offen, was von Unternehmen konkret zu tun ist, um bei Mitarbeiterkriminalität eine Verbandsverantwortlichkeit nach dem VerSanG möglichst auszuschließen. Allerdings wird nunmehr in der Gesetzesbegründung zu § 3 VerSanG über den im Inoffiziellen Referentenentwurf 2019 verfolgten Ansatz hinaus deutlich, dass nicht nur bei kleinen, sondern auch bei mittleren Unternehmen mit geringem Risiko von Rechtsverletzungen wenige einfache Vorkehrungsmaßnahmen ausreichend sein können und dass bei solchen Unternehmen der "Zukauf" eines Compliance-Programms oder von Zertifizierungen insoweit "regelmäßig nicht erforderlich" sei. Auch findet sich in der Gesetzesbegründung zu § 3 VerSanG nun die – banale, aber gleichwohl wichtige – Aussage, dass ein "lückenloser" Schutz gegen Straftaten nicht zu gewährleisten sein wird.

3.   Streichung der Verbandsauflösung als Sanktionsinstrument

Im Hinblick auf die Sanktionierungsinstrumente ist im Referentenentwurf 2020 nunmehr, was erwartet worden war, von der Möglichkeit zur Auflösung von Verbänden als Ultima Ratio abgesehen worden. Die Instrumente der Verbandssanktionierung im engeren Sinne sollen sich damit auf die Verbandsgeldsanktion und die Verwarnung mit Verbandsgeldsanktionsvorbehalt beschränken. Die Verbandsgeldsanktion soll für Unternehmen mit einem durchschnittlichen (Konzern-)Jahresumsatz von mehr als EUR 100 Mio. weiter umsatzabhängig bemessen werden und bis zu 10 % des durchschnittlichen Jahresumsatzes der letzten drei Geschäftsjahre, die der Verurteilung vorausgehen, betragen können.

4.   Punktuelle Konkretisierung der Voraussetzungen und Rechtsfolgen "guter" verbandsinterner Untersuchungen

Der Referentenentwurf 2020 formuliert in § 17 Abs. 1 VerSanG weiter strenge Anforderungen an verbandsinterne Untersuchungen, die erfüllt sein müssen, damit ein Verband in den Genuss einer "vertypten" Sanktionsmilderung gemäß § 18 VerSanG kommen kann, u.a. das Erfordernis einer Trennung zwischen verbandsinterner Untersuchung und Verteidigung. Im Referentenentwurf 2020 nicht mehr vorgesehen ist indes das Erfordernis, dass "die verbandsinterne Untersuchung in Übereinstimmung mit den geltenden Gesetzen durchgeführt" wird. Diese im Inoffiziellen Referentenentwurf 2019 noch vorgesehene Voraussetzung wurde nahezu allgemein mit Sorge betrachtet, da hiernach insbesondere auch geringfügige Gesetzesverletzungen, etwa im Bereich des Datenschutzrechts, geeignet gewesen wären, einer "vertypten" Milderung entgegenzustehen. Das BMJV hat dieses Erfordernis daher im Referentenentwurf 2020 gestrichen. Es hat jedoch gleichzeitig in der Begründung zu § 17 Abs. 1 VerSanG klargestellt, dass es für eine sanktionsmildernde Berücksichtigung von verbandsinternen Untersuchungen "selbstverständlich" sei, dass diese in Übereinstimmung mit den geltenden Gesetzen durchgeführt werde. Sofern bei Durchführung einer verbandsinternen Untersuchung die gesetzlichen Anforderungen erfüllt werden, "soll" nach § 17 Abs. 1 VerSanG das Gericht eine Verbandssanktion mildern. Bei solchen "guten" verbandsinternen Untersuchungen wäre das Gericht also – anders noch als beim Inoffiziellen Referentenentwurf 2019, der insoweit lediglich eine "Kann"-Vorschrift vorsah – in dem Ermessen, ob die Sanktion nach Maßgabe der §§ 17, 18 VerSanG gemildert wird, gebunden. Andererseits gibt die Regelung den Gerichten genügend Raum, um bei verbandsinternen Untersuchungen, die zwar den Vorgabenkatalog des § 17 Abs. 1 VerSanG einhalten, aber im Übrigen geltende Rechtsprinzipien verletzten, eine Privilegierung nach Maßgabe der §§ 17, 18 VerSanG zu versagen. Ausdrücklich ausgeschlossen soll eine Milderung nach § 17 Abs. 3 S. 2 VerSanG nunmehr sein, wenn Ergebnisse der verbandsinternen Untersuchung erst nach Eröffnung des Hauptverfahrens offenbart werden.

5.   Aufweichung der "gesetzgeberischen Tons"

Die Bezeichnung des Artikelgesetzes, in welches das VerSanG eingebettet ist, soll nunmehr "Gesetz zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft" lauten, womit anstatt der Sanktionswirkung wohl der Präventionsgedanke des Gesetzes stärker zum Ausdruck gebracht werden soll. Zunächst war als Bezeichnung "Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität" angedacht, was jedoch Kritik hervorgerufen hatte. Zudem ist in Bezug auf die Anknüpfungstat terminologisch nicht mehr von der "Verbandsstraftat", sondern lediglich noch von der "Verbandstat" die Rede. Die Bezeichnung des Stammgesetzes als "Verbandssanktionengesetz" soll dagegen bestehen bleiben.

III. Weiterer Gang des Gesetzgebungsvorhabens

Die vom BMJV noch vorgenommenen Anpassungen ändern nichts daran, dass weiter ein strenges Verbandssanktionenrecht zur politischen Diskussion steht. Einer Umsetzung des Gesetzesvorhabens stehen nach Auffassung des BMJV die absehbar noch weiter bevorstehenden wirtschaftlich schweren Zeiten nicht entgegen. Das BMJV hat von ausgewählten Verbänden bis Mitte Juni 2020 eine Stellungnahme erbeten und signalisiert, dass auf ministerielles Interesse insbesondere Stellungnahmen 

- zur vorgesehenen Begrenzung des Anwendungsbereichs auf wirtschaftliche Verbände,

- zur im Rahmen des § 17 VerSanG vorgesehenen zwingenden Trennung von verbandsinternen Untersuchungen und Verteidigung

- zum Instrument der öffentlichen Bekanntmachung bestimmter Verbandsanktionierungen (sog. Naming & Shaming)

stoßen werden.

Es steht zu erwarten, dass nach Ablauf der Stellungnahmefrist zügig die Abstimmung innerhalb der Bundesregierung gesucht werden wird, damit sodann möglichst zeitnah auch der formale Gesetzgebungsprozess angestoßen werden kann.

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BaFin nimmt Anregungen aus der Praxis auf

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BaFin nimmt Anregungen aus der Praxis auf

4. Mai 2020

Am 23. April 2020 hat die BaFin das finale Modul C des Emittentenleitfadens veröffentlicht. In ihm ist unter anderem die Verwaltungspraxis zu den Themen Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität zusammengefasst. Andreas Merkner und Marco Sustmann haben sich die wesentlichen Neuerungen im Vergleich zu der Konsultationsfassung aus Juli 2019 angesehen und die Erkenntnisse in einem Artikel der Börsen-Zeitung zusammengefasst. 

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Der Referentenentwurf für ein Verbandssanktionenrecht: 7 Thesen aus dem Blickwinkel des Gesellschaftsrechts

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Der Referenten­entwurf für ein Verbands­­sanktionen­­recht: 7 Thesen aus dem Blick­­winkel des Gesell­­schaftsrechts

26. Februar 2020

Bekanntlich hat im August 2019 das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) einen Referentenentwurf für ein "Gesetz zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität" inhaltlich der Öffentlichkeit vorgestellt. Dieser aufgrund der Vorgaben des Koalitionsvertrags von CDU, CSU und SPD vom 12. März 2018 zu erwartende Vorstoß hat ein erhebliches Echo in Medien sowie der interessierten Fachöffentlichkeit ausgelöst, obgleich der Text des Referentenentwurfs seitens des BMJV nicht offiziell veröffentlicht wurde.

Kern des (inoffiziellen) Referentenentwurfs ist die Schaffung eines eigenständigen Verbandssanktionengesetzes (VerSanG) mit scharfen Sanktionsandrohungen gegenüber solchen Rechtsträgern, die – nach dem Maßstab der Regelungen des Entwurfs – für Verbandsstraftaten ihrer Leitungs- oder Nichtleitungspersonen verantwortlich sind. Verbandsstraftaten, und damit taugliche Anknüpfungstaten, sind nach dem Referentenentwurf solche Straftaten, durch die – wie es abstrakt heißt – "Pflichten, die den Verband treffen, verletzt worden sind oder durch die der Verband bereichert worden ist oder werden sollte". Dies können damit verschiedenste Delikte wie etwa Betrugs- oder Bestechungstatbestände, Umweltdelikte oder Steuerstraftaten sein.

Betroffen vom Regelungsanliegen des Referentenentwurfs sind alle gängigen Organisationsformen für Unternehmen und Non-Profit-Organisationen, insbesondere die AG, KGaA, SE, GmbH, eG, Verein, Stiftung, KG, OHG sowie die Außen-GbR. Ein offizieller Gesetzesentwurf der Bundesregierung liegt zwar bislang nicht vor. Nichtsdestotrotz ist ausgehend von den Inhalten des Referentenentwurfs ein strenges Verbandssanktionenrecht zu erwarten.

In diesem Beitrag formulieren wir zu dem Gesetzgebungsvorhaben sieben Thesen aus dem Blickwinkel des Gesellschaftsrechts. Vorab skizzieren wir hierzu einige zentrale Eckpunkte des Referentenentwurfs.

I. ECKPUNKTE DES REFERENTENENTWURFS

1. Strenge Maßstäbe der Verbandsverantwortlichkeit

Dreh- und Angelpunkt eines jeden "Verbandssanktionengesetzes" ist der Maßstab, nach dem ein Rechtsträger für aus der Organisation heraus begangene Straftaten zur Verantwortung gezogen werden kann. Im Referentenentwurf wird die Verantwortlichkeit des Verbands für Verbandsstraftaten grundsätzlich in Anlehnung an §§ 30, 130 OWiG geregelt, im Detail jedoch strenger ausgestaltet.

So soll die Begehung einer Verbandsstraftat durch eine Nichtleitungsperson die Verantwortlichkeit des Verbands bereits dann begründen, wenn die Person in Wahrnehmung der Angelegenheiten des Verbands gehandelt hat und Leitungspersonen des Verbands – rein objektiv betrachtet – die Straftat durch "angemessene Vorkehrungen zur Vermeidung von Verbandsstraftaten" hätten verhindern oder wesentlich erschweren können. Positiv gewendet: Sind im Zeitpunkt der Begehung der Verbandsstraftat "angemessene Vorkehrungen zur Vermeidung von Verbandsstraftaten" implementiert, führt dies im Fall der Begehung einer Verbandsstraftat durch eine Nichtleitungsperson zur Durchbrechung des Zurechnungszusammenhangs zum Verband, der dann nicht verantwortlich ist. 

Als taugliche Vorkehrungen werden im Referentenentwurf die Begriffe "Organisation", "Auswahl", "Anleitung" und "Aufsicht" genannt. Konkrete Maßstäbe, was genau die Entwurfsverfasser unter "Vorkehrungen" verstehen und wann diese "angemessen" sein sollen, finden sich im Referentenentwurf allerdings nicht. 

Keine Exkulpationsmöglichkeit soll für den Verband generell dann bestehen, wenn eine Leitungsperson selbst eine Verbandsstraftat begeht. Außer bei Vorliegen einer "Exzesstat" soll in diesem Fall der Verband automatisch verantwortlich i.S.d. Referentenentwurfs sein.

2. Scharfe Verbandssanktionsandrohungen

Auf der Rechtsfolgenseite sind für den Fall der Verbandsverantwortlichkeit drei Sanktionsarten vorgesehen: Die Verbandsgeldsanktion, die Verwarnung mit Verbandsgeldsanktionsvorbehalt sowie – als Ultima Ratio – die Verbandsauflösung. 

Die Verbandsgeldsanktion soll für solche Unternehmen, die einen weltweiten durchschnittlichen Gruppenumsatz von mehr als EUR 100 Mio. in den letzten drei Geschäftsjahren vor Verurteilung aufweisen, umsatzbezogen ausgestaltet sein und im Höchstmaß bis zu 10 % des weltweiten durchschnittlichen Gruppenumsatzes betragen können. Für kleinere Unternehmen soll sich die Verbandsgeldsanktion auf bis zu EUR 10 Mio. belaufen können. Unter bestimmten Voraussetzungen soll anstatt der Verhängung einer Verbandsgeldsanktion auch eine bloße Verwarnung mit Verbandssanktionsvorbehalt in Betracht kommen, die allerdings mit bestimmten Auflagen oder Weisungen, auch hinsichtlich der Ausgestaltung des Compliance-Management-Systems (CMS), verbunden werden kann.

Im Raum steht nach dem Referentenentwurf weiter die Möglichkeit einer durch das Gericht verfügten Verbandsauflösung als Ultima Ratio, die jedoch dem Vernehmen nach nicht Eingang in einen offiziellen Gesetzesentwurf finden soll. 

3. Strafprozessuales Verfahren; gestuftes Anreizsystem

Das Verfahren soll sich nach strafprozessualen Grundsätzen richten, d.h. im Kern vor Gericht stattfinden. Für Ermittlungen der Verfolgungsbehörden (i.d.R. Staatsanwaltschaften) und eine Anklage vor Gericht soll im Anwendungsbereich des Gesetzes das aus dem Strafprozessrecht bekannte Legalitätsprinzip gelten. Eröffnete Hauptverfahren würden damit jedenfalls grundsätzlich in eine öffentliche Hauptverhandlung führen. Korrespondierend hierzu sind – was positiv zu werten ist – eine Reihe praxisrelevanter Einstellungsmöglichkeiten vorgesehen, u.a. bei Geringfügigkeit oder unter Auflagen und Weisungen. 

Zu einer Einstellung können bestenfalls auch die Optimierung von Compliance-Maßnahmen vor, während oder nach Begehung der Verbandsstraftat oder wesentliche Aufklärungsbeiträge des Verbands führen. Zudem bestünde weiter die Möglichkeit einer Honorierung solcher Maßnahmen beim anzulegenden Sanktionsrahmen bzw. im Rahmen der konkreten Sanktionszumessung. Durch ein solches kodifiziertes Anreizsystem würde einem wichtigen Anliegen aus der Wirtschaft dem Grunde nach entsprochen. Allerdings besteht insbesondere im Bereich der Regelungen zu den (nach dem Referentenentwurf insbesondere honorierungswürdigen) "guten" verbandsinternen Untersuchungen noch wesentlicher rechtspolitischer Diskussionsbedarf. Denn bliebe es bei den derzeitigen Überlegungen, könnte ein Verband die vorgesehene "vertypte" Kann-Reduzierung des Sanktionshöchstmaßes um 50% nur erhalten, wenn er sich bei und in Zusammenhang mit der "guten" verbandsinternen Untersuchung freiwillig wesentlicher Verteidigungsrechte begibt.

Insgesamt zeigt der Referentenentwurf, dass bei aus Unternehmen heraus begangenen strafbaren Handlungen eine deutliche Verschärfung gegenüber dem derzeit auf Unternehmensebene grundsätzlich zur Anwendung kommenden OWiG-Rechtsrahmen angedacht ist. 

II. Thesen

Ein strenges Verbandssanktionenrecht (in der derzeit diskutierten oder in ähnlicher Form) hätte voraussichtlich nicht nur spürbare Auswirkungen auf die Praxis der Unternehmensverteidigung. Es ergäben sich – auch unabhängig von einem Verdachtsfall – Rückwirkungen auf das Zusammenspiel zwischen Leitungs- und Kontrollorganen in Unternehmen sowie allgemein auf die Bewertungsmaßstäbe und Komplexität von unternehmensbezogenen Entscheidungen. Zu dem letztgenannten Aspekt aus gesellschaftsrechtlicher Sicht sieben Thesen:

1. Corporate Governance

Die Rolle und Bedeutung des Aufsichtsrats wird sich bei einem strengen Verbandssanktionenrecht mit Blick auf Compliance-relevante Sachverhalte weiter schärfen. 

Der Aufsichtsrat hat die Aufgabe, die Tätigkeit des Vorstands zu überwachen und zu kontrollieren. Angesichts eines strengen Verbandssanktionenrechts dürfte der Aufsichtsrat daher geneigt sein, die Compliance-Bemühungen der Geschäftsleitung tendenziell enger zu begleiten. Um dies zu erreichen, wären aus der Sicht des Aufsichtsrats unterschiedliche Instrumente denkbar, z.B. die Einrichtung eines Compliance- bzw. Integritätsausschusses, die Erweiterung der Kommunikationskanäle des Aufsichtsrats in Richtung leitender Angestellter oder die Ausweitung von gesellschaftsrechtlich verankerten Zustimmungsvorbehalten. 

Bei der Wahrnehmung seiner ihm zugewiesenen Überwachungsaufgabe hat der Aufsichtsrat freilich zu berücksichtigen, dass – wie auch der Bundesgerichtshof in seiner ARAG-Garmenbeck-Rechtsprechung anerkannt hat – dem Vorstand für die Leitung der Geschäfte ein weiter Handlungsspielraum zuzubilligen ist, ohne den unternehmerisches Handeln schlechterdings nicht denkbar ist.

2. Maßstab für Compliance-Management

Die Kernvokabel des Referentenentwurfs lautet "angemessene Vorkehrungen zur Vermeidung von Verbandsstraftaten". Wünschenswert ist eine gesetzliche Konkretisierung, wie solche "angemessenen Vorkehrungen" in der Unternehmensrealität aussehen sollen. Dies gilt insbesondere in Anbetracht der erheblichen Sanktionsandrohungen.

Eine Binsenweisheit ist, dass bei Risikogeneigtheit der Organisation ein risikoadjustiertes angemessenes CMS unabdingbar ist. Sind angemessene Vorkehrungen im Zeitpunkt der Begehung der Verbandsstraftat implementiert, führt dies nach der Logik des Referentenentwurfs immerhin im Fall der Begehung einer Verbandsstraftat durch eine Nichtleitungsperson (nicht dagegen im Fall der Begehung durch eine Leitungsperson) zur Durchbrechung des Zurechnungszusammenhangs zum Verband und damit zu einer Nicht-Verantwortlichkeit des Verbands. Ausschlaggebend für die Erreichung der mit der Implementierung des CMS unternehmensseitig intendierten Wirkung bleibt damit dessen Ernsthaftigkeit und jederzeitige (dokumentierte) Wirksamkeit.

3. Zertifizierungen

Die Nachfrage nach Zertifizierungen von CMS wird bei einem strengen Verbandssanktionenrecht zunehmen.

Zertifizierungen nach gängigen Standards können dazu beitragen, dass die Organe sich von der Wirksamkeit und Angemessenheit "ihres" CMS überzeugen können. Man sollte sich aber auch nichts vormachen. Jede Zertifizierung, egal nach welchem Standard, wird als solches nicht ausreichen, um Verfolgungsbehörden und Gerichte von der Angemessenheit getroffener Vorkehrungen zu überzeugen. Verfolgungsbehörden und Gerichte werden mit Recht selbst prüfen wollen und müssen, ob das in Frage stehende CMS im konkret relevanten Zeitpunkt effektiv genug war, um das in Rede stehende (mögliche) Fehlverhalten zumindest wesentlich erschwert zu haben. Entscheidend ist, dass Compliance ungeachtet einer Zertifizierung durch einen entsprechenden Tone from the Top tatsächlich gelebt wird.

4. Compliance Best-Practice

Ein strenges Verbandssanktionenrecht könnte sich auf eine Compliance-Best-Practice auswirken. 

Insoweit beispielhaft zu nennen sind Compliance-Bemühungen im Hinblick auf Auslandsaktivitäten. Auslandsaktivitäten sind auch bereits derzeit im CMS mit zu berücksichtigen. Dies würde in Anbetracht der derzeitigen Überlegungen des BMJV indes ein noch wichtigerer Aspekt, da Auslandstaten nach dem Referentenentwurf unter bestimmten Voraussetzungen einer Verbandsstraftat gleichstehen sollen. 

Auch interne Meldesysteme dürften eine weitere Bedeutungszunahme erfahren. Nicht nur ist inzwischen die EU-Whistleblower-RL in Kraft und bis Mitte Dezember 2021 in nationales Recht umzusetzen, wodurch ab dann für Unternehmen ab 50 Mitarbeitern die Einrichtung eines internen Meldesystems – unabhängig von ihrem Tätigkeitsfeld – verpflichtend wird. Zudem dürften Unternehmen angesichts eines strengen Verbandssanktionenrechts ein originäres Interesse daran haben, wirksame interne Meldesysteme vorzuhalten, um frühzeitig von (etwaigen) internen Missständen Kenntnis zu erlangen und so erforderlichenfalls rechtzeitig verbandsinterne Untersuchungen anstoßen zu können. Nur so lässt sich sicherstellen, dass Entscheidungsträger im Unternehmen im Fall von Ermittlungsverfahren keine Wissensnachteile haben und sich das Unternehmen entweder effektiv verteidigen oder aber die eigene Lage in Kooperation mit den Verfolgungsbehörden noch positiv gestalten kann.

5. Umstrukturierungen / M&A

Für Umstrukturierungen und M&A wird ein Verbandssanktionenrecht (in der derzeit diskutierten oder in ähnlicher Form) insbesondere im Bereich der Due Diligence, der Transaktionsstrukturierung und der Vertragsgestaltung zusätzliche Gestaltungsparameter setzen. 

In Transaktionen gewänne insbesondere eine sorgfältige Compliance-Due Diligence durch den Erwerber noch weiter an Bedeutung, damit bei Zielgesellschaften "schlummernde" Risikolagen frühzeitig und zutreffend erkannt werden können. 

Im Bereich der Vertragsgestaltung wären unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Compliance-Due Diligence gegebenenfalls z.B. spezifische Compliance-Garantien bzw. -Freistellungen, verkäuferseitige Mitwirkungspflichten im Verdachts- bzw. Ermittlungsfall für die Zeit nach dem Closing sowie, falls erforderlich, MAC-Klauseln, Kaufpreisanpassungsmechanismen und Rücktrittsrechte zu verhandeln. 

Auch die sog. Post Closing-Due Diligence dürfte an Bedeutung gewinnen.

6. Verdachtsfall

Ein strenges Verbandssanktionenrecht wird zusätzliche Abwägungsanforderungen für die Unternehmensleitung nach sich ziehen. Insbesondere bei Verdacht einer Verbandsstraftat wird die Entscheidungskomplexität noch zunehmen. 

Im Verdachtsfall wäre vom Unternehmen zusätzlich zu allen sonstigen To Do's unverzüglich zu prüfen, ob tatsächlich der Verdacht der Begehung einer Verbandsstraftat besteht, welcher Personenkreis diese begangen haben könnte, welche Aufdeckungswahrscheinlichkeit besteht und ob das Unternehmen sich "klassisch" verteidigen will oder vielmehr eine Kooperation mit den Verfolgungsbehörden nach Maßgabe von § 18 des Referentenentwurfs, die nur eine "uneingeschränkte" sein kann, anstreben sollte. Diese Vorprüfungen wären auch leitend bei der Entscheidung, ob eine "gute" interne Untersuchung nach Maßgabe der dann bestehenden (voraussichtlich) engen gesetzlichen Vorgaben angezeigt ist. 

Im Referentenentwurf nicht eindeutig vorgegeben ist der späteste Zeitpunkt, zu dem sich ein Unternehmen noch rechtzeitig für eine Kooperation mit den Verfolgungsbehörden nach Maßgabe der §§ 18, 19 des Referentenentwurfs entscheiden könnte. Richtigerweise sollte insoweit auf den Zeitpunkt abgestellt werden, zu dem der Verband von den Verfolgungsbehörden erstmals in Kenntnis gesetzt wurde, dass gegen ihn wegen des Verdachts der Verantwortlichkeit für eine Verbandsstraftat ermittelt wird. 

7. Organhaftung

Ein strenges Verbandssanktionenrecht bedeutet eine weitere Verschärfung der Vermögensrisiken für Organmitglieder im Haftungsfall. 

Nach herrschender Auffassung sind heute neben klassischen Schadenspositionen insbesondere auch der Ahndungsanteil von Bußgeldern sowie Aufklärungskosten im Rahmen der Organhaftung regressfähig – beides Positionen, die merklich zunehmen würden, wobei insbesondere der Ahndungsanteil erheblich umfangreicher würde. Eine Begrenzung des Organregresses wird zwar seit geraumer Zeit kontrovers diskutiert, ist aber zumindest im Referentenentwurf nicht vorgesehen. In der gesellschaftsrechtlichen Diskussion um etwaige Grenzen des Organregresses sollten mögliche Auswirkungen eines Verbandssanktionenrechts deshalb mit berücksichtigt werden.

III. AUSBLICK

Solange die Große Koalition aus CDU, CSU und SPD auf unveränderter Basis zusammen arbeitet, ist damit zu rechnen, dass starke politische Kräfte darauf drängen werden, wie durch den Referentenentwurf vorgeschlagen eine eigenständige gesetzliche Grundlage für die Sanktionierung von Verbänden im Fall von aus der Organisation heraus begangenen Straftaten zu schaffen. Insoweit ist ein deutlich repressiver Schwerpunkt mit vereinzelten – wenngleich für die Praxis durchaus wichtigen – präventiven Elementen zu erwarten. 

Bei einer Umsetzung des Gesetzgebungsvorhabens ergäben sich für Unternehmen voraussichtlich Überprüfungs- und ggf. Anpassungserfordernisse bei internen Prozessen und Leitlinien, insbesondere im Bereich des Compliance-Managements, der Transaktionsvorbereitung und -gestaltung, sowie die Notwendigkeit zur Vorstrukturierung "guter" verbandsinterner Untersuchungen und einer (möglichen) Kooperation mit Verfolgungsbehörden im Verdachtsfall. Insbesondere mittelständische Unternehmen könnte dies vor bislang unbekannte Herausforderungen stellen.

Immerhin: Nach dem Referentenentwurf soll es eine zweijährige Übergangsfrist zwischen einer Verkündung und dem Inkrafttreten geben, in der sich Unternehmen und Organisationen auf die absehbaren Neuerungen werden einstellen können.

Der Blogbeitrag steht hier für Sie zum Download bereit: Der Referentenentwurf für ein Verbandssanktionenrecht: 7 Thesen aus dem Blickwinkel des Gesellschaftsrechts

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