Von Scare Screens und Dark Patterns: Das Umgehungsverbot des Art. 13 Abs. 4 DMA

#GMW-Blog: Aktuelle Rechtsentwicklungen

Von Scare Screens und Dark Patterns: Das Umgehungsverbot des Art. 13 Abs. 4 DMA

Seit dem 7. März 2024 sind die von der Europäischen Kommission benannten Torwächter – Alphabet, Apple, Microsoft, Meta, Amazon und Bytedance – verpflichtet, im Einklang mit dem Digital Markets Act zu handeln (Verordnung (EU) 2022/1925 über bestreitbare und faire Märkte im digitalen Sektor (nachfolgend "DMA")). Praktisch relevant sind dabei insbesondere die Art. 5 bis 7 DMA. Obwohl die dort niedergelegten Ge- und Verbote Unschärfen aufweisen, sind sie im Vergleich zu den kartellrechtlichen Generalklauseln, insbesondere Art. 102 AEUV, ausgesprochen konkret. Hierin liegt die Stärke und Schwäche des DMA zugleich. Die Auflistung von konkreten Verboten und Geboten geknüpft an die verbindliche Benennung als Torwächter erlaubt eine vergleichsweise einfache Subsumtion. Umgekehrt birgt der regulatorische Ansatz des DMA die Gefahr der Umgehung. Dies gilt in besonderem Maße in der Digitalökonomie, in der sich ein und dasselbe wettbewerblich schädliche Ergebnis auf vielen unterschiedlichen Wegen und teilweise auf sehr subtile Weise erreichen lässt. Schon jetzt lassen sich Verhaltensweisen von Torwächter identifizieren, die zwar ihrer äußeren Gestalt nach im Einklang mit dem DMA stehen mögen, seinen Zielen aber erkennbar widersprechen. In der Folge dürfte einer Vorschrift des DMA maßgebliche Bedeutung zukommen, die bisher nur selten in den Mittelpunkt gerückt wurde: Das Umgehungsverbot nach Art. 13 Abs. 4 DMA. 

I. Einführung

Herzstück des DMA sind die Art. 5 bis 7. Die dort niedergelegten Ge- und Verbote müssen von den durch die Europäische Kommission verbindlich benannten Torwächtern beachtet werden. Als Torwächter werden Unternehmen benannt, die sog. zentrale Plattformdienste wie Suchmaschinen, Betriebssysteme oder bestimmte Kommunikationsdienste (Art. 2 Nr. 2 DMA) bereitstellen, die gewerblichen Nutzern als wichtiges Zugangstor zu ihren Endnutzern dienen und mithilfe derer Torwächter erheblichen Einfluss auf den Binnenmarkt nehmen können (Art. 3 Abs. 1 DMA). 

Die Ge- und Verbote der Art. 5 bis 7 DMA sind als "per se-Regeln" konzipiert. Tatbestandliche Verhaltensweisen sind verboten. Anders als im Kartellrecht bedarf es keiner komplexen Marktabgrenzung, Marktanteilsbestimmung, Abwägung der involvierten Interessen oder eines Nachweises (wahrscheinlicher) Auswirkungen im Einzelfall. Das Regelungskonzept des DMA ist die Antwort des EU-Gesetzgebers auf die Besonderheiten digitaler Märkte, deren Bestreitbarkeit und Fairness (vgl. Art. 1 Abs. 1 DMA) das traditionelle kartellrechtliche Regelwerk jedenfalls allein nicht gewährleisten kann.

Der regulatorische Ansatz des DMA hat Vor- und Nachteile. Die konkret niedergelegten Ge- und Verbote sind einfach in der Handhabung. Jenseits von Sachverhaltsungewissheiten (vgl. Art. 8 Abs. 1 DMA) und naturgemäß auftauchenden Auslegungsfragen erlaubt der DMA eine geradlinige und zügige Einordnung der Praktiken von Torwächtern ohne individuellen Schädlichkeitsnachweis. Diesen hat der Gesetzgeber vorweggenommen.

Dieser Vorteil wird mit Nachteilen in der Flexibilität erkauft. Selbst bei einer aus dem Kartellrecht übernommenen und am effet utile orientierten funktional weiten Auslegung lassen sich nur solche Verhaltensweisen erfassen, die die in Art. 5 bis 7 DMA niedergelegten Tatbestandsmerkmale auch erfüllen. Anders als bei Art. 102 AEUV ist eine Orientierung allein an den Auswirkungen eines Verhaltens nicht möglich. Dieser Nachteil wirkt gerade in der Digitalökonomie potenziell schwer. 

Um ein Leerlaufen des DMA zu verhindern, hat der Gesetzgeber verschiedene Mechanismen zur Flexibilisierung des DMA vorgesehen. Zum einen ist Art. 12 DMA zu nennen, der es der Kommission erlaubt, die Artikel 5 bis 7 zu ergänzen. Art. 12 DMA ist jedoch auf bestimmte, in Art. 12 Abs. 2 DMA abschließend aufgezählte Maßnahmen begrenzt und kann nur im Anschluss an eine Marktuntersuchung nach Art. 19 DMA ausgeübt werden. Anders ist dies bei Art. 13 DMA, der Handlungen, mittels derer Torwächter ihre Pflichten nach Art. 5 bis 7 DMA zu umgehen versuchen, untersagt. Nach Art. 13 Abs 4 DMA darf ein Torwächter 

"kein Verhalten an den Tag legen, das die wirksame Einhaltung der Verpflichtungen aus den Artikeln 5, 6 und 7 untergräbt, unabhängig davon, ob das Verhalten vertraglicher, kommerzieller, technischer oder sonstiger Art ist oder in der Verwendung von Verhaltenslenkungsmethoden oder Schnittstellengestaltung besteht."

II. Scare Screens und Dark Patterns

Art. 13 Abs. 4 DMA erfasst solche Verhaltensweisen, die sich von einem Verstoß gegen die Art. 5 bis 7 DMA formell unterscheiden mögen, aber gleichwohl mit deren Sinn und Zweck und mithin mit den Zielen des DMA unvereinbar sind. Die Vorschrift ist auf alle Praktiken eines Torwächters anwendbar, ungeachtet der Form der jeweiligen Praktik solange diese dem "Praktiktypus" der jeweiligen DMA-Plicht entspricht. So heißt es in Erwägungsgrund 70:

"Angesichts der beträchtlichen wirtschaftlichen Macht von Torwächtern ist es wichtig, dass die Verpflichtungen wirksam angewendet und nicht umgangen werden. Zu diesem Zweck sollten die in Rede stehenden Vorschriften auf alle Praktiken eines Torwächters angewendet werden, ungeachtet der Form dieser Praktiken und unabhängig davon, ob sie vertraglicher, geschäftlicher, technischer oder anderer Art sind, solange die Praktik dem Praktiktypus entspricht, der von einer der in dieser Verordnung festgelegten Verpflichtungen erfasst ist. […]".

Vor diesem Hintergrund ist der Begriff des "untergrabenden Verhaltens" weit zu verstehen und erfasst sämtliche Verhaltensweisen und Maßnahmen eines Torwächters, die zwar ihrer äußeren Gestalt nach im Einklang mit den Art. 5 bis 7 DMA stehen, in der Sache aber dazu führen, dass die mit einem Verbot oder Gebot des DMA beabsichtigten Ziele nicht erreicht werden.

Beispielhaft ist die Nutzung sog. Scare Screens zu nennen, mithilfe derer Nutzer durch Warnhinweise, etwa betreffend die mögliche Gefährdung der Sicherheit des Smartphones durch die Nutzung eines alternativen Anbieters, dazu verleitet werden, von durch den DMA eröffneten Wahlmöglichkeiten keinen Gebrauch zu machen. Allgemein spricht man insoweit auch von sog. Dark Patterns. Mit dem Begriff Dark Patterns ist die Ausgestaltung von Nutzerschnittstellen in einer Art und Weise gemeint, die den Nutzer – ohne sein Wissen – in eine bestimmte Richtung bzw. zu einer bestimmten Entscheidung leitet. Hierunter fallen neben Scare Screens eine Vielzahl von Verhaltensweisen, wie z.B. Nagging, d.h. die kontinuierliche (subtile) Aufforderung, ein bestimmtes Verhalten vorzunehmen, oder Preselection, d.h. die Vorauswahl einer Wahlmöglichkeit, die im Interesse des Unternehmens ist. In der Verhaltensökonomie (Behavioural Economics) wird die durch solche Praktiken mögliche Einflussnahme auf menschliches Verhalten seit langem beschrieben.

Auch der Gesetzgeber sieht entsprechende Maßnahmen kritisch, Erwägungsgrund 70:

"Torwächter sollten kein Verhalten an den Tag legen, das die Wirksamkeit der in dieser Verordnung festgelegten Verbote und Verpflichtungen untergraben würde. Zu solchem Verhalten gehören die vom Torwächter verwendete Gestaltung, die Darstellung der Wahlmöglichkeiten des Endnutzers in einer nicht neutralen Weise oder die Nutzung der Struktur, der Funktion oder der Art und Weise der Bedienung einer Benutzerschnittstelle oder eines Teils davon, um die Nutzerautonomie, die Entscheidungsfindung oder die Wahlmöglichkeit zu beeinträchtigen oder einzuschränken."

Wenngleich Art. 13 Abs. 4 DMA die Art. 5 bis 7 DMA wirkungsvoll gegen Umgehung schützen soll und daher funktional weit auszulegen ist, handelt es sich bei Art. 13 Abs. 4 DMA nicht um eine allgemeine Generalklausel. Nicht jedes Verhalten, das sich negativ auf die Bestreitbarkeit und Fairness digitaler Märkte auswirkt, ist nach Art. 13 Abs. 4 DMA verboten. Vielmehr kann das Umgehungsverbot sinnvollerweise immer nur in Verbindung mit einer expliziten Torwächterpflicht der Art. 5 bis 7 DMA zur Anwendung kommen. Verboten ist mithin nur solches Verhalten, das mit Blick auf ein konkretes Ge- oder Verbot aus den Art. 5 bis 7 DMA "untergrabend" wirkt, also die spezifischen Vorgaben und Ziele unterläuft. 

III. Beispiele

Verfolgt man die aktuellen Compliance Bemühungen der Torwächter und die Umsetzung der Verhaltenspflichten finden sich schnell Fälle, die in den Anwendungsbereich des Art. 13 Abs. 4 DMA fallen dürften. 

Ein Anwendungsbeispiel ist die offensive und übertrieben deutliche Kommunikation von Sicherheitsrisiken. Dies betrifft z.B. die durch Art. 6 Abs. 7 DMA u.a. geschaffene Möglichkeit, dass von Dritten angebotene Bezahldienste diskriminierungsfrei auf alle Hardware- und Software-Funktionen eines Endgeräts zugreifen dürfen. Praktisch relevant ist hier insbesondere der Zugriff auf die iOS NFC-Schnittstelle, der bisher nicht möglich war (dazu auch das kartellrechtliche Verfahren der Europäischen Kommission unter dem Aktenzeichen COMP/AT.40452). Apple erlaubt nun zwar den Zugriff, warnt aber u.a. öffentlich deutlich vor den Sicherheitsrisiken, die die Nutzung alternativer Bezahldienste für das Endgerät insgesamt mit sich bringen würde und die Apple nicht kontrollieren könne. Hierdurch dürften Apple Nutzer von der Verwendung alternativer Dienste abgehalten und die mit Art. 6 Abs. 7 DMA beabsichtigten Wirkungen unterlaufen werden.

Umgehungsversuche sind auch bei den im DMA niedergelegten Kopplungsverboten naheliegend (Art. 5 Abs. 7 und 8 DMA). Durch die Gestaltung von Anmeldeprozessen, die Menüführung oder eingebundene Hinweise auf Konsequenzen der Entscheidung für einen Drittanbieter lässt sich das Verhalten von Nutzern und deren Auswahl von Services leicht beeinflussen. Die hierdurch erzielbaren Ergebnisse stehen einer technischen Kopplung nicht nach, sodass entsprechende Maßnahmen entweder direkt unter die Verbote subsumiert werden können oder von Art. 13 Abs. 4 DMA erfasst werden.

Absehbar sind untergrabende Maßnahmen schließlich in Situationen, in denen Torwächter dazu verpflichtet sind, ihren Nutzern Auswahlmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen (etwa nach Art. 5 Abs. 2 DMA bzgl. der Zusammenführung von Daten oder bei den nach Art. 6 Abs. 3 DMA einzurichtenden Choice Screens bzgl. der Auswahl des Webbrowsers). Auch hier sind Nutzer leicht zu beeinflussen. Dies betrifft neben den bereits angesprochenen Hinweisen auf Sicherheitsrisiken auch die Informationen, die Nutzern über verschiedene Auswahlmöglichkeiten angezeigt werden (etwa die Bevorzugung bekannter Anbieter durch die Anzeige nur weniger Produktinformationen).

IV. Ausblick

Die Anwendung und Auslegung von Art. 13 Abs. 4 DMA wird mit darüber entscheiden, ob der DMA ein Erfolg wird oder nicht. Der regulatorische Ansatz des DMA kann sein Ziel, für bestreitbare und faire Märkte zu sorgen, nur dann erreichen, wenn Umgehungsmaßnahmen wirksam unterbunden werden. In der Praxis wird die Schwierigkeit darin liegen, zwischen 

  • Verhaltensweisen, die bei funktionaler Auslegung noch unmittelbar vom Tatbestand der Verbote nach Art. 5 bis 7 DMA erfasst sind,
  • Verhaltensweisen, die der Umgehung der Verbote dienen, aber von Art. 13 Abs. 4 DMA erfasst sind, und 
  • Verhaltensweisen, die zwar für den Wettbewerb schädlich sein mögen, vom Gesetzgeber aber bisher schlicht nicht adressiert wurden, zu unterscheiden.

Angesichts der kontrovers geführten Debatten um die Compliance-Maßnahmen einzelner Torwächter, nicht zuletzt im Rahmen der von der Europäischen Kommission im März 2024 abgehaltenen Compliance-Workshops, dürften die Europäische Kommission und die Gerichte schon zeitnah Gelegenheit haben, das Umgehungsverbot des DMA einem ersten Stresstest zu unterziehen.

Kontakt

 

Dr. Christian Karbaum

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Dr. Max Schulz

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Dr. Yannick Morath

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Tätigkeitsbericht der BLE: Zunehmende Bedeutung desAgrarOLkG für unfaire Praktiken in der Lieferkette

#Legal Spotlight

Tätigkeitsbericht der BLE: Zunehmende Bedeutung des AgrarOLkG für unfaire Praktiken in der Lieferkette

Unternehmen der Agrar- und Lebensmittelbranche müssen in der Lieferkette nicht nur die Regeln des Kartellrechts beachten – seit Juni 2022 gelten daneben auch die Verbote des AgrarOLkG. Der jüngst veröffentlichte Tätigkeitsbericht der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung für das Jahr 2023 zeigt eine klare Tendenz: zwar bislang keine Bußgelder, aber zunehmend mehr Verfahren.

Unser Partner Dr. Markus Wirtz fasst die wesentlichen Erkenntnisse des Berichts zusammen.

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Foreign Subsidies Regulation – Q&A update by the European Commission

#Legal Spotlight

Foreign Subsidies Regulation –Q&A update by the European Commission

The Foreign Subsidies Regulation (FSR) is in force for several months now and has already significant impact. The European Commission has only recently updated its Q&A on this new instrument. Our partner Dr. Silke Möller and our associate Dr. Yannick Morath explore in our latest Legal Spotlight some of the important clarifications that dealmakers should be aware of.

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Update zu Art. 267 AEUV: Deutsche Gerichte Spitzenreiter der Rechtsprechungsstatistik

#Legal Spotlight

Update zu Art. 267 AEUV: Deutsche Gerichte Spitzenreiter der Rechtsprechungsstatistik

Die Zahlen sprechen für sich: Der EuGH hat vor wenigen Tagen seine Rechtsprechungsstatistiken für das Jahr 2023 veröffentlicht, die einen Anstieg der Anzahl der Rechtsstreitigkeiten bestätigen. Bei den Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV stammen die meisten Vorlagen von deutschen Gerichten. Diese wachsende Bedeutung bleibt nicht ohne Einfluss auf das Gebiet der Litigation. Gleiches gilt für die geplante  #Reform der EuGH-Satzung, die u.a. vorsieht, dass Schriftsätze veröffentlicht werden sollen.

Dr. Alexander Retsch und Janine Pietsch gehen in unserem aktuellen Legal Spotlight näher auf diese spannenden Entwicklungen ein.

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Illumina/Grail – Doch keine Zuständigkeit ohne Zuständigkeit – Schlussanträge des Generalanwalts Emiliou

#Legal Spotlight

Illumina/Grail – Doch keine Zuständigkeit ohne Zuständigkeit – Schlussanträge des Generalanwalts Emiliou

Als Teil der Transaktionsplanung müssen Unternehmen selbst prüfen, ob ihr Vorhaben bei einer Wettbewerbsbehörde anmeldepflichtig ist. Bei einer Verletzung der Anmeldepflicht drohen Bußgelder und die Unwirksamkeit des Zusammenschlusses.

Aus Gründen der Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit knüpft die Anmeldepflicht daher grundsätzlich an das Erreichen bestimmter umsatz-, transaktions- oder marktanteilsbezogener Aufgreifschwellen an. Nach Auffassung der European Commission und des EuG soll die Europäische Kommission aber auch unabhängig hiervon eine Prüfungskompetenz besitzen, wenn sie von einem Mitgliedstaat zur Prüfung aufgefordert wird, ohne dass die dortige Wettbewerbsbehörde selbst eine Zuständigkeit haben müsste. Der hieraus drohenden Unsicherheit tritt nun Generalanwalt Emiliou in seinen Schlussanträgen in den Verfahren Rs.: C-611/22 P und C-625/22 P betreffend Illumina/Grail mit überzeugenden Argumenten entgegen.

Hiermit und einem Praxisausblick befasst sich das jüngste #LegalSpotlight unserer Partnerin Dr. Silke Möller und unseres Associates Maximilian Schoone.

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Teurer Vergleich: Apple zahlt 490 Mio. Dollar an Kapitalanleger

#Legal Spotlight

Teurer Vergleich: Apple zahlt490 Mio. Dollar an Kapitalanleger

"𝘐 𝘸𝘰𝘶𝘭𝘥 𝘯𝘰𝘵 𝘱𝘶𝘵 𝘊𝘩𝘪𝘯𝘢 𝘪𝘯 𝘵𝘩𝘢𝘵 𝘤𝘢𝘵𝘦𝘨𝘰𝘳𝘺" – diese Äußerung von Tim Cook gegenüber Analysten könnte Apple eine halbe Milliarde US-Dollar kosten. Apple möchte sich mit Kapitalanlegern, die dem Konzern irreführende Äußerungen vorwerfen, vergleichen. Kann Emittenten in Deutschland ein ähnliches Schicksal drohen? 

Dazu haben Dr. Marco SustmannDr. Alexander Retsch und Leon Leander Landin unserem jüngsten #LegalSpotlight einige Gedanken zusammengetragen.

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One week of DMA compliance workshops – What has happened and what’s next?

#Legal Spotlight

One week of DMA compliance workshops – What has happened and what's next?

Since March 18, 2024, the European Commission has held public workshops with Apple, Meta, Amazon and Alphabet explaining how they (intend to) comply with the DMA. Another workshop with ByteDance is currently underway, and Microsoft is up next week. The workshops gave interested stakeholders an opportunity to publicly debate the gatekeepers DMA compliance.

Dr Christian KarbaumDr Markus Wirtz and Dr Max Schulz provide a brief look on what were the most controversial points so far, and what is expected next.

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DMA entered into force, public and private enforcement to come

#Legal Spotlight

DMA entered into force, public and private enforcement to come

#LegalSpotlight: On 8 March, the Commission published the gatekeepers' DMA compliance reports, in which Alphabet (Google), Apple, Amazon, Microsoft, Meta and ByteDance describe how their platform services comply with their duties under the DMA. 

DMA compliance accomplished? "No", Olivier Guersent (Director General at DG Comp) said on Friday in Brussels. Dr Christian Karbaum, Dr Markus Wirtz and Dr Max Schulz on the upcoming enforcement by the European Commission. 

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Eckpunkte der überarbeiteten Bekanntmachung der Kommission über die Abgrenzung des relevanten Marktes

#Legal Spotlight: Rechtsentwicklungen in aller Kürze

Eckpunkte der überarbeiteten Bekanntmachung der Kommission über die Abgrenzung des relevanten Marktes

#LegalSpotlight: Kürzlich hat die Europäische Kommission die überarbeitete Bekanntmachung über die Marktabgrenzung in Wettbewerbsverfahren angenommen. Ziel der ersten Überarbeitung seit über 25 Jahren ist die Anpassung der Bekanntmachung an die neuen Marktgegebenheiten aufgrund der Digitalisierung, der Globalisierung und geänderter Geschäftsmodelle. Durch eine detaillierte Erläuterung der Grundsätze und konkrete Beispiele für die Anwendung der Konzepte für die Markabgrenzung soll die überarbeitete Bekanntmachung auch eine bessere Orientierungshilfe für die Praxis bieten.

 Dr. Silke Möller und Hui Ye erläutern in dem folgenden Beitrag die Eckpunkte der überarbeiteten Bekanntmachung.

Zum LinkedIn-Beitrag geht's hier.

Der Beitrag steht hier für Sie zum Download bereit: Eckpunkte der überarbeiteten Bekanntmachung der Kommission über die Abgrenzung des relevanten Marktes

 
 
 
 
 
 
 
 

Das Personengesellschaftsrecht nach Inkrafttreten des MoPeG und seine Auswirkungen auf bestehende Gesellschaften

#GMW-Blog: Aktuelle Rechtsentwicklungen

Das Personengesellschaftsrecht nach Inkrafttreten des MoPeG und seine Auswirkungen auf bestehende Gesellschaften

28. Februar 2024

Zum 1. Januar 2024 ist das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (kurz: MoPeG) in Kraft getreten, nachdem es bereits im Sommer 2021 im Bundesgesetzblatt verkündet worden war. Der Zweck der Reform besteht im Wesentlichen darin, die Gesetzeslage an die durch die Rechtsprechung entwickelte Rechtslage und die Vertragspraxis anzupassen. Aus diesem Grunde hat das MoPeG umfassende Änderungen der gesetzlichen Bestimmungen über das Personengesellschaftsrecht mit sich gebracht, die insbesondere auch Auswirkungen auf bereits vor Inkrafttreten des MoPeG gegründete Gesellschaften haben werden.

In der Vergangenheit haben wir in mehreren Blogbeiträgen zum MoPeG über den Gesetzesentwurf der eingesetzten Expertenkommission, den Referentenentwurf und den Regierungsentwurf berichtet sowie die Entstehungsgeschichte des MoPeG und die gesetzlichen Neuerungen im Überblick und vereinzelt ausführlicher dargestellt. Aus aktuellem Anlass des Inkrafttretens fassen wir im Folgenden noch einmal wesentliche, besonders praxisrelevante gesetzliche Neuerungen durch das MoPeG zusammen. Zudem gehen wir auf die Fragen ein, ob und in welchem Umfang die Regelungen des MoPeG auf Gesellschaften anwendbar sind, die bereits vor seinem Inkrafttreten gegründet worden sind, und in welchen Fällen bestehende Gesellschaften bürgerlichen Rechts ins Gesellschaftsregister eingetragen werden müssen.

I. Änderungen durch das MoPeG in Bezug auf die GbR

1. Unterscheidung zwischen rechtsfähiger und nicht rechtsfähiger GbR

In Bezug auf die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) bringt das MoPeG die umfassendsten Änderungen mit sich. So erkennt das BGB nunmehr ausdrücklich die Rechtsfähigkeit der GbR an und unterscheidet in seinen §§ 705 ff. zwischen der rechtsfähigen und der nicht rechtsfähigen GbR. Die Abgrenzung richtet sich dabei nach dem Willen der Gesellschafter: Wenn die Gesellschaft hiernach am Rechtsverkehr teilnehmen soll, so handelt es sich um eine rechtsfähige GbR. Soll die Gesellschaft hingegen allein die Rechtsbeziehung zwischen den Gesellschaftern betreffen und nicht nach außen auftreten, so handelt es sich um eine nicht rechtsfähige GbR. Da dieser Wille der Gesellschafter jedoch u.U. schwierig zu ermitteln ist, sieht § 705 Abs. 3 BGB insoweit eine Vermutungsregelung vor: Sofern Gegenstand der Gesellschaft der Betrieb eines Unternehmens unter gemeinschaftlichem Namen ist, so wird vermutet, dass die GbR am Rechtsverkehr teilnehmen soll und deshalb rechtsfähig ist.

2. Gesetzliche Neuerungen in Bezug auf die rechtsfähige GbR

Durch die gesetzlichen Neuerungen in Bezug auf die rechtsfähige GbR wird diese insgesamt der OHG angenähert und ihre Relevanz im Wirtschaftsverkehr gestärkt. So ist für die rechtsfähige GbR ein Gesellschaftsregister eingeführt worden, welches an das Handelsregister angelehnt ist und bei den Ländern geführt wird. Die Eintragung erfordert die Mitwirkung eines Notars und ist grundsätzlich nicht zwingend. Das Eintragungswahlrecht kann jedoch zu einer Eintragungspflicht erstarken – namentlich, wenn die GbR Rechte an in öffentlichen Registern geführten Vermögensgegenständen erwerben oder ändern möchte oder wenn sich ihr dort eingetragener Gesellschafterbestand ändert. Insbesondere relevant sind dabei Grundstücksrechte oder Gesellschaftsanteile (zur Eintragungspflicht von Altgesellschaften näher unter Abschnitt III.).

Auch darüber hinaus kann eine Eintragung der GbR Vorteile mit sich bringen. So profitieren allein eingetragene GbR (eGbR) von dem freien Sitzwahlrecht nach § 706 S. 2 BGB. Dieses gibt ihnen die Möglichkeit, ihren Vertragssitz abweichend vom Verwaltungssitz zu regeln. Dadurch können Gesellschafter auch dann die Rechtsform der GbR wählen, wenn sie ihre Tätigkeiten im Ausland ausüben wollen. Zudem wird die eGbR in § 3 Abs. 1 Nr. 1 UmwG als umwandlungsfähig anerkannt. Dies bedeutet, dass sie sich als übertragender oder übernehmender Rechtsträger an Verschmelzungen im Sinne des UmwG beteiligen sowie Spaltungen und Formwechsel durchführen kann.

Zu berücksichtigen ist andererseits jedoch, dass die Eintragung der GbR – wie bei der OHG und der KG – Publizitätswirkung entfaltet. Der Rechtsverkehr darf deshalb in der Regel auf die Richtigkeit der Angaben im Gesellschaftsregister vertrauen, auch wenn diese unzutreffend sein oder sich die Verhältnisse der eGbR später ändern sollten. Auch ist die eGbR nach § 20 Abs. 1 GwG verpflichtet, sich ins Transparenzregister eintragen zu lassen. An ihre Entscheidung, sich eintragen zu lassen, ist die Gesellschaft gebunden, kann sich also später nicht ohne Weiteres aus dem Gesellschaftsregister löschen lassen. Hierzu ist grundsätzlich ihre Liquidation erforderlich.

Darüber hinaus ist nunmehr das Rechtsinstitut der actio pro socio für die eGbR in § 715b BGB geregelt. Diese sogenannte Gesellschafterklage bietet allen Gesellschaftern die Möglichkeit, Ansprüche der Gesellschaft im eigenen Namen und auf Leistung an die Gesellschaft gerichtlich geltend zu machen. Relevant wird sie, wenn die eigentlich klagebefugten geschäftsführenden Gesellschafter diese Ansprüche pflichtwidrig nicht geltend machen.

Ausgehend von der anerkannten Rechtsfähigkeit der GbR ist nun in § 721 BGB die akzessorische Haftung der Gesellschafter ausdrücklich vorgesehen. Diese war auch vorher bereits anerkannt, musste jedoch aus § 128 HGB abgeleitet werden, der unmittelbar nur für die OHG gilt.

Neu geregelt worden sind zudem die Bestimmungen über das Ausscheiden von Gesellschaftern und die Auflösung der Gesellschaft. Etwa wird die GbR nicht mehr automatisch aufgelöst, wenn einer der Gesellschafter verstirbt, sondern sie besteht mit den verbleibenden Gesellschaftern fort. Diese Neuerungen sorgen dafür, dass der Fortbestand der GbR nicht mehr so stark vom Fortbestand ihrer Mitglieder abhängt wie zuvor, sondern die GbR stärker als eigenständiger Rechtsträger anerkannt wird.

3. Gesetzliche Neuerungen in Bezug auf die nicht rechtsfähige GbR

In Bezug auf die nicht rechtsfähige GbR war allein das Verhältnis der Gesellschafter untereinander zu regeln, da diese Gesellschaftsform gerade nicht am Rechtsverkehr teilnehmen soll. Insoweit verweisen die Vorschriften über die nicht rechtsfähige GbR im Wesentlichen auf jene zur rechtsfähigen GbR. Mangels Rechtsfähigkeit ist hier zudem keine Bildung eines Vermögens der Gesellschaft selbst, sondern allein von Bruchteilsrechten (etwa Miteigentum der Gesellschafter) möglich.

II. Änderungen durch das MoPeG in Bezug auf die Personenhandelsgesellschaften

1. Gesetzliche Neuerungen in Bezug auf die OHG und die KG

Im Vergleich zu den Änderungen in Bezug auf die GbR bringt das MoPeG für die offene Handelsgesellschaft (OHG) und die Kommanditgesellschaft (KG) eher vereinzelte Neuerungen mit sich. Teilweise sind die Änderungen in Bezug auf die eGbR über die Verweisungsnormen des HGB (§§ 105 Abs. 3, 161 Abs. 2 HGB) auch auf die OHG und die KG anwendbar. Dies gilt etwa für das Sitzwahlrecht und die gesetzliche Bestimmung zur actio pro socio.

Ausschließlich für die OHG und die KG, nicht für die GbR, ist insbesondere ein Beschlussmängelrecht eingeführt worden. Dieses ist an das aktienrechtliche Modell angelehnt und unterscheidet bei fehlerhaften OHG- bzw. KG-Beschlüssen nunmehr zwischen ihrer Nichtigkeit und ihrer Anfechtbarkeit. Nur noch besonders schwerwiegende Fehler im Zusammenhang mit der Beschlussfassung sollen zur Nichtigkeit eines Beschlusses führen; bei anderen Mängeln muss der Beschluss von den Gesellschaftern mit der Beschlussanfechtungsklage angegriffen werden. Für diese gilt grundsätzlich eine Frist von drei Monaten ab Bekanntgabe des Beschlusses gegenüber dem klagenden Gesellschafter; die Frist kann im Gesellschaftsvertrag verkürzt oder verlängert werden, muss jedoch mindestens einen Monat betragen.

Darüber hinaus können sich nunmehr auch Angehörige freier Berufe in den Gesellschaftsformen der OHG und der KG zusammenschließen. Insbesondere könnte für Freiberufler dadurch die Gründung einer GmbH & Co. KG interessant und relevant werden.

2. Gesetzliche Neuerungen allein in Bezug auf die KG

Das MoPeG sieht zudem vereinzelt gesetzliche Neuerungen vor, die allein in Bezug auf die KG und nicht auch für die OHG gelten – etwa ist der Auskunftsanspruch der Kommanditisten gestärkt worden. Diese können nunmehr generell von der Gesellschaft Auskunft über Gesellschaftsangelegenheiten verlangen, soweit dies zur Wahrnehmung ihrer Mitgliedschaftsrechte erforderlich ist. Im Rahmen einer Abwägung muss hierzu das Informationsinteresse der Kommanditisten das Geheimhaltungsinteresse der Gesellschaft überwiegen.

Das HGB unterscheidet nun ausdrücklich zwischen Haftsumme und Einlage der Kommanditisten; diese Unterscheidung ist aus dem Wortlaut des Gesetzes bisher nicht immer eindeutig hervorgegangen. Allein die Haftsumme ist in das Handelsregister einzutragen und bestimmt, bis zu welchem Betrag der Kommanditist den Gläubigern der KG maximal haftet, während die Einlage das Innenverhältnis zwischen der KG und ihren Kommanditisten betrifft.

Für die Willensbildung in der Einheits-GmbH & Co. KG ist in § 170 Abs. 2 HGB eine Sonderregel aufgenommen worden, in der diese Gesellschaftsform zudem erstmals ausdrücklich im HGB erwähnt wird. Danach werden die Rechte der Kommanditgesellschaft in der Gesellschafterversammlung der Komplementär-Kapitalgesellschaft von den Kommanditisten wahrgenommen. Die Willensbildung in der Einheitsgesellschaft war bislang problematisch, da an sich die Geschäftsführer die Komplementärin vertreten und die Gesellschafterversammlung der KG deshalb allein aus den Geschäftsführern der GmbH bestand. Dadurch waren eine Kontrolle und die Möglichkeit der Abberufung der Geschäftsführer nicht ausreichend gewährleistet.

Ebenfalls eine Sonderregel für die KG stellt § 179 HGB dar, der wiederum insbesondere für die GmbH & Co. KG relevant werden wird. Diese Vorschrift soll für den Fall der Simultaninsolvenz sowohl der KG als auch ihres einzigen persönlich haftenden Gesellschafters die Sanierung der Gesellschaft ermöglichen. Sofern die KG nur einen Gesellschafter hat und über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird, so scheidet er danach entgegen § 130 Abs. 1 Nr. 3 HGB nicht als Gesellschafter aus der KG aus, sofern auch über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist oder werden könnte.

III. Auswirkungen des MoPeG auf bestehende Gesellschaften

Es stellt sich die Frage, welche Auswirkungen die Neuregelungen durch das MoPeG in Bezug auf Gesellschaften, die bereits vor seinem Inkrafttreten zum 1. Januar 2024 gegründet worden sind, mit sich bringen.

1. Anwendbarkeit der neuen gesetzlichen Bestimmungen

Zunächst einmal gilt der Grundsatz, dass die neuen gesetzlichen Bestimmungen umfassend auch auf Altgesellschaften anzuwenden sind; der zeitliche Anwendungsbereich des MoPeG ist nicht auf neu gegründete Gesellschaften beschränkt worden. Soweit in vor dem 1. Januar 2024 geschlossenen Gesellschaftsverträgen keine von den neuen gesetzlichen Regelungen abweichenden Bestimmungen getroffen worden sind, kommt deshalb vollumfänglich das neue Recht zur Anwendung. Wenn jedoch die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages von der Gesetzeslage nach dem MoPeG abweichen, so ist weiter zu untersuchen, ob die vertragliche Abweichung zulässig ist.

Das Gesetz sieht sowohl für die GbR (§ 708 BGB) als auch für die OHG (§ 108 HGB) und die KG (§§ 161 Abs. 2, 108 HGB) die Vertragsfreiheit der Gesellschafter vor, sodass Abweichungen von den gesetzlichen Bestimmungen dem Grunde nach zulässig sind. Grundsätzlich haben deshalb vertragliche Bestimmungen, die von gesetzlichen Regelungen abweichen, Vorrang vor diesem. Etwas anderes gilt jedoch, wenn das Gesetz ausnahmsweise bestimmt, dass im Gesellschaftsvertrag von einer konkreten Vorschrift nicht abgewichen werden oder sie nicht ausgeschlossen werden darf. Dies ist etwa der Fall in Bezug auf das Informationsrecht des Kommanditisten (§ 166 Abs. 2 HGB) und die actio pro socio (§ 715b Abs. 2 BGB). § 112 Abs. 1 S. 2 HGB bestimmt zudem, dass die Frist für die Beschlussanfechtungsklage nicht auf weniger als einen Monat verkürzt werden darf. Weichen Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag von diesen gesetzlichen Vorgaben ab, so sind sie unwirksam und es gilt die gesetzliche Regelung.

2. Insbesondere: Eintragungspflichten der GbR

Besonderes Augenmerk sollte auch auf eine etwaige Eintragungspflicht von GbR gelegt werden, die bereits vor Inkrafttreten des MoPeG gegründet worden waren und Rechte an in öffentlichen Registern geführten Vermögensgegenständen innehaben. So ist zu beachten, dass nunmehr die GbR selbst (nicht wie bisher ihre Gesellschafter) als Rechtsträgerin ins Grundbuch, Schiffs- oder Handelsregister sowie in GmbH-Gesellschafterlisten eingetragen wird. Dies setzt jedoch voraus, dass die GbR im Gesellschaftsregister eingetragen ist.

In Bezug auf das Grundbuch gilt Folgendes: Sofern eine Altgesellschaft bereits vor dem 1. Januar 2024 Grundstücksrechte innehatte und diese übertragen möchte, muss sie sich zunächst ins Gesellschaftsregister eintragen lassen. Im Anschluss hieran muss sich die GbR zudem als aktuelle Rechtsträgerin in das Grundbuch eintragen lassen, damit sie ihre Grundstücksrechte übertragen kann. Dies folgt aus Art. 229 § 21 Abs. 1 EGBGB, wonach keine Eintragungen in das Grundbuch, die ein Recht einer GbR betreffen, erfolgen sollen, solange die GbR nicht ins Gesellschaftsregister und daraufhin ins Grundbuch eingetragen worden ist. Gleiches gilt für Eintragungen in das Schiffsregister (§ 51 Abs. 2 SchRegO).

Auch wenn die GbR einen Anteil an einer GmbH veräußern möchte, muss sie sich zuvor ins Gesellschaftsregister eintragen lassen. Denn nach § 40 Abs. 1 S. 3 GmbHG können Änderungen an der Eintragung einer GbR in einer Gesellschafterliste einer GmbH nur vorgenommen werden, wenn die GbR in das Gesellschaftsregister eingetragen ist. Eine zusätzliche Pflicht zur Eintragung der GbR in die Gesellschafterliste, bevor sie ihre Anteile veräußern kann (parallel zur erforderlichen Voreintragung in das Grundbuch), sieht die Vorschrift hingegen nicht vor.

Anders ist es wiederum beim Handelsregister: Nach der Gesetzesbegründung muss sich eine Alt-GbR nicht in das Gesellschaftsregister eintragen lassen, wenn sie Rechte an im Handelsregister eingetragenen Gesellschaften übertragen möchte (BT-Drs. 19/27635, S. 261). Sie muss daher auch nicht zuvor in das Handelsregister eingetragen werden, sondern die dort eingetragenen Gesellschafter der GbR werden hieraus schlicht gestrichen.

Der Umstand, dass nunmehr die GbR und nicht ihre Gesellschafter als Rechtsträgerin ins Grundbuch, ins Handelsregister sowie in GmbH-Gesellschafterlisten eingetragen wird, führt zudem zu einer Eintragungspflicht im Falle des Gesellschafterwechsels der GbR: Sofern eine noch nicht ins Gesellschaftsregister eingetragene Alt-GbR etwa Rechte an einem Grundstück innehat und sich ihr Gesellschafterbestand ändert, findet keine Berichtigung der Gesellschafter im Grundbuch mehr statt. Stattdessen muss die GbR sich mit ihrem neuen Gesellschafterbestand ins Gesellschaftsregister eintragen lassen. Anschließend muss sie selbst als Inhaberin des Grundstücksrechts im Grundbuch eingetragen werden. Entsprechendes gilt für das Handelsregister sowie für GmbH-Gesellschafterlisten.

IV. Fazit

Angesichts der – je nach Gesellschaftsform – umfangreichen Rechtsänderungen durch das MoPeG sollten vor deren Inkrafttreten geschlossene Gesellschaftsverträge daraufhin geprüft werden, ob sie mit der neuen Gesetzeslage noch vereinbar sind oder ob sie Klauseln vorsehen, die nunmehr unwirksam sind. Anderenfalls sollten sie gegebenenfalls angepasst werden, um dem Willen der Gesellschafter so weit Rechnung zu tragen, wie es nach dem Gesetz zulässig ist. Zudem ist zu berücksichtigen, dass das Gesetz auch nach Inkrafttreten des MoPeG Regelungslücken enthält, die der Gesetzgeber teilweise bewusst offengelassen hat. So ist etwa das Beschlussmängelrecht allein für die Personenhandelsgesellschaften geregelt worden und nicht auch für die GbR. Dies Fehlen gesetzlicher Bestimmungen kann gegebenenfalls zu Rechtsunsicherheiten zwischen den Gesellschaftern führen, wenn insoweit auch keine vertraglichen Regelungen getroffen worden sind. Auch in Zukunft werden Personengesellschaften daher ihre Gesellschaftsverträge im Einzelnen ausgestalten müssen – sowohl in Bezug auf bestehende als auch in Bezug auf neu zu gründende Gesellschaften. Darüber hinaus sind insbesondere bei Immobilientransaktionen oder Anteilsübertragungen unter Beteiligung von GbR die ausnahmsweisen Eintragungspflichten zu beachten und hierdurch bedingte zeitliche Verzögerungen einzuplanen.

Der Artikel ist hier als Download verfügbar: Das Personengesellschaftsrecht nach Inkrafttreten des MoPeG und seine Auswirkungen auf bestehende Gesellschaften

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