Art. 13 Abs. 4 DMA erfasst solche Verhaltensweisen, die sich von einem Verstoß gegen die Art. 5 bis 7 DMA formell unterscheiden mögen, aber gleichwohl mit deren Sinn und Zweck und mithin mit den Zielen des DMA unvereinbar sind. Die Vorschrift ist auf alle Praktiken eines Torwächters anwendbar, ungeachtet der Form der jeweiligen Praktik solange diese dem "Praktiktypus" der jeweiligen DMA-Plicht entspricht. So heißt es in Erwägungsgrund 70:
"Angesichts der beträchtlichen wirtschaftlichen Macht von Torwächtern ist es wichtig, dass die Verpflichtungen wirksam angewendet und nicht umgangen werden. Zu diesem Zweck sollten die in Rede stehenden Vorschriften auf alle Praktiken eines Torwächters angewendet werden, ungeachtet der Form dieser Praktiken und unabhängig davon, ob sie vertraglicher, geschäftlicher, technischer oder anderer Art sind, solange die Praktik dem Praktiktypus entspricht, der von einer der in dieser Verordnung festgelegten Verpflichtungen erfasst ist. […]".
Vor diesem Hintergrund ist der Begriff des "untergrabenden Verhaltens" weit zu verstehen und erfasst sämtliche Verhaltensweisen und Maßnahmen eines Torwächters, die zwar ihrer äußeren Gestalt nach im Einklang mit den Art. 5 bis 7 DMA stehen, in der Sache aber dazu führen, dass die mit einem Verbot oder Gebot des DMA beabsichtigten Ziele nicht erreicht werden.
Beispielhaft ist die Nutzung sog. Scare Screens zu nennen, mithilfe derer Nutzer durch Warnhinweise, etwa betreffend die mögliche Gefährdung der Sicherheit des Smartphones durch die Nutzung eines alternativen Anbieters, dazu verleitet werden, von durch den DMA eröffneten Wahlmöglichkeiten keinen Gebrauch zu machen. Allgemein spricht man insoweit auch von sog. Dark Patterns. Mit dem Begriff Dark Patterns ist die Ausgestaltung von Nutzerschnittstellen in einer Art und Weise gemeint, die den Nutzer – ohne sein Wissen – in eine bestimmte Richtung bzw. zu einer bestimmten Entscheidung leitet. Hierunter fallen neben Scare Screens eine Vielzahl von Verhaltensweisen, wie z.B. Nagging, d.h. die kontinuierliche (subtile) Aufforderung, ein bestimmtes Verhalten vorzunehmen, oder Preselection, d.h. die Vorauswahl einer Wahlmöglichkeit, die im Interesse des Unternehmens ist. In der Verhaltensökonomie (Behavioural Economics) wird die durch solche Praktiken mögliche Einflussnahme auf menschliches Verhalten seit langem beschrieben.
Auch der Gesetzgeber sieht entsprechende Maßnahmen kritisch, Erwägungsgrund 70:
"Torwächter sollten kein Verhalten an den Tag legen, das die Wirksamkeit der in dieser Verordnung festgelegten Verbote und Verpflichtungen untergraben würde. Zu solchem Verhalten gehören die vom Torwächter verwendete Gestaltung, die Darstellung der Wahlmöglichkeiten des Endnutzers in einer nicht neutralen Weise oder die Nutzung der Struktur, der Funktion oder der Art und Weise der Bedienung einer Benutzerschnittstelle oder eines Teils davon, um die Nutzerautonomie, die Entscheidungsfindung oder die Wahlmöglichkeit zu beeinträchtigen oder einzuschränken."
Wenngleich Art. 13 Abs. 4 DMA die Art. 5 bis 7 DMA wirkungsvoll gegen Umgehung schützen soll und daher funktional weit auszulegen ist, handelt es sich bei Art. 13 Abs. 4 DMA nicht um eine allgemeine Generalklausel. Nicht jedes Verhalten, das sich negativ auf die Bestreitbarkeit und Fairness digitaler Märkte auswirkt, ist nach Art. 13 Abs. 4 DMA verboten. Vielmehr kann das Umgehungsverbot sinnvollerweise immer nur in Verbindung mit einer expliziten Torwächterpflicht der Art. 5 bis 7 DMA zur Anwendung kommen. Verboten ist mithin nur solches Verhalten, das mit Blick auf ein konkretes Ge- oder Verbot aus den Art. 5 bis 7 DMA "untergrabend" wirkt, also die spezifischen Vorgaben und Ziele unterläuft.