Anforderungen an die Veröffentlichung von Pressemitteilungen durch das Bundeskartellamt

#GMW-BLOG: AKTUELLE RECHTS­­ENTWICK­LUNGEN

Anforderungen an die Veröffentlichung von Pressemitteilungen durch das Bundeskartellamt

10. Juli 2020

In zwei jüngeren Beschlüssen (VI-Kart 1/20 (V) vom 17. März 2020 sowie VI-Kart 8/20 (V) vom 25. März 2020) beschäftigt sich das OLG Düsseldorf mit den rechtlichen Anforderungen an die Veröffentlichung von Pressemitteilungen und Fallberichten durch das Bundeskartellamt. Beide Entscheidungen stehen im Kontext der zwischen Dezember 2017 und Dezember 2019 vom Bundeskartellamt verhängten Geldbußen gegen elf Anbieter von Technischer Gebäudeausrüstung ("TGA") in Höhe von rund EUR 100 Mio. wegen Absprachen bei der Vergabe von Großaufträgen (sog. Gebäudeausrüsterkartell). Die Beschlüsse des OLG Düsseldorf bieten Anlass, die mit der Veröffentlichung von Pressemitteilungen/Fallberichten durch das Bundeskartellamt verbundenen rechtliche Aspekte zu rekapitulieren.

Hintergrund der Entscheidungen

Hintergrund der Beschlüsse des OLG Düsseldorf waren Anträge von zwei Kartellteilnehmern auf Erlass einstweiliger Verfügungen gegen die vorgesehene Veröffentlichung von Pressemitteilungen sowie Fallberichten zum Gebäudeausrüsterkartell durch das Bundeskartellamt. Im ersten Verfahren (VI-Kart 1/20 (V)) machte eine Kartellteilnehmerin – im Anschluss an ein erfolgreiches einstweiliges Rechtsschutzverfahren – einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch gegen die Veröffentlichung geltend, den sie nach Erledigung (das Bundeskartellamt hatte die Pressemitteilung und den Fallbericht modifiziert und zugesagt, von der Veröffentlichung der ursprünglichen Fassungen abzusehen) als Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde weiterverfolgte. Diese Beschwerde wurde als unzulässig verworfen. Im zweiten Verfahren (VI-Kart 8/20 (V)) lehnte das Gericht bereits den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Unterlassungsverfügung gegen die Veröffentlichung der Pressemitteilung/des Fallberichts ab.

Trotz des unterschiedlichen Verfahrensablaufs behandeln die Beschlüsse im Kern die gleichen Rechtsfragen. Die weitere Betrachtung orientiert sich daher im Wesentlichen am Verfahren VI‑Kart 1/20 (V). Dem Verfahren vorausgegangen war die Verhängung von zwei Bußgeldern gegen die Beschwerdeführerin durch das Bundeskartellamt wegen der Beteiligung an Kartellabsprachen in Bezug auf zwei TGA-Projekte. Am 6. Dezember 2019, einem Freitag, informierte das Bundeskartellamt die Beschwerdeführerin per E-Mail um 14:48 Uhr über die beabsichtigte Veröffentlichung einer Pressemitteilung und eines Fallberichts, die am darauffolgenden Montag, 9. Dezember 2019, um 10:00 Uhr erfolgen sollte. Die vorab übermittelte Pressemitteilung war dahin formuliert, dass die Beschwerdeführerin an 18 Projektmanipulationen beteiligt gewesen und die Kartellbeteiligung in vollem Umfang bußgeldrechtlich geahndet worden sei. Dem korrespondierenden Fallbericht, auf den die Pressemitteilung verwies, war eine Übersicht über sämtliche TGA-Projekte beigefügt, die von den Absprachen betroffen waren. Die Projektübersicht führte die Beschwerdeführerin als Unternehmen auf, das bei 18 TGA-Projekten an Absprachen beteiligt war, wobei wegen 16 TGA-Projekten ein Bußgelderlass nach der Bonusregelung erfolgt sei.

Die Beschwerdeführerin beantragte daraufhin die einstweilige Untersagung der beabsichtigten Veröffentlichung, weil diese den fehlerhaften Eindruck erwecke, ihre Kartellbeteiligung sei in Bezug auf 18 TGA-Projekte festgestellt worden. Auch sei ihr in Bezug auf die 16 bußgeldrechtlich nicht geahndeten Projekte weder rechtliches Gehör noch Akteneinsicht gewährt worden. Das OLG Düsseldorf gab dem Antrag statt. Die Beschwerdeführerin erhob sodann eine vorbeugende Unterlassungsbeschwerde mit dem Begehren, dem Bundeskartellamt die Veröffentlichung der Pressemitteilung und des Fallberichts nebst Projektübersicht in der ursprünglichen oder einer ähnlichen Fassung zu untersagen. In seiner Beschwerdeerwiderung erklärte das Bundeskartellamt, weder die Pressemitteilung noch den Fallbericht in der ursprünglichen Fassung veröffentlichen zu wollen und in einer Neufassung die Beschwerdeführerin ausschließlich mit den beiden bußgeldrechtlich geahndeten Projekten in Verbindung zu bringen. Die damit als erledigt erkannte vorbeugende Unterlassungsklage führte die Beschwerdeführerin als Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde weiter. Mit dem hier besprochenen Beschluss vom 17. März 2020 hat das OLG Düsseldorf die Beschwerde in Ermangelung eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses als unzulässig verworfen. Das Gericht wies darauf hin, dass ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse insbesondere nicht aus einer klärungsbedürftigen Rechtslage folge. In diesem Kontext fasste es die formellen und materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Veröffentlichung von Pressemitteilungen/Fallberichten durch das Bundeskartellamt zusammen.

FORMELLE UND MATERIELLE VORAUSSETZUNGEN FÜR DIE VERÖFFENTLICHUNG VON PRESSEMITTEILUNGEN/FALLBERICHTE

Rechtsgrundlage für die Veröffentlichung von Pressemitteilungen/Fallberichten durch das Bundeskartellamt ist der mit der 9. GWB-Novelle geschaffene § 53 Abs. 5 GWB, wonach das Bundeskartellamt jede Bußgeldentscheidung wegen eines Kartellrechtsverstoßes auf seiner Internetseite u.a. mit Angaben zum Sachverhalt, der Art und des Zeitraums des Verstoßes, den beteiligten Unternehmen sowie den betroffenen Waren und Dienstleistungen veröffentlichen soll. In formeller Hinsicht ist die in § 56 Abs. 1 GWB vorgesehene Gelegenheit zur Stellungnahme zu beachten (dazu 1.). Außerdem ist eine inhaltlich zutreffende und klare Darstellung erforderlich (dazu 2.).

1. Gelegenheit zur Stellungnahme, § 56 Abs. 1 GWB

Gemäß § 56 Abs. 1 GWB ist den Beteiligten eines Verfahrens vor den Kartellbehörden Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Das OLG Düsseldorf weist darauf hin, dass der darin zum Ausdruck kommende Grundsatz des rechtlichen Gehörs ebenfalls für öffentliche Verlautbarungen gelte. Diese könnten als belastende Realakte in das Unternehmenspersönlichkeitsrecht eingreifen. Insoweit gilt:

  • Grundsätzlich muss die Kartellbehörde vor der Veröffentlichung einer Pressemitteilung/eines Fallberichts den Betroffenen deren vollständigen Inhalt so rechtzeitig zur Kenntnis bringen, dass bis zum Zeitpunkt der beabsichtigten Veröffentlichung eine ausreichende Stellungnahmefrist verbleibt. Dies verneinte das OLG Düsseldorf in der Entscheidung VI‑Kart 1/20 (V). Es betonte, dass zwischen der Mitteilung am Freitag um 14.48 Uhr und der geplanten Veröffentlichung am darauffolgenden Montag um 10.00 Uhr nur wenige Stunden lagen und eine derart unangemessen kurze Stellungnahmefrist im Ergebnis auf eine Verweigerung rechtlichen Gehörs hinauslaufe.
  • Darüber hinaus ist die Kartellbehörde gehalten, die Betroffenen über den der Veröffentlichung zugrunde liegenden Sachverhalt vollständig zu informieren, um diese in die Lage zu versetzen, sich zu den sie belastenden Feststellungen zu äußern und sich dagegen zu verteidigen. Auch dem genügte das Bundeskartellamt nach dem OLG Düsseldorf im Verfahren VI-Kart 1/20 (V) nicht. Die Beschwerdeführerin hatte im Rahmen des Kartellverfahrens Akteneinsicht nur in Bezug auf die zwei Projekte, für die sie bebußt wurde, erhalten, nicht jedoch in Bezug auf die weiteren 16 Projekten, für die nach den Veröffentlichungen des Bundeskartellamts ihre Kartellbeteiligung ebenfalls festgestellt worden sei.

Insoweit ist allerdings zu beachten, dass nicht jede unterbliebene Anhörung vor der Veröffent- lichung einer Pressemitteilung/eines Fallberichts zu deren Rechtswidrigkeit führt. Vielmehr ist es entscheidend, dass ein betroffenes Unternehmen zu sämtlichen Feststellungen oder Schluss- folgerungen der Kartellbehörde, die zu seinen Lasten in der Verlautbarung enthalten sind, recht- liches Gehör erhalten hat. Soweit dies – wie oftmals – bereits im Bußgeldverfahren geschehen ist, muss die Anhörung vor der Veröffentlichung einer Pressemitteilung in der Regel nicht wie- derholt werden. Eine Anhörung in Bezug auf die Veröffentlichung war im Verfahren VI- Kart 1/20 (V) jedoch erforderlich, weil die vorgesehene Pressemitteilung bzw. der Fallbericht über den Inhalt des Bußgeldbescheids hinausgingen. Im Verfahren Kart 8/20 (V) lehnte das OLG Düsseldorf trotz ähnlich knapper Stellungnahmefrist (Mitteilung am 9. März 2020; geplante Veröffentlichung am 11./13. März 2020) einen Verstoß gegen § 56 Abs. 1 GWB dementspre- chend ab, weil ein Gleichlauf zwischen dem Inhalt der Pressemitteilung/des Fallberichts und den Feststellungen in dem gegen die Antragstellerin ergangenen Bußgeldbescheid bestand und ihr im Rahmen des Bußgeldverfahrens bereits in ausreichender Weise rechtliches Gehör gewährt wurde.

2. Inhaltlich zutreffende Darstellung

Inhaltlich müssen öffentliche Verlautbarungen durch eine Kartellbehörde (selbstverständlich) richtig und insoweit klar formuliert sein. Außerdem muss es erkennbar sein, ob die Kartellbeteiligung eines Unternehmens bußgeldrechtlich geahndet oder lediglich in dem Bußgeldbescheid eines anderen Unternehmens ohne Bindungswirkung nach § 33b S. 1 GWB festgestellt worden ist (vgl. § 53 Abs. 5 S. 2 Nr. 6 GWB).

Nach Ansicht des OLG Düsseldorf genügte die in dem Verfahren VI-Kart 1/20 (V) ursprünglich vom Bundeskartellamt zur Veröffentlichung vorgesehene Pressemitteilung diesen Anforderungen nicht, weil sie den unzutreffenden Eindruck erweckte, die Beschwerdeführerin sei wegen der Beteiligung an Kartellabsprachen in Bezug auf 18 TGA-Projekten mit einem Bußgeld belegt worden sei. Ob dies auch für den (getrennt zu würdigenden) Fallbericht gelte oder ob der Hinweis auf den Bußgelderlass bei 16 Projekten in der als Anlage beigefügten Projektübersicht geeignet war, den auch im Text des Fallberichts hervorgerufenen Eindruck einer Kartellbeteiligung an 18 Projekten auszuräumen, ließ das Gericht trotz durchgreifender Zweifel unter Verweis auf die Rechtswidrigkeit des Fallberichts im Übrigen offen.

Fazit und Bedeutung FÜR DIE PRAXIS

Die Veröffentlichung einer inhaltlich zutreffenden Pressemitteilung bzw. eines Fallberichts durch das Bundeskartellamt ist nach Gewährung rechtlichen Gehörs grundsätzlich zulässig, wobei die erforderliche Anhörung bereits im Bußgeldverfahren erfolgt sein kann. Das hierbei zu berücksichtigende Unternehmenspersönlichkeitsrecht und das Geheimhaltungsinteresse der betroffenen Unternehmen treten regelmäßig hinter dem Informationsinteresse der Presse bzw. etwaiger Kartellgeschädigter zurück. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass § 53 Abs. 5 S. 2 GWB die Veröffentlichung von bestimmten Informationen ausdrücklich fordert. Das OLG Düsseldorf spricht hier trotz des Gesetzeswortlauts ("soll") von einer "Pflicht der Kartellbehörde, die Öffentlichkeit zu informieren" und betont, dass sich ein beteiligtes Unternehmen jedenfalls in Bezug auf die Angaben gemäß § 53 Abs. 5 S. 2 GWB weder auf den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen noch auf das Unternehmenspersönlichkeitsrecht berufen könne.

Die vom OLG Düsseldorf skizzierten Anforderungen an Veröffentlichungen durch Wettbewerbsbehörden sollten in entsprechenden Situationen stets gedanklich "durchgeprüft" werden, um etwaige Nachteile für betroffene Unternehmen zu verhindern, die nach einer Veröffentlichung häufig nur schwer rückgängig zu machen sind. Die Entscheidungen zeigen, dass bei zweifelhafter Bewertung ein Antrag auf einstweilige Anordnung gegen die Veröffentlichung durchaus erfolgversprechend sein kann.

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Update Verbandssanktionenrecht – Der Regierungsentwurf des Gesetzes zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft vom 16. Juni 2020

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Up­date Verbands­sanktionen­recht – Der Regierungs­ent­wurf des Ge­setzes zur Stär­kung der In­tegrität in der Wirt­schaft vom 16. Juni 2020

3. Juli 2020

Am 16. Juni 2020 hat die Bundesregierung den vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) erarbeiteten "Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft" nahezu unverändert gegenüber dem Referentenentwurf aus April 2020 (RefE) als Regierungsentwurf beschlossen. Dies zeigt den Willen der Großen Koalition, Unternehmen deutlich strenger zu sanktionieren als dies bislang auf Basis des Ordnungswidrigkeitenrechts möglich ist.

Der Beschluss der Bundesregierung wurde trotz vielfältiger Kritik u.a. führender Wirtschaftsverbände und aus der Anwaltschaft nur wenige Tage nach Ablauf der gewährten Stellungnahmefrist zum RefE gefasst. Die offizielle Losung und damit die Messlatte für den Erfolg des Gesetzes trägt dieses schon im Namen: "Stärkung der Integrität in der Wirtschaft". Ob es zur Erreichung dieses Ziels eines neuen Gesetzes bedarf und ob der Regierungsentwurf hierfür ein Schritt in die richtige Richtung ist, wird überaus unterschiedlich beurteilt. Unter anderem wohl deshalb hat das BMJV neben dem Regierungsentwurf einen 17-seitigen Q&A-Katalog auf seiner Homepage veröffentlicht, der den Regelungsansatz erläutert.

Der Regierungsentwurf enthält gegenüber dem RefE nur wenige Änderungen, die im Zusammenhang mit verbandsinternen Untersuchungen stehen und die teils eher klarstellender Natur sind, in einem Punkt aber auch eine deutliche Verschärfung vorsehen. Zunächst wurde in § 17 Abs. 1, der die Voraussetzungen für Milderungen der Verbandssanktion bei verbandsinternen Untersuchungen regelt, klargestellt, dass sich die Anforderungen nach Nr. 5 allein auf "Befragungen in der verbandsinternen Untersuchung" beziehen und gegenüber allen "Befragten" einzuhalten sind. Zuvor war § 17 Abs. 1 Nr. 5 lit. a) lediglich auf "Mitarbeiter" bezogen, während in § 17 Abs. 1 Nr. 5 lit. b) und c) bereits von "Befragten" die Rede war. Bei weitem erheblicher ist, dass nunmehr in § 17 Abs. 1 Nr. 1 erstmals vorgesehen ist, dass der Verband, um eine Aussicht auf Milderung der Verbandssanktion zu haben, neben einem wesentlichen Beitrag zur Aufklärung der Verbandstat auch einen wesentlichen Beitrag zur Aufklärung der (eigenen) Verbandsverantwortlichkeit leisten muss (hierzu unter II.6). 

Nachstehend geben wir einen Überblick über zentrale Aspekte des Regierungsentwurfs und beleuchten zudem besondere Wechselwirkungen mit dem Kartellrecht.

I. Kern des Gesetzesvorhabens

Kern des Gesetzesvorhabens ist das "Gesetz zur Sanktionierung von verbandsbezogenen Straftaten" (Verbandssanktionengesetz – VerSanG). Das VerSanG soll die gegenüber Unternehmen derzeit bestehenden ordnungswidrigkeitenrechtlichen Sanktionsandrohungen bei unternehmensbezogenen Straftaten von Leitungs- und Nichtleitungspersonen deutlich verschärfen. Daneben sollen Anreize verstärkt werden, Compliance-Management-Systeme so wirksam wie möglich aufzusetzen, aufkeimenden Verdachtsmomenten durch verbandsinterne Untersuchungen nachzugehen und durch Zusammenarbeit mit den Verfolgungsbehörden an der Aufklärung von strafrechtlich relevanten Compliance-Verstößen mitzuwirken.

II. Eckpunkte des Regierungsentwurfs zum VerSanG

1. Regelungs- und Anwendungsbereich

Gegenstand des VerSanG in der Fassung des Regierungsentwurfs (VerSanG-RegE) ist nach dessen § 1 die "Sanktionierung von Verbänden, deren Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, wegen Straftaten, durch die Pflichten, die den Verband treffen, verletzt worden sind oder durch die der Verband bereichert worden ist oder werden sollte". 

Adressat des Gesetzesvorhabens sind alle Unternehmen und sonstigen wirtschaftlichen Verbände mit eigener Rechtspersönlichkeit, unabhängig davon, ob sie als juristische Personen des privaten oder öffentlichen Rechts oder als rechtsfähige Personengesellschaften organisiert sind (nachstehend zusammen auch Unternehmen genannt). 

Für nichtwirtschaftliche Verbände, insbesondere eingetragene Idealvereine, soll es dagegen auch bei Vorliegen einer verbandsbezogenen Straftat bei dem geltenden ordnungswidrigkeitenrechtlichen Regelungsregime bleiben.

2. Scharfe Sanktionsandrohungen

Der Regierungsentwurf sieht im Fall der Verantwortlichkeit von Unternehmen für Verbandstaten – bloße Aufsichtspflichtverletzungen eingeschlossen (hierzu näher unter II.3) - zwei Sanktionsarten vor, nämlich

  • die Verbandsgeldsanktion (§ 8 Nr. 1) sowie
  • die Verwarnung mit Verbandsgeldsanktionsvorbehalt (§ 8 Nr. 2).

Die im BMJV zunächst angestellte Überlegung, als "Ultima ratio" auch die Möglichkeit der Verbandsauflösung vorzusehen, war nach erheblicher Kritik bereits im RefE nicht enthalten und hat auch nicht Eingang in den Regierungsentwurf gefunden.

Die Verbandsgeldsanktion soll für solche Unternehmen, die einen weltweiten Gruppenumsatz von mehr als durchschnittlich EUR 100 Mio. in den letzten drei Geschäftsjahren vor Verurteilung erzielt haben, umsatzbezogen ausgestaltet sein und bei vorsätzlicher Verbandstat bis zu 10% des weltweiten durchschnittlichen Jahresgruppenumsatzes betragen. Für kleinere Unternehmen wird sich die Verbandsgeldsanktion bei vorsätzlicher Verbandstat auf bis zu EUR 10 Mio. belaufen. Im Fall einer fahrlässigen Verbandstat würde das Höchstmaß der Sanktion jeweils halbiert. Grundlage für die Bemessung der Verbandsgeldsanktion sollen u.a. die Bedeutung der Verbandstat, die Schwere und das Ausmaß von festgestellten Aufsichtspflichtverletzungen und die wirtschaftlichen Verhältnisse des Verbandes sein.

Alternativ kommt als zweite Sanktionsart die Verwarnung mit Verbandsgeldsanktionsvorbehalt in Betracht, wenn die Verhängung einer Verbandsgeldsanktion nach einer Gesamtwürdigung aller Umstände nicht erforderlich erscheint, um den Verband künftig zu rechtskonformem Verhalten anzuhalten. Dies stellt sich zunächst als mildere Sanktion dar, weil zwar eine Verbandsgeldsanktion bestimmt wird, deren Verhängung aber vorbehalten bleibt. Die Sanktion kann allerdings mit Auflagen oder Weisungen, auch hinsichtlich der Ausgestaltung des Compliance-Management-Systems, verbunden werden, was zum Teil als "verkapptes Monitoring" aufgefasst wird. So soll der Verband namentlich angewiesen werden können, bestimmte (zumutbare) Vorkehrungen zur Vermeidung von Verbandsstraftaten zu treffen und diese Vorkehrungen einer "sachkundigen Stelle", die mit Zustimmung des Gerichts auszuwählen ist, nachzuweisen. Dies kann beträchtliche Auswirkungen auf den Verband haben und hohen Aufwand verursachen.

Als Nebenfolge einer Sanktionierung können darüber hinaus Taterträge gem. §§ 73 ff. StGB eingezogen werden. Weiter ist vorgesehen, dass bei einer großen Zahl von Geschädigten die öffentliche Bekanntmachung der Verurteilung des Verbandes gerichtlich angeordnet werden kann. Rechtskräftige Entscheidungen über die Verhängung von Verbandssanktionen oder die Festsetzung einer Geldbuße nach § 30 OWiG von mehr als EUR 300 sollen zudem zukünftig in ein neu zu schaffendes Verbandssanktionenregister aufgenommen werden. Dieses soll indes nicht öffentlich einsehbar sein.

Bei Gesamtrechtsnachfolge oder partieller Gesamtrechtsnachfolge durch Aufspaltung können, wie bereits im Ordnungswidrigkeitenrecht (§ 30 Abs. 2a Satz 1 OWiG) und im Kartellrecht (§ 81 Abs. 3a-e GWB)  der Fall, Verbandssanktionen auch gegen den oder die Rechtsnachfolger verhängt werden.

3. Strenge Verbandsverantwortlickheit

Zwingende Voraussetzung für eine Verbandssanktionierung ist nach § 3 Abs. 1 die Verantwortlichkeit des Verbands für eine sog. Verbandstat (bzw. eine gleichgestellte Auslandstat, s.u.) natürlicher Personen. Die Verbandsverantwortlichkeit kann dabei durch eine Verbandstat

  • von Leitungspersonen, d.h. Vorstände, Geschäftsführer, vertretungsberechtigte Gesellschafter, Generalbevollmächtigte, Mitglieder des Aufsichtsrats oder von anderen Kontrollgremien oder sonstigen Personen in Leitungs- oder Kontrollpositionen, oder 
  • von Nichtleitungspersonen, die in Wahrnehmung der Angelegenheiten des Verbandes gehandelt haben,

begründet werden.

Begeht eine Leitungsperson eine Verbandstat, soll der Verband ohne Exkulpationsmöglichkeit verantwortlich i.S.d. VerSanG-RegE sein. Der Verband könnte dann allenfalls eine "Exzesstat", d.h. eine gänzlich aus verbandsfremden Motiven heraus begangene Tat und damit das Fehlen einer Verbandstat, einwenden.

Begeht dagegen eine Nichtleitungsperson in Wahrnehmung der Angelegenheiten des Verbandes eine Verbandstat, soll die Verbandsverantwortlichkeit dann begründet sein, wenn Leitungspersonen – rein objektiv betrachtet – die Verbandstat durch "angemessene Vorkehrungen zur Vermeidung von Verbandsstraftaten wie insbesondere Organisation, Auswahl, Anleitung und Aufsicht" hätten verhindern oder wesentlich erschweren können. Mit anderen Worten: Der Zurechnungszusammenhang zum Verband kann durchbrochen werden, wenn im Zeitpunkt der Begehung der Verbandstat insoweit angemessene Vorkehrungen zur Vermeidung von Verbandsstraftaten implementiert waren (Compliance-Management-System).

Damit ist die Verantwortlichkeit des Verbandes nach § 3 Abs. 1 VerSanG-RegE zwar grundsätzlich in Anlehnung an §§ 30, 130 OWiG geregelt, jedoch letztlich noch strenger ausgestaltet, weil Aufsichtspflichtverletzungen die Verantwortlichkeit des Verbandes gem. § 3 Abs. 1 Nr. 2 selbst dann begründen, wenn weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit vorlag.

Die tauglichen Anknüpfungstaten von Leitungs- und Nichtleitungspersonen werden im VerSang-RegE nicht abschließend aufgelistet und sind auch nicht etwa durch Regelbeispiele konkretisiert. Anknüpfungstat kann nach dem VerSanG-RegE vielmehr jede Straftat sein, durch die – wie es abstrakt heißt – "Pflichten, die den Verband treffen, verletzt worden sind oder durch die der Verband bereichert worden ist oder werden sollte" (sog. Verbandstat; vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 3). Als Anknüpfungstat in Betracht kommen damit verschiedenste Delikte wie z.B. Betrugs- oder Bestechungstaten, Umweltdelikte oder Steuerstraftaten, aber etwa auch Urkundenfälschung. 

Einer Verbandstat gleichgestellt werden gem. § 2 Abs. 2 unter bestimmten Voraussetzungen auch Taten von Leitungs- und Nichtleitungspersonen, auf die das deutsche Strafrecht mangels Inlandsbezug der Tat nicht anzuwenden ist. Vor dem Hintergrund, dass die Festsetzung von Geldbußen gegen Unternehmen wegen im Ausland begangener Taten nach derzeitiger Rechtslage regelmäßig nur dann möglich ist, wenn der Verband in der betroffenen Jurisdiktion Leitungspersonen mit deutscher Staatsangehörigkeit eingesetzt hat, stellt auch die Regelung des § 2 Abs. 2, die eine Beteiligung deutscher Staatsbürger nicht voraussetzt, eine nennenswerte Verschärfung dar.

Das Feld möglicher Anknüpfungstaten ist damit denkbar weit, solange nur bei Tatbegehung der erforderliche Verbandsbezug vorliegt.

4. Legalitätsprinzip; Anreizsystem

In verfahrensrechtlicher Hinsicht sollen im Anwendungsbereich des VerSanG strafprozessuale Regelungen zur Anwendung kommen. Dies bedeutet zunächst, dass für die Ermittlungstätigkeit der Verfolgungsbehörden das Legalitätsprinzip gilt. Anders als im Ordnungswidrigkeitenrecht, in dem die Verfolgung von Verstößen in das Ermessen der Behörden gestellt ist (Opportunitätsprinzip), wären die Verfolgungsbehörden im Anwendungsbereich des VerSanG mithin verpflichtet, bei hinreichenden Anhaltspunkten Ermittlungen aufzunehmen. Verfahren würden nach Anklage und Eröffnung zudem in eine öffentliche Hauptverhandlung vor Gericht (Schöffengericht; Strafkammer) münden, es sei denn, das Verfahren kann ausnahmeweise per Sanktionsbescheid beendet werden.

Korrespondierend zur Einführung des Legalitätsprinzips sind in den §§ 35 ff. VerSanG-RegE –was nur konsequent ist – eine Reihe praxisrelevanter Einstellungsmöglichkeiten vorgesehen, u.a. bei Geringfügigkeit, unter Auflagen und Weisungen, wenn der Verband durch die Verbandstat bereits mit schweren Folgen betroffen ist, bei zu erwartender Sanktionierung im Ausland, bei Insolvenz oder – vorübergehend – bei Durchführung verbandsinterner Untersuchungen.

Im besten Fall können auch die Optimierung von Compliance-Maßnahmen vor, während oder nach Begehung einer Verbandstat oder wesentliche Aufklärungsbeiträge des Verbands zu einer Verfahrenseinstellung führen. Zudem besteht die Möglichkeit der Honorierung solcher Maßnahmen beim Sanktionshöchstrahmen bzw. im Rahmen der konkreten Sanktionszumessung. 

Durch dieses im VerSanG-RegE vorgesehene Anreizsystem wird einem wichtigen Anliegen der Praxis dem Grunde nach entsprochen. Allerdings stoßen insbesondere die hohen Anforderungen an nach dem VerSanG-RegE besonders honorierungswürdige "gute" verbandsinterne Untersuchungen weiter auf nachhaltige Kritik (hierzu unter II.6).

5. Keine konkreten Vorgaben für Compliance-Management-System

Mit Blick auf das – jedenfalls in seinen Grundzügen von der Geschäftsleitung vorzugebende – Compliance-Management-System bleibt auch im VerSanG-RegE weiter offen, was Unternehmen konkret leisten müssen, um durch ein angemessenes Compliance-Management-System jedenfalls bei Mitarbeiterkriminalität eine Verbandsverantwortlichkeit auszuschließen.

Zwar werden in der einschlägigen Norm (§ 3 Abs. 1 Nr. 2) zur Beschreibung tauglicher Vorkehrungen die Begriffe "Organisation", "Auswahl", "Anleitung" und "Aufsicht" genannt. Konkrete Maßstäbe, was genau hierunter zu verstehen und welche Vorkehrungen angemessen sein sollen, finden sich allerdings weder im Gesetzestext noch in der Gesetzesbegründung. Immerhin wird in der Gesetzesbegründung deutlich, dass nicht nur bei kleinen, sondern auch bei mittleren Unternehmen mit geringem Risiko von Rechtsverletzungen wenige einfache Vorkehrungsmaßnahmen ausreichend sein können. Insoweit sei auch der "Zukauf" eines Compliance-Programms oder von Zertifizierungen regelmäßig nicht erforderlich. Auch findet sich die zutreffende und wichtige Aussage, dass von Unternehmen ein lückenloser Schutz gegen Straftaten nicht zu gewährleisten sein wird. 

Compliance-Management-Systeme werden damit künftig – wie bereits heute anerkannt – bei der "Organisation", "Auswahl", "Anleitung" und "Aufsicht" ansetzen müssen, aber weiter risikoadjustiert und einzelfallbezogen in Bezug auf das jeweilige Unternehmen aufgesetzt werden können und müssen.

6. Hohe Anforderungen an "gute" verbandsinterne Untersuchungen

Nach §§ 17 Abs. 1, 18 soll – wie auch bereits nach dem RefE – der Verband eine "vertypte" Reduzierung des Sanktionshöchstmaßes um 50% erhalten, wenn er bei bzw. in Zusammenhang mit der Durchführung einer verbandsinternen Untersuchung die Anforderungen des § 17 (freiwillig) einhält. Zudem ist in diesem Fall eine öffentliche Bekanntmachung der Verurteilung ausgeschlossen. Werden allgemeine Rechtsvorschriften, etwa aus dem Bereich des Datenschutz- oder Arbeitsrechts verletzt, gibt die "Soll-Regelung" des § 17 Abs. 1 den Gerichten allerdings noch immer weiten Raum, die Privilegierung zu versagen. 

An "gute" verbandsinterne Untersuchungen i.S. des § 17 werden äußerst hohe Anforderungen gestellt, die jedenfalls in der Summe kritisch zu sehen sind. Dies sind:

  • Personelle Trennung von verbandsinterner Untersuchung und Verteidigung (vgl. § 17 Abs. 1 Nr. 2), wodurch u.a. nach der Intention des BMJV die Beschlagnahme von Untersuchungsunterlagen zusätzlich rechtlich abgesichert werden soll.
  • Ununterbrochene und uneingeschränkte Zusammenarbeit mit den Verfolgungsbehörden (vgl. § 17 Abs. 1 Nr. 3) und die Herausgabe des Ergebnisses der verbandsinternen Untersuchung einschließlich aller für die verbandsinterne Untersuchung wesentlichen Dokumente, auf denen das Ergebnis beruht, sowie des Abschlussberichts, und zwar spätestens bis zur Eröffnung des Hauptverfahrens (vgl. § 17 Abs. 1 Nr. 4; Abs. 3 Satz 2).
  • Beachtung von Grundsätzen des fairen Verfahrens im Rahmen von Befragungen, wozu explizit auch die Einräumung von Auskunftsverweigerungsrechten in Mitarbeiter- und sonstigen Interviews gehört (vgl. § 17 Abs. 1 Nr. 5).
  • Wesentlicher Aufklärungsbeitrag hinsichtlich der Verbandstat sowie – und dies ist nun erstmals im Regierungsentwurf als zusätzliche Voraussetzung enthalten – hinsichtlich der (eigenen) Verbandsverantwortlichkeit (vgl. § 17 Abs. 1 Nr. 1).

Der Umstand, dass der Verband nunmehr neben einem wesentlichen Beitrag zur Aufklärung der Verbandstat auch einen wesentlichen Beitrag zur Aufklärung der (eigenen) Verbandsverantwortlichkeit soll leisten müssen, ist eine wesentliche Verschärfung gegenüber den Vorgaben des RefE, die durchaus bemerkenswert ist. Diese Änderung gegenüber dem RefE legt nahe, dass sich die Untersuchung bei entsprechenden Anhaltspunkten zwingend auch darauf beziehen muss, ob auf Leitungsebene relevante Aufsichtspflichten verletzt wurden. Damit liegt der Gesetzesentwurf auf der von vornherein eingeschlagenen harten Linie. Augenscheinlich ist es das Ziel, die Verteidigungsmöglichkeit von Unternehmen in Fällen von Wirtschaftskriminalität faktisch (nahezu) auszuhöhlen.

III. AUSBLICK: ERFAHRUNGEN UND WECHSELWIRKUNGEN MIT DEM KARTELL-RECHT

1. Einführung

Viele der mit dem VerSanG-RegE geplanten und zum Teil gerade von Strafrechtlern und Unternehmensvertretern heftig kritisierten Regelungen sind Kartellrechtlern bereits gut bekannt. So drohen bei Kartellrechtsverstößen seit Langem Bußgelder in Höhe von 10% des Konzernumsatzes. Auch ist es gelebte Praxis, dass Unternehmen im Rahmen von Bonusprogrammen mit den Kartellbehörden kooperieren und selbstbelastende Beweismittel preisgeben, um eine Bußgeldreduktionen zu erlangen. Insoweit liegt also das rechtspolitisch fragwürdige und mit § 17 VerSanG-RegE einhergehende Outsourcing der staatlichen Ermittlungsarbeit auf einer Linie mit dem Ansatz der Kartellbehörden. 

Umgekehrt zeigt die Erfahrung mit dem Kartellrecht, dass der Regierungsentwurf mit Blick auf die Bestimmtheit und Vorhersehbarkeit der Verfolgung Fragen aufwirft. So ist noch nicht absehbar, wann und in welchen Fällen Verdachtsmomente aufgegriffen werden, zumal die Anwendung von § 130 OWiG in der heutigen Praxis der Verfolgungsbehörden wohl eine allenfalls untergeordnete Rolle spielt. Auch die konkrete Anwendung des neuen Bußgeldrahmens scheint alles andere als bestimmt und vorhersehbar. Während das Bundeskartellamt der Bußgeldbemessung ein vorhersehbares System zugrunde legt, zeigt sich schon bei kartellrechtlichen Einspruchsverfahren vor dem OLG Düsseldorf, welches die Zumessungspraxis des Bundeskartellamts nicht beachtet, angesichts z.T. immenser Verböserungen (vgl. das Rossmann-Urteil), wie groß die Rechtsunsicherheit insoweit ist. Mit Blick auf die künftig zahlreich zuständigen Staatsanwaltschaften und Gerichte wird diese nochmals vergrößert.

2. Zuständigkeiten in Kartellsachen

Diese Unterschiede zwischen VerSanG-RegE und Kartellrecht führen auch zur Frage der Abgrenzung dieser Rechtsinstitute. So fallen grundsätzlich auch Kartellvergehen unter die Definition von § 2 Abs. 1 Nr. 3 VerSanG-RegE. Der Regierungsentwurf soll jedoch die besondere Sachkunde der Kartellbehörden nicht untergraben und sieht laut Gesetzesbegründung eine "faktisch[e] Bereichsausnahme" vor. So soll das VerSanG-RegE gemeinsam mit Änderungen von § 82 GWB und § 21 OWiG eine dreigeteilte Zuständigkeit normieren:

  • Individualbeschuldigte kartellrechtlicher Straftaten (v.a. § 298 StGB) werden nach wie vor durch die Staatsanwaltschaft strafrechtlich verfolgt.
  • Die Staatsanwaltschaft ist zudem gem. § 23 VerSanG-RegE zur Verfolgung von juristischen Personen und Personenvereinigungen wegen Kartellstraftaten berufen.
  • Die Festsetzung von Geldbußen gegen natürliche und juristische Personen oder Personenvereinigungen wegen Ordnungswidrigkeiten gem. § 81 GWB, auch wenn sie wie der Submissionsbetrug zugleich Straftatbestände verwirklichen, liegt nach § 82 GWB in den Händen der Kartellbehörden.

Die damit z.T. formell bestehende Doppelzuständigkeit bei der Verfolgung von juristischen Personen und Personenvereinigungen wird durch § 42 VerSanG-RegE geregelt. Hiernach teilt die Kartellbehörde den Verfolgungsbehörden mit, ob sie in einem Fall, der auch eine Verbandsverantwortlichkeit begründen könnte, ein Ordnungswidrigkeitenverfahren führen oder dieses einstellen wird. Aufgrund dieser Mitteilung muss die Verfolgungsbehörde von einer eigenen Verfolgung des Verbandes absehen. Umgekehrt muss die Verfolgungsbehörde vor eigenen Ermittlungen die zuständige Kartellbehörde um Mitteilung bitten, ob diese ein Verfahren führen oder einstellen möchte. Die Verfahrenshoheit liegt damit klar bei den Kartellbehörden. Diese können ein Verfahren selbst dann noch an sich ziehen, wenn bereits Anklage erhoben worden sein sollte.

Unklarheiten verbleiben, wenn die Kartellbehörde ein Verfahren noch nicht an sich gezogen oder eingeleitet hat. Ob eine Nichtausübung der Befugnis – bspw. aus Opportunitätsgründen – als eine Einstellung und Verfahrenshindernis für die Verfolgungsbehörde zu deuten ist, darf zumindest angezweifelt werden. In diesem Fall wäre folglich die Staatsanwaltschaft weiterhin zuständig und durch das Legalitätsprinzip zur Verfolgung des Verbands sogar verpflichtet. Eine vollständige "Bereichsausnahme" für das Kartellrecht scheint dem Regierungsentwurf damit nicht gänzlich geglückt, wobei fraglich ist, ob dies praxisrelevant werden wird.

3. Lessons (to be) learned?

Wenngleich damit den Kartellbehörden die Verfahrenshoheit obliegt und sie auch künftig nach ihren eigenen Regeln und unabhängig vom VerSanG-RegE verfahren können, ist fraglich, ob die Neuregelungen Einfluss auf Bußgeldverfahren beim Bundeskartellamt haben werden. So berücksichtigt das Bundeskartellamt z.B. vor und während einer Tat bereits bestehende Compliance-Maßnahmen bei der Bußgeldzumessung grundsätzlich nicht, wenngleich dies starke Anreize zum Wettbewerbsschutz setzen würde und auch vom BGH bereits aufgegriffen wurde (BGH, Urteil vom 9. Mai 2017, 1 StR 265/17). Insoweit muss sich das Bundeskartellamt der Frage stellen, ob die im VerSanG-RegE anerkannte, bußgeldmindernde Funktion von Compliance nun (endlich) auch in Kartellordnungswidrigkeitenverfahren Berücksichtigung finden wird. 

Darüber hinaus erscheint fraglich, ob das Bundeskartellamt ggf. auch Lehren aus §§ 17 und 18 VerSanG-RegE ziehen und z.B. zusätzliche Anforderungen für interne Untersuchungen in der Bonusbekanntmachung vorsehen wird. Anzeichen hierfür bestehen nicht, zumal Anreize für Kronzeugenzeugenanträge bei steigender Komplexität wohl verringert würden und beide Institute mitunter verschiedene Zwecke verfolgen. Schließlich erscheint auch fragwürdig, ob ein Nebeneinander von Wettbewerbsregister beim Bundeskartellamt und Verbandssaktionenregister praktisch sinnvoll und effizient sein kann.

IV. Fazit

Auch und gerade wenn man anerkennt, dass die Große Koalition mit dem Gesetzesvorhaben ein rechtspolitisches Signal setzen möchte, ist zu wünschen, dass bei einem "Verbandssanktionenrecht" bereits der erste Schuss sitzt. Dies ist in Anbetracht der zahlreichen gegenläufigen Interessen, die hier in Ausgleich zu bringen sind, kein leichtes Unterfangen. Es zeigt sich, um nur ein Beispiel zu nennen, bereits an dem durch § 3 Abs. 1 definierten Maßstab für die Verantwortlichkeit von Verbänden bei strafrechtlich relevanten Compliance-Verstößen, der äußerst streng – viele sagen zu streng – ausgefallen ist. Kritisch zu sehen ist insbesondere, dass im praktisch am häufigsten relevanten Fall einer Aufsichtspflichtverletzung die Verantwortlichkeit des Verbandes nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 unabhängig davon begründet sein kann, ob Leitungspersonen ein Verschulden (Vorsatz bzw. Fahrlässigkeit) zur Last zu legen ist.

Durch den Regierungsbeschluss ist es dennoch wahrscheinlich, dass das Gesetzesvorhaben in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden wird. Die nun anstehenden Beratungen in Bundestag und Bundesrat geben aber noch einmal die Möglichkeit, bei einigen Stellschrauben die unterschiedlichen Interessenlagen feiner auszutarieren. Insbesondere dürfte ein gemeinsames Interesse von Unternehmen und Politik daran bestehen, dass Mitarbeiter gegenüber ihrem Arbeitgeber wahrheitsgemäße Angaben machen und sich nicht auf ein ihnen von ihrem Arbeitgeber zur Erfüllung der Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 eingeräumtes Auskunftsverweigerungsrecht zurückziehen können. Denn nur aufgrund von wahrheitsgemäßen Auskünften kann das betroffene Unternehmen hinreichend auch an der Aufklärung mitwirken. Die berechtigten Interessen der Mitarbeiter könnten in einem Modell, das auch für "gute" verbandsinterne Untersuchungen ohne Aussageverweigerungsrechte auskommt, dadurch gewahrt werden, dass sie mit dem Recht ausgestattet würden, einer Weitergabe von Protokollen an die Verfolgungsbehörden zu widersprechen (sog. Widerspruchslösung).

Im Fall der Umsetzung werden die Kosten für Unternehmen im Bereich Compliance weiter steigen, auch wenn das Gesetz explizit keine neuen Vorgaben an ein angemessenes Compliance-Management statuiert. Steigende Kosten sowie das Fehlen handhabbarer Vorgaben für das Compliance-Management sind dabei zwei weitere zentrale Kritikpunkte an dem Gesetzesvorhaben in der vorliegenden Form. 

Bei Verabschiedung wird es ab Verkündung des Gesetzes eine Frist bis zum Inkrafttreten von zwei Jahren (bzw. vier Jahren für das Verbandssanktionenregister) geben. Der zweijährige Übergangszeitraum sollte dann in jedem Fall genutzt werden, um

  • die Leitungs- und nachgeordneten Führungsebenen zu sensibilisieren, 
  • die Wirksamkeit und Angemessenheit des Compliance-Management-Systems (erneut) zu hinterfragen und sicherzustellen, dass die Risikobereiche, für die das VerSanG-RegE die 10%ige Bußgelddrohung einführt, angemessen adressiert werden, sowie
  • die internen Prozesse und Leitfäden für den Umgang mit Verdachtsfällen, zur Durchführung von verbandsinternen Untersuchungen sowie - angesichts erweiterter Haftungsrisiken für Unternehmen - für M&A-Prozesse zu überprüfen.

Bereits jetzt empfiehlt es sich, aktuelle Entwicklungen im Bereich des Compliance Managements, interner Untersuchungen sowie M&A-Due Diligence genau zu verfolgen. Denn eins scheint klar: Die gesetzlichen Sanktionsandrohungen für aus Unternehmen heraus begangenes strafbares Fehlverhalten werden in Zukunft deutlich steigen und bei großen Unternehmen auch abseits spezieller Rechtsgebiete wie etwa dem Kartellrecht an Konzernumsätze anknüpfen.

Der Blogbeitrag steht hier für Sie zum Download bereit: Update Verbandssanktionenrecht – Der Regierungsentwurf des Gesetzes zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft vom 16. Juni 2020

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Update: Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität im neuen (und nun finalen) Emittentenleitfaden der BaFin

#GMW-BLOG: AKTUELLE RECHTS­­ENTWICK­LUNGEN

Update: Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität im neuen (und nun finalen) Emitten­tenleitfaden der BaFin

30. Juni 2020

In der aktuellen Ausgabe der AG geben Dr. Andreas Merkner, Dr. Marco Sustmann und Dr. Alexander Retsch ein Update zu den wesentlichen Neuerungen im neuen Modul C des Emittentenleitfadens der BaFin, das insbesondere die Themen Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität zusammenfassend darstellt. Der Beitrag ist in der AG 2020, 477 erschienen.

Den Artikel können Sie hier abrufen: Update: Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität im neuen (und nun finalen) Emittentenleitfaden der BaFin (Paywall)

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Das neue Modul C des Emittentenleitfadens der BaFin – Auswirkungen auf die Kapitalmarktkommunikation bei M&A-Transaktionen

#GMW-BLOG: AKTUELLE RECHTS­ENTWICKLUNGEN

Das neue Modul C des Emitten­tenleitfadens der BaFin - Aus­wir­kungen auf die Ka­pital­markt­kommuni­kation bei M&A-Trans­aktionen

22. Juni 2020

Wann lösen M&A-Transaktionen die Ad-hoc-Publizität börsennotierter Unternehmen aus? Diese und weitere Fragen klären Dr. Andreas Merkner, Dr. Marco Sustmann und Dr. Alexander Retsch in der aktuellen Ausgabe der NZG auf Basis des kürzlich erschienenen Moduls C des Emittentenleitfadens der BaFin. Der Beitrag ist in der NZG 2020, 688 erschienen.

Den Artikel können Sie hier abrufen: Das neue Modul C des Emittentenleitfadens der BaFin - Auswirkungen auf die Kapitalmarktkommunikation bei M&A-Transaktionen (Paywall)

 

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Bundesgerichtshof gewährt erstmalig Schadensersatz wegen Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung

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Bundes­gerichts­hof gewährt erst­malig Schadens­ersatz wegen Ver­letzung einer Gerichts­stands­verein­barung

4. Juni 2020

In einem zu Beginn des Jahres veröffentlichten Urteil hat der Bundesgerichtshof erstmalig einen Schadensersatzanspruch aufgrund der Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung zugesprochen (BGH, Urteil vom 17. Oktober 2019 – III ZR 42/19, NJW 2020, 399). Hierin ist eine beachtenswerte Neuerung zu sehen, weil der Bundesgerichtshof Gerichtsstandsvereinbarungen erstmalig im Grundsatz auch eine materiell-rechtliche Wirkung zugesprochen und entsprechend erst Schadensersatzansprüche aus der Verletzung solcher Vereinbarungen ermöglicht hat. Im Nachgang zu diesem Urteil stellen sich gleich verschiedene Folgefragen, die mit diesem Beitrag im Überblick beleuchtet werden sollen.

Sachverhalt

Dem Urteil lag im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde: Die in den USA ansässige Klägerin und die deutsche Beklagte sind Technologieunternehmen. Zwischen den Parteien existierte ein Vertrag, der unter anderem den Weitertransport des Datenverkehrs der jeweils anderen Partei vorsah. Für Streitigkeiten aus diesem Rechtsverhältnis wurde Bonn als Gerichtsstand bestimmt. Dennoch erhob die Klägerin in den USA Klage auf Aufstockung der Übertragungskapazität, die das US-Gericht wegen fehlender Zuständigkeit abwies. Die der Beklagten entstandenen Anwaltskosten erlegte das US-Gericht der Klägerin jedoch nicht auf. Als die Klägerin nunmehr am zuständigen Landgericht Bonn klagte, erhob die Beklagte Widerklage, mit der sie die Erstattung der in den USA entstandenen Anwaltskosten begehrte.

Urteilsbegründung

Der Bundesgerichtshof sprach der Beklagten den im Zuge der Widerklage geltend gemachten Schadensersatz zu und stützte diesen Anspruch auf §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB in Verbindung mit der Gerichtsstandsvereinbarung. Hierbei stellte der Bundesgerichtshof zunächst darauf ab, dass der Gerichtsstandsvereinbarung im Wege der Auslegung der Parteiwille zu entnehmen sei, entstehende Rechtsstreitigkeiten – samt der hierbei entstehenden Kosten – planbar zu machen. Diese Planbarkeit setze aber voraus, dass im Falle eines Verstoßes gegen die Gerichtsstandsvereinbarung durch eine Klage bei einem unzuständigen Gericht ein Schadensersatzanspruch wegen Nebenpflichtverletzung bestehe.

Zudem stellte der Bundesgerichtshof klar, dass auch die Rechtsnatur der Gerichtsstandsvereinbarung einem solchen Schadensersatzanspruch nicht entgegenstehe. Eine Gerichtsstandsvereinbarung sei zwar primär ein Vertrag zur Regelung prozessualer Beziehungen und entfalte somit zunächst nur prozessuale Wirkung. Es spreche allerdings nichts dagegen, einer derartigen Vereinbarung gleichzeitig materiell-rechtliche Wirkungen zuzuweisen und somit als Grundlage für einen Schadensersatzanspruch heranzuziehen.

Mit dieser Aussage beendet der Bundesgerichtshof bisherige Meinungsverschiedenheiten über die Rechtsnatur von Gerichtsstandsvereinbarungen und weist diesen materiell-rechtliche Wirkung zu. Folge dieser Klarstellung ist die Erkenntnis, dass auch ein Verstoß gegen Gerichtsstandsvereinbarungen einen Schadensersatzanspruch begründen kann. 

Folgefragen

Das Urteil wirft gleich drei sehr interessante Folgefragen auf, die nachstehend umrissen werden sollen: 

1. Schadensersatz auch bei Verstoß gegen innerdeutsche Gerichtsstandsvereinbarungen?

Naheliegend ist es zunächst, diese Rechtsprechung zu einem grenzüberschreitenden Sachverhalt auch auf nationale Fälle zu übertragen und Schadensersatz auch bei Verstoß gegen innerdeutsche Gerichtsstandsvereinbarungen anzunehmen. Eine Schadensersatzpflicht bei einem Verstoß gegen innerdeutsche Gerichtsstandsvereinbarungen dürfte allerdings weiterhin ausgeschlossen sein. 

Denn klagt eine Partei – unter Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung – an einem unzuständigen deutschen Gericht und verweist dieses Gericht die Klage an das zuständige Gericht weiter, entsteht bereits kein ersatzfähiger Schaden. Das deutsche Zivilprozessrecht gewährt grundsätzlich nur Erstattung der gesetzlichen Rechtsanwaltsgebühren und Gerichtskosten. Durch die Verweisung des aufgrund der Gerichtsstandsvereinbarung unzuständigen Gerichts an ein anderes Gericht allein entstehen aber keine weiteren gesetzlichen und somit auch keine erstattungsfähigen Kosten. Auch sofern etwa durch das Erfordernis einer weiteren mündlichen Verhandlung Mehraufwand in Form von Stundenhonoraren entstanden sein sollte, wären solche Kosten nicht erstattungsfähig. Vielmehr sind die gesetzlichen Kostenerstattungsansprüche zugleich die Obergrenze eines ersatzfähigen Schadens. 

Schadensersatzansprüche kommen somit auch nach diesem Urteil nur dann in Betracht, wenn entgegen einer Gerichtsstandsvereinbarung bei einem – unzuständigen – Gericht im Ausland geklagt würde und dieses den Kläger im Rahmen der Klageabweisung wegen Unzuständigkeit nicht zur Übernahme der entstandenen Kosten verurteilt hat. In derartigen Konstellationen können allerdings ganz beachtliche Schadenshöhen entstehen, da eine Begrenzung des Schadens der Höhe nach mangels Anwendbarkeit der im deutschen Zivilprozess heranzuziehenden gesetzlichen Gebührentatbestände nicht anzunehmen sein wird. Insbesondere bei europäischen Sachverhalten werden hier allerdings zukünftig noch eine Vielzahl von Einzelfragen im Zusammenhang mit der europäischen Zuständigkeitsordnung zu klären sein. 

2. Entstehen Schadensersatzsprüche bei unstatthafter Schiedsklage?

Neben der Verletzung von Gerichtsstandsvereinbarungen könnten nunmehr auch durch die Erhebung einer unstatthaften Schiedsklage Schadensersatzansprüche ausgelöst werden. 

Die zentrale Aussage des Bundesgerichtshofs, nach der Gerichtsstandsvereinbarungen materiell-rechtliche Wirkung entfalten, dürfte nämlich auch auf Schiedsvereinbarungen zu übertragen sein. Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass Schiedsvereinbarungen und Gerichtsstandsvereinbarungen in ihrer Wirkung weitestgehend gleichlaufen und somit kein Grund für eine Ungleichbehandlung erkennbar ist. 

Somit liegen auch bei Einleitung eines unstatthaften Schiedsverfahrens Schadensersatzansprüche in Höhe der hierdurch entstehenden Kosten nahe. In der Praxis sind insbesondere Konstellationen denkbar, in denen eine Schiedsklägerin auf Grundlage einer unzureichenden Schiedsvereinbarung Schiedsklage erhebt – etwa weil die geltend gemachten Ansprüche nicht von der Schiedsvereinbarung gedeckt werden.

Der durch die Einleitung eines unstatthaften Schiedsverfahrens entstehende Schaden wäre nach deutschem Kostenrecht im Grundsatz ebenfalls nicht der Höhe nach begrenzt. Ein möglicher Schadensersatzanspruch wäre somit – auch bei einem innerdeutschen Schiedsverfahren – nicht aufgrund der gesetzlichen Kostenerstattungsansprüche begrenzt. Vielmehr können aufgrund der in einem Schiedsverfahren entstehenden Kosten – je nach Stand des Verfahrens und entfaltetem Aufwand – durchaus hohe Beträge als Schaden geltend gemacht werden.

3. Eröffnet das Urteil gar den Weg zu Prozessführungsverboten (anti-suit injunctions) im deutschen Recht?

Zuletzt stellt sich die Frage, ob das Urteil ein Schritt in Richtung Prozessführungsverbote (anti-suit injunctions) im deutschen Recht ist. 

Andere Rechtsordnungen ermöglichen es, der gegen eine Gerichtsstandsvereinbarung (oder eine Schiedsvereinbarung) verstoßenden Partei schlicht die vertragswidrige Prozessführung zu untersagen. In Deutschland werden derartige Prozessführungsverbote – jedenfalls in der Nachkriegszeit – abgelehnt. Begründet wird dies vielfach mit der prozessualen Natur einer Gerichtsstandvereinbarung (bzw. Schiedsvereinbarung) und dem Hinweis, dass eine solche Vereinbarung keinen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Unterlassung einer vertragswidrigen Prozessführung gewähre. In Europäischen Sachverhalten wird zudem darauf verwiesen, dass Prozessführungsverbote nicht mit der Europäischen Zuständigkeitsordnung vereinbar sind. Denn hiernach müssen innerhalb Europas angerufene Gerichte die Möglichkeit haben, über die eigene Zuständigkeit zu entscheiden, was durch den Erlass von Prozessführungsverboten untergraben werden könnte.

Interessanterweise ließ sich der Bundesgerichtshof in dem Urteil auch zur Frage der Zulässigkeit von Prozessführungsverboten aus. Dies allerdings ohne hierzu abschließende Klarheit zu schaffen. Der Bundesgerichtshof lehnt Prozessführungsverbote zwar weiterhin ab, verweist hierbei aber nur auf den europäischen Rechtsrahmen und betont sogar ausdrücklich, dass die aus der Europäischen Zuständigkeitsordnung folgenden Erwägungen im Verhältnis zu Drittstaaten nicht verfangen. Hieraus könnte gefolgert werden, dass eine deutsche anti-suit injunction gegen einen in einem Drittstaat vertragswidrig angestrengten Rechtsstreit durchaus zulässig sein könnte. Dies böte mitunter Raum für ganz neue Verteidigungsstrategien und hätte es dem an dem Verfahren beteiligten Bonner Unternehmen mitunter erlaubt, sich der Durchführung des gerichtlichen Verfahrens in USA von vornherein zu entziehen.

GLADE MICHEL WIRTZ wird Sie an dieser Stelle fortlaufend über die weitere Entwicklung sowie den derzeitigen Stand der Diskussion informieren. Gerne stehen wir auch für einen Austausch zu diesem Thema jederzeit zur Verfügung.

Der Blogbeitrag steht hier für Sie zum Download bereit: Bundesgerichtshof gewährt erstmalig Schadensersatz wegen Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung

 

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Gesetzentwurf zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts vorgelegt

#GMW-BLOG: AKTUELLE RECHTS­ENTWICKLUNGEN

Gesetz­entwurf zur Mo­der­ni­sierung des Per­sonen­gesell­schafts­rechts vor­gelegt

15. Mai 2020

Am 20. April 2020 hat die von dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) eingesetzte Expertenkommission einen Gesetzentwurf zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts vorgelegt.

Ziel der Expertenkommission ist es, wie es das BMJV selbst formuliert, "das Teils noch aus dem 19. Jahrhundert stammende Personengesellschaftsrecht den Anforderungen an ein modernes Wirtschaftsleben anzupassen". Dies erscheint mehr als notwendig, zumal mit der Anerkennung der Rechtsfähigkeit der GbR geradezu ein grundlegender Systemwechsel vollzogen wurde, ohne dass die gesetzlichen Regelungen entsprechend angepasst wurden.

Vor diesem Hintergrund sind vor allem in der jüngeren Vergangenheit vielfach Spannun-gen zwischen dem geschriebenen Gesetzesrecht und der Rechtsanwendung in Rechtsprechung und Vertragsgestaltung aufgetreten. Dies führte freilich zu – vor allem aus Mandantensicht mehr als unbefriedigenden – Rechtsunsicherheiten, die nunmehr hoffentlich mit der angestrebten Reform jedenfalls teilweise beseitigt werden.

Auch wenn der Gesetzentwurf mit Sicherheit noch eine Vielzahl von Änderungen und Ergänzungen erfahren wird, sind bereits zu diesem Zeitpunkt Schwerpunkte erkennbar. Hierrüber möchten wir nachstehend einen allerersten Überblick geben:

1. Anpassung des Rechts der GbR

Wie bereits eingehend erwähnt, hat vor allem das Recht der GbR in der jüngeren Vergangenheit einen ganz grundsätzlichen Systemwechsel vollzogen. Mit seiner "Jahrhundert-Entscheidung" hat der zweite Zivilsenat des Bundesgerichtshofs im Jahr 2001 die Rechtsfähigkeit der GbR anerkannt und hiermit das bis dahin gelebte Gesamthandsprinzip über Bord geworfen. 

Ein derart grundsätzlicher Systemwechsel führte selbstredend zu vielfältigen Folgefragen, die nunmehr auch von Seiten des Gesetzgebers grundlegend angegangen werden. Es verwundert insofern nicht, dass die Modernisierung des Rechts der GbR den Schwerpunkt des Entwurfs bildet. So soll mit der Reform ganz grundsätzlich das "gesetzliche Leitbild der GbR" von einer "nicht rechtsfähigen Gelegenheitsgesellschaft auf eine rechtlich verselbstständigte und auf gewisse Dauer angelegte Gesellschaft umgestellt" werden. Die GbR wird hierdurch zugleich Grundform aller rechtsfähigen Personengesellschaften wie der OHG, der KG und der PartGG. 

Diesem Systemwechsel wird in dem Entwurf zuvorderst dadurch Rechnung getragen, dass die GbR und ihre Legitimation im Rechtsverkehr durch ein – zurecht vielfach gefordertes – Register gestärkt wird. In dem geplanten GbR-Register sollen insbesondere Name und Sitz der GbR, Identität der Gesellschafter und Vertretungsregelung einer nach Außen auftretenden GbR publiziert werden.

Zwar soll die Registrierung ausweislich des Entwurfes zunächst freiwillig bleiben, diese Freiwilligkeit wird jedoch dort eingeschränkt, wo eine GbR bestimmte Rechtsvorgänge, wie insbesondere den Erwerb von Grundstücken, vornehmen möchte. Zudem ist die Registrierung einer GbR zugleich Voraussetzung für die ebenfalls im Gesetzesentwurf neu vorgesehene Umwandlungsfähigkeit der GbR. Somit kann auch eine GbR zukünftig an Verschmelzungen, Spaltungen und Formwechseln beteiligt werden.

Das im Wesentlichen durch die Anerkennung der Rechtsfähigkeit der GbR durch die Rechtsprechung geschaffene Haftungsregime bleibt indes – soweit auf dem ersten Blick ersichtlich – unverändert. Somit haften die Gesellschafter einer GbR weiterhin unmittelbar, persönlich und unbeschränkt für Verbindlichkeiten der GbR. Eine Beschränkung dieser Gesellschafterhaftung ist im Kommissionsentwurf nicht vorgesehen.

2. Anpassungen im allgemeinen Personengesellschaftsrecht

Der Grundsatz der Gestaltungsfreiheit von Gesellschaftsverträgen wird im Bereich der Personengesellschaften zukünftig bestehen bleiben. Die Gesellschafter bleiben insbesondere im Verhältnis untereinander frei, verschiedenartige Vereinbarungen zu treffen. Freilich ist insbesondere mit Blick auf bestehende Gesellschaftsverträge zu prüfen, inwiefern durch die Gesetzesreform etwaige Anpassungen erforderlich werden.

Auch die im Personengesellschaftsrecht für die Trennung zwischen GbR und gewerblichen Personenhandelsgesellschaften (OHG und KG) maßgebende Orientierung am Kaufmannsbegriff bleibt erhalten. Der Gesetzesentwurf sieht hier allerdings vor, dass zukünftig auch Freiberufler eine Personenhandelsgesellschaft und damit vor allem auch die Rechtsform einer GmbH & Co. KG wählen können. 

Vorgesehen ist überdies, dass eine nach deutschen Recht gegründete Personengesellschaft einen Sitz außerhalb Deutschlands wählen und somit ihre Geschäftstätigkeit außerhalb des Hoheitsgebiets der Bundesrepublik Deutschland entfalten kann, ohne auf die bestehende Rechtsform verzichten zu müssen. Hier erfolgt also eine Anpassung an die bestehenden kapitalgesellschaftsrechtlichen Möglichkeiten. 

3. Beschlussmängelrecht

Besonders begrüßenswert ist aus hiesiger Sicht die angestrebte Reform des Beschlussmängelrechts. Soweit der Entwurf erkennen lässt, wird das Beschlussmängelrecht an das im Kapitalgesellschaftsrecht erprobte Anfechtungsregime angeglichen. 

Dies hat zunächst Auswirkung auf die Wirksamkeit angegriffener Gesellschafterbeschlüsse während eines laufenden Beschlussmängelstreits. Während bislang bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung Unsicherheiten bzgl. der Wirksamkeit eines Beschlusses bestanden, wird zukünftig die Wirksamkeit bis zum Erlass eines rechtskräftigen Anfechtungsurteils feststehen. Einzig in "schweren" Fällen wird es nach dem Entwurf weiterhin bei der Nichtigkeit eines Beschlusses bleiben. 

Zu erwarten ist zudem eine Vereinfachung des personengesellschaftsrechtlichen Beschlussmängelstreits durch die Einführung der Passivlegitimation der Gesellschaft. Ohne eine – sehr zu empfehlende – Abweichung im Gesellschaftsvertrag ist ein Beschlussmängelstreit im Personengesellschaftsrecht bislang nicht gegen die Gesellschaft, sondern gegen die Mitgesellschafter zu führen. Die regelmäßig hierbei auftretenden prozessualen Komplikationen und prozessökonomischen Nachteile werden somit ausgeschlossen.

4. Ausblick

Der vorgelegte Gesetzesentwurf ist bereits allein aufgrund des immensen Anpassungsbedarfs an die durch die Rechtsprechung herbeigeführten Systemänderungen zu begrüßen. Es bleibt selbstredend abzuwarten, welche Änderungen, Anpassungen und Ergänzungen der Entwurf noch erfahren wird. 

GLADE MICHEL WIRTZ wird Sie an dieser Stelle fortlaufend über die weitere Entwicklung sowie den derzeitigen Stand der Diskussion informieren. Gerne stehen wir auch für einen Austausch zu diesem Thema jederzeit zur Verfügung.

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Q&As im Zusammenhang mit dem deutschen Kartellrecht (EN)

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Q&As im Zusammenhang mit dem deutschen Kartellrecht (EN)

Welche wesentlichen Schritte erfolgen regelmäßig im Rahmen einer Kartelluntersuchung? Wie läuft das kartellrechtliche Kronzeugenprogramm ab? Diese und weitere Fragen beantworten unsere Kartellrechtspartner Dr. Markus Wirtz und Dr. Christian Karbaum im jüngst erschienenen internationalen Legal500 "Cartels Country Comparative Guide", der einen aktuellen Überblick über das Kartellrecht in Deutschland gibt.

Der Beitrag steht hier für Sie zum Download bereit: Q&As im Zusammenhang mit dem deutschen Kartellrecht (EN)

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Update Verbandssanktionenrecht – Veröffentlichung des Referentenentwurfs

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Update Verbands­sanktionen­recht – Ver­öffent­lichung des Referen­ten­entwurfs

7. Mai 2020

Am 22. April 2020 hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz ("BMJV") den Referentenentwurf für ein Verbandssanktionengesetz ("VerSanG") veröffentlicht.

Mit dem Gesetzesvorhaben wird auf der Basis des Koalitionsvertrags das Ziel verfolgt, durch Schaffung eines neuen Gesetzes – des VerSanG – die Sanktionierung von Verbänden wegen aus der Organisation heraus begangener, verbandsbezogener Straftaten auf eine eigenständige gesetzliche Grundlage zu stellen, die Verfolgung dem Legalitätsprinzip zu unterstellen und ein eigenständiges Sanktionsinstrumentarium zu etablieren, um eine gegenüber dem heutigen Status Quo weitergehende Ahndung der Verbände zu ermöglichen. Zugleich sollen Compliance-Maßnahmen gefördert und wirksame Anreize geschaffen werden, damit Verbände mittels verbandsinterner Untersuchungen wesentlich zur Aufklärung von verbandsbezogenen Straftaten beitragen.

Nachstehend möchten wir ergänzend zu unseren am 26. Februar 2020 bei LinkedIn veröffentlichten Beitrag, in dem wir uns mit den Regelungsvorschlägen des BMJV bereits näher auseinandergesetzt haben, einen kurzen Überblick zum aktuellen Stand des Gesetzesvorhabens geben.

Beibehaltung des grundsätzlichen Regelungsansatzes

Festzustellen ist zunächst, dass das BMJV in dem nun veröffentlichten Referentenentwurf ("Referentenentwurf 2020") die in der bereits viel diskutierten, inoffiziellen Entwurfsfassung vom 15. August 2019 ("Inoffizieller Referentenentwurf 2019") eingeschlagene Linie grundsätzlich beibehält. Gleichzeitig zeigt der Referentenentwurf 2020 aber auch, dass beim BMJV Hinweise und Bedenken aus der Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Wissenschaft und Praxis nicht vollkommen ungehört verhallt sind. Allerdings sind die vorgenommenen Änderungen, jedenfalls aus der Sicht von Unternehmen, eher punktueller Natur. 

Punktuelle Modifikationen

Der Referentenentwurf 2020 weist insbesondere in den folgenden Punkten Änderungen bzw. Anpassungen gegenüber dem Inoffiziellen Referentenentwurf 2019 auf:

1.   Keine Anwendbarkeit auf nichtwirtschaftliche Verbände

Zunächst sollen die Regelungen des VerSanG nunmehr ausschließlich auf wirtschaftliche Verbände bezogen werden. Für andere Verbände soll es bei der bisherigen Regelung des § 30 OWiG und damit der Geltung des Opportunitätsprinzips bleiben. Die erforderliche Abgrenzung soll sich nach den Grundsätzen richten, die für die Abgrenzung zwischen ideellen und wirtschaftlichen Vereinen gelten. Es entstünden damit unterschiedliche Zuständigkeiten: Für nichtwirtschaftliche Verbände soll es auch bei Vorliegen einer verbandsbezogenen Straftat bei dem bereits heute geltenden Regelungsregime bleiben, d.h. in Betracht käme der Erlass eines ordnungswidrigkeitenrechtlichen Bußgeldbescheides durch die Staatsanwaltschaft bzw. die Verfolgungsbehörde. Erst bei Einspruchseinlegung wäre eine gerichtliche Zuständigkeit begründet. Bei wirtschaftlichen Verbänden, also Unternehmen, wäre dagegen im Anwendungsbereich des VerSanG von der Staatsanwaltschaft bzw. der Verfolgungsbehörde öffentliche Anklage vor dem zuständigen Gericht (Schöffengericht; Strafkammer) zu erheben, welches dann nach Maßgabe des VerSanG und den Verfahrensregeln der StPO und des GVG über die Verhängung sowie Art und Höhe einer Verbandssanktion entscheiden würde.

2.   Punktuelle Konkretisierung von Anforderungen an das Compliance-Management (nur) in der Gesetzesbegründung

Bezüglich der Ausgestaltung des Compliance-Managements lässt der Referentenentwurf 2020 weiter offen, was von Unternehmen konkret zu tun ist, um bei Mitarbeiterkriminalität eine Verbandsverantwortlichkeit nach dem VerSanG möglichst auszuschließen. Allerdings wird nunmehr in der Gesetzesbegründung zu § 3 VerSanG über den im Inoffiziellen Referentenentwurf 2019 verfolgten Ansatz hinaus deutlich, dass nicht nur bei kleinen, sondern auch bei mittleren Unternehmen mit geringem Risiko von Rechtsverletzungen wenige einfache Vorkehrungsmaßnahmen ausreichend sein können und dass bei solchen Unternehmen der "Zukauf" eines Compliance-Programms oder von Zertifizierungen insoweit "regelmäßig nicht erforderlich" sei. Auch findet sich in der Gesetzesbegründung zu § 3 VerSanG nun die – banale, aber gleichwohl wichtige – Aussage, dass ein "lückenloser" Schutz gegen Straftaten nicht zu gewährleisten sein wird.

3.   Streichung der Verbandsauflösung als Sanktionsinstrument

Im Hinblick auf die Sanktionierungsinstrumente ist im Referentenentwurf 2020 nunmehr, was erwartet worden war, von der Möglichkeit zur Auflösung von Verbänden als Ultima Ratio abgesehen worden. Die Instrumente der Verbandssanktionierung im engeren Sinne sollen sich damit auf die Verbandsgeldsanktion und die Verwarnung mit Verbandsgeldsanktionsvorbehalt beschränken. Die Verbandsgeldsanktion soll für Unternehmen mit einem durchschnittlichen (Konzern-)Jahresumsatz von mehr als EUR 100 Mio. weiter umsatzabhängig bemessen werden und bis zu 10 % des durchschnittlichen Jahresumsatzes der letzten drei Geschäftsjahre, die der Verurteilung vorausgehen, betragen können.

4.   Punktuelle Konkretisierung der Voraussetzungen und Rechtsfolgen "guter" verbandsinterner Untersuchungen

Der Referentenentwurf 2020 formuliert in § 17 Abs. 1 VerSanG weiter strenge Anforderungen an verbandsinterne Untersuchungen, die erfüllt sein müssen, damit ein Verband in den Genuss einer "vertypten" Sanktionsmilderung gemäß § 18 VerSanG kommen kann, u.a. das Erfordernis einer Trennung zwischen verbandsinterner Untersuchung und Verteidigung. Im Referentenentwurf 2020 nicht mehr vorgesehen ist indes das Erfordernis, dass "die verbandsinterne Untersuchung in Übereinstimmung mit den geltenden Gesetzen durchgeführt" wird. Diese im Inoffiziellen Referentenentwurf 2019 noch vorgesehene Voraussetzung wurde nahezu allgemein mit Sorge betrachtet, da hiernach insbesondere auch geringfügige Gesetzesverletzungen, etwa im Bereich des Datenschutzrechts, geeignet gewesen wären, einer "vertypten" Milderung entgegenzustehen. Das BMJV hat dieses Erfordernis daher im Referentenentwurf 2020 gestrichen. Es hat jedoch gleichzeitig in der Begründung zu § 17 Abs. 1 VerSanG klargestellt, dass es für eine sanktionsmildernde Berücksichtigung von verbandsinternen Untersuchungen "selbstverständlich" sei, dass diese in Übereinstimmung mit den geltenden Gesetzen durchgeführt werde. Sofern bei Durchführung einer verbandsinternen Untersuchung die gesetzlichen Anforderungen erfüllt werden, "soll" nach § 17 Abs. 1 VerSanG das Gericht eine Verbandssanktion mildern. Bei solchen "guten" verbandsinternen Untersuchungen wäre das Gericht also – anders noch als beim Inoffiziellen Referentenentwurf 2019, der insoweit lediglich eine "Kann"-Vorschrift vorsah – in dem Ermessen, ob die Sanktion nach Maßgabe der §§ 17, 18 VerSanG gemildert wird, gebunden. Andererseits gibt die Regelung den Gerichten genügend Raum, um bei verbandsinternen Untersuchungen, die zwar den Vorgabenkatalog des § 17 Abs. 1 VerSanG einhalten, aber im Übrigen geltende Rechtsprinzipien verletzten, eine Privilegierung nach Maßgabe der §§ 17, 18 VerSanG zu versagen. Ausdrücklich ausgeschlossen soll eine Milderung nach § 17 Abs. 3 S. 2 VerSanG nunmehr sein, wenn Ergebnisse der verbandsinternen Untersuchung erst nach Eröffnung des Hauptverfahrens offenbart werden.

5.   Aufweichung der "gesetzgeberischen Tons"

Die Bezeichnung des Artikelgesetzes, in welches das VerSanG eingebettet ist, soll nunmehr "Gesetz zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft" lauten, womit anstatt der Sanktionswirkung wohl der Präventionsgedanke des Gesetzes stärker zum Ausdruck gebracht werden soll. Zunächst war als Bezeichnung "Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität" angedacht, was jedoch Kritik hervorgerufen hatte. Zudem ist in Bezug auf die Anknüpfungstat terminologisch nicht mehr von der "Verbandsstraftat", sondern lediglich noch von der "Verbandstat" die Rede. Die Bezeichnung des Stammgesetzes als "Verbandssanktionengesetz" soll dagegen bestehen bleiben.

III. Weiterer Gang des Gesetzgebungsvorhabens

Die vom BMJV noch vorgenommenen Anpassungen ändern nichts daran, dass weiter ein strenges Verbandssanktionenrecht zur politischen Diskussion steht. Einer Umsetzung des Gesetzesvorhabens stehen nach Auffassung des BMJV die absehbar noch weiter bevorstehenden wirtschaftlich schweren Zeiten nicht entgegen. Das BMJV hat von ausgewählten Verbänden bis Mitte Juni 2020 eine Stellungnahme erbeten und signalisiert, dass auf ministerielles Interesse insbesondere Stellungnahmen 

- zur vorgesehenen Begrenzung des Anwendungsbereichs auf wirtschaftliche Verbände,

- zur im Rahmen des § 17 VerSanG vorgesehenen zwingenden Trennung von verbandsinternen Untersuchungen und Verteidigung

- zum Instrument der öffentlichen Bekanntmachung bestimmter Verbandsanktionierungen (sog. Naming & Shaming)

stoßen werden.

Es steht zu erwarten, dass nach Ablauf der Stellungnahmefrist zügig die Abstimmung innerhalb der Bundesregierung gesucht werden wird, damit sodann möglichst zeitnah auch der formale Gesetzgebungsprozess angestoßen werden kann.

Der Blogbeitrag steht hier für Sie zum Download bereit: Update Verbandssanktionenrecht – Veröffentlichung des Referentenentwurfs

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BaFin nimmt Anregungen aus der Praxis auf

#GMW-BLOG: AKTUELLE RECHTS­­ENTWICK­LUNGEN

BaFin nimmt Anregungen aus der Praxis auf

4. Mai 2020

Am 23. April 2020 hat die BaFin das finale Modul C des Emittentenleitfadens veröffentlicht. In ihm ist unter anderem die Verwaltungspraxis zu den Themen Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität zusammengefasst. Andreas Merkner und Marco Sustmann haben sich die wesentlichen Neuerungen im Vergleich zu der Konsultationsfassung aus Juli 2019 angesehen und die Erkenntnisse in einem Artikel der Börsen-Zeitung zusammengefasst. 

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Kündigung von Lieferverträgen – Der Fall Prevent gegen VW

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Kündigung von Liefer­verträgen - Der Fall Prevent gegen VW

16. April 2020

Die vielbeachtete Auseinandersetzung zwischen VW und dem Zulieferer Prevent zieht sich seit 2016. Sie hat mit dem am 5. Februar 2020 ergangenen Urteil des OLG Düsseldorf (Az. U (Kart) 4/19) einen weiteren Höhepunkt erreicht (Hier klicken).

Zwei Konzerngesellschaften von Prevent (Car Trim und ES Guss) hatten im August 2016 die Belieferung von VW eingestellt, um höhere Preise für Sitzteile und Getriebegehäuse durchzusetzen. Es kam zu Produktionsstillständen bei VW. Um die Produktion nicht weiter zu gefährden, gab VW den Preisforderungen nach, baute aber parallel alternative Lieferanten auf. Nach erneuten Preiserhöhungsforderungen kündigte VW 2018 alle Verträge mit Unternehmen der Prevent Gruppe. VW verlangt nach Presseberichten nunmehr Schadensersatz für den Lieferstopp 2016. Prevent TWB ("Prevent") wiederum verlangt von VW und Audi Schadensersatz für die Vertragskündigung 2018. Mit der Klage von Prevent befasst sich das Urteil des OLG Düsseldorf.

Sachverhalt

Im Herbst 2017 forderte Prevent von VW und Audi einen Preisaufschlag von bis zu 25 % für Lieferungen (von Hintersitzrahmen) ab Januar 2018. Prevent rechtfertigte die Preiserhöhung mit einer erwarteten, abschlägigen Entscheidung des VW-Konzerns bei der Vergabe von Nachfolgeprojekten, die eine Neukalkulation erforderlich mache.

VW versuchte in der Folgezeit erfolglos zu klären, welche Konsequenzen Prevent ziehen würde, falls die Preiserhöhungen nicht akzeptiert werden. Prevent hatte sich hierzu nicht klar positioniert, sodass VW und Audi mit einem Lieferstopp rechneten (wie bereits 2016). Aufgrund dessen sprachen VW und Audi Ende März 2018 gegenüber Prevent eine ordentliche Kündigung aller vertraglichen Beziehungen mit einer Frist von 12 Monaten – zum 31. März 2019 – aus. VW erklärte mit Schreiben vom 4. Mai 2018 zudem die außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund ebenfalls zum 31. März 2019.

In dem Rechtsstreit machte Prevent geltend, VW und Audi seien aufgrund einer vertraglich in sog. Nomination Letters vereinbarten Bezugspflicht zu einer 100%igen Deckung ihres spezifischen Bedarfs bei Prevent verpflichtet. Diese Quote sei unterschritten worden. Zudem seien VW und Audi auch nach dem 31. März 2019 zur Abnahme der Teile verpflichtet gewesen, weil sie die Vertragsverhältnisse nicht wirksam gekündigt hätten.

Urteil des OLG Düsseldorf

In rechtlicher Hinsicht war zum einen zwischen dem Zeitraum bis 31. März 2019 (angebliches Wirksamwerden der Kündigungen) und ab 1. April 2019 zu differenzieren und zum anderen zwischen den beklagten Unternehmen Audi und VW zu unterscheiden. Das LG Dortmund hatte die Klage von Prevent noch insgesamt abgewiesen; das OLG Düsseldorf sieht das in Bezug auf Audi anders.

Kein Anspruch auf Bezug von 100%

Nach Auffassung des OLG Düsseldorf stehe Prevent gegen VW und Audi wegen des Bezugs von Vertragsprodukten auch bei Dritten weder aus Vertrag (§§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB) noch nach Kartellrecht (§ 33a GWB) Schadensersatz zu. Weder VW noch Audi hätten eine Pflichtverletzung begangen, indem sie ihren Bedarf nicht zu 100%, sondern lediglich zu 80% über Bezüge von Prevent deckten.

Damit stärkt das OLG Düsseldorf die Bedeutung der Nomination Letters. Diese hätten die Bezugspflichten auf 80% des Bedarfs der jeweils eigenen Marken beschränkt. Die Vereinbarung eines Lieferanteils von 80% sei zur Absicherung der kartellrechtlichen Vertragswirksamkeit gewollt gewesen; den Parteien war bewusst, dass der Vertrag bei einer Exklusivbeauftragung angesichts seiner Laufzeit gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. a) Vertikal-GVO nicht nach Art. 101 Abs. 3 AEUV, Art. 2 Vertikal-GVO freigestellt sein würde und deshalb unter Umständen gegen § 1 GWB oder Art. 101 Abs. 1 AEUV verstoßen und nichtig sein würde. Eine solche Vertragsnichtigkeit hätten die Parteien mit der Beauftragung eines Lieferanteils von nur 80% vermeiden wollen.

Ein Verstoß gegen die kartellrechtlichen Missbrauchsvorschriften sei ebenfalls nicht festzustellen. Prevent hatte argumentiert, als Entwicklungspartner von VW maßgeblich zur Entwicklung der Teile beigetragen zu haben und das Teile-Konzept im Zuge des Vertragsschlusses auf VW übertragen zu haben. Dies lies das OLG Düsseldorf als Begründung für eine ausschließliche Bezugspflicht jedoch nicht gelten. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses sei VW weder markt-beherrschend auf dem Nachfragemarkt gewesen noch war Prevent abhängig von VW, denn die Produktion der Teile (Hintersitzlehnen) war noch nicht angelaufen.

Ordentliche Kündigungen unwirksam

Einen Anspruch auf Abnahme der produzierten Teile habe Prevent daher nur im Umfang der im Nomination Letter genannten 80% der jeweiligen Markenbedarfe gehabt. Diese Pflicht zur Abnahme der Teile sei nicht durch die ordentlichen Kündigungen entfallen, die VW und Audi erklärt haben.

Ausweislich der Lastenhefte entspreche die Laufzeit des Nomination Letter grundsätzlich der Laufzeit des Bauteils bis EOP (End of Production) zuzüglich der Ersatzteilphase. Die Lastenhefte seien AGB iSv §§ 305 ff. BGB und wirksam einbezogen worden. Ein Recht zur ordentlichen Kündigung habe daher nicht bestanden.

Außerordentliche Kündigung wirksam

Die Wertung des OLG Düsseldorf war misslich für Audi, weil allein VW zusätzlich eine außerordentliche Kündigung erklärt hatte. Diese war gleich mehrfach begründet worden. Das OLG Düsseldorf hielt die geltend gemachte unerlaubte Weitergabe einer vertraulichen VW-Vorstandsvorlage allerdings nicht für ausreichend, weil sich der Weg der Veröffentlichung nicht feststellen ließ. Auch die Forderung der Preiserhöhung ließ das Gericht nicht gelten, weil VW ihr nicht habe zustimmen müssen. Schließlich war das Berufen von VW auf die im Lastenheft genannten außerordentlichen Kündigungsrechte vergeblich. Denn das OLG hält sämtliche dieser außerordentlichen Kündigungsrechte für AGB-rechtlich unwirksam (§ 307 BGB). Sie sähen allein Rechte für VW vor, nicht zugunsten des Lieferanten. Sie enthielten zahlreiche Kündigungserleichterungen und beschränkten sich nicht auf wichtige Gründe. Zudem seien sie nicht auf Gründe aus der Risikosphäre des Lieferanten beschränkt, sondern erlaubten z.B. auch die Kündigung, wenn VW aus wichtigen Gründen auf die Weiterverfolgung des Projekts verzichtet.

Zulässig aber war eine außerordentliche Kündigung aufgrund der impliziten Drohung von Prevent mit einem Lieferstopp. Das Preiserhöhungsverlangen sei unberechtigt gewesen, weil ein Anspruch auf Beauftragung in der Zukunft nicht bestanden habe. Trotz mehrfacher Aufforderung zur Klarstellung habe Prevent die Drohung mit einem Lieferstopp im Raum stehen lassen, was einer "Erpressung" gleichkomme. Eine Abmahnung durch VW sei in dieser Situation entbehrlich gewesen. Dass VW sich auf die Drohung in der Kündigung nicht berufen hatte, war unschädlich, weil im entschiedenen Fall die Voraussetzungen für ein zulässiges Nachschieben von Gründen erfüllt seien.

Die Kündigung sei auch nicht aus kartellrechtlichen Gründen unwirksam, weil auch bei einer unterstellten Normadressateneigenschaft von VW die §§ 19, 20 GWB nicht untersagten, ein Vertragsverhältnis aus wichtigem Grund – erst recht mit Jahresfrist – zu kündigen.

Schlussfolgerung für die Praxis

Für Zulieferunternehmen illustriert das Urteil zunächst, dass Bezugspflichten i.H.v. 80% eines bestimmten Bedarfs kartellrechtlich zulässig und in Übereinstimmung mit der Vertikal-GVO geregelt werden können.

Bei einem Preiserhöhungsverlangen während der Vertragslaufzeit ist Vorsicht hinsichtlich der Kommunikation mit dem Vertragspartner geboten. Nicht anzuraten ist, den Vertragspartner durch Schweigen im Unklaren über die ihm bevorstehenden Folgen einer Zurückweisung der Preiserhöhung zu lassen. Denn ein solches Schweigen kann unter Umständen vom Abnehmer als eine konkludente Drohung mit einem Lieferstopp verstanden werden, die ihn zu einer außerordentlichen Kündigung berechtigen dürfte.

In Lastenheften genannte außerordentliche Kündigungsgründe können der AGB-Kontrolle unterliegen und unwirksam sein. Aus Abnehmerperspektive ist hervorzuheben, dass ein außerordentliches Kündigungsrecht trotz einer etwaigen Normadressatenstellung der §§ 19, 20 GWB grundsätzlich besteht, insbesondere wenn der Zulieferer den Anlass für die außerordentliche Kündigung gesetzt hat. Ob Nachfragemacht besteht, ist jeweils im Zeitpunkt der fraglichen Handlung zu beurteilen.

Um das Vertragsverhältnis durch eine ordentliche Kündigung zu beenden, ist der dem Vertragsverhältnis zugrunde liegende Liefervertrag (zu dem insbesondere Nomination Letter und Lastenheft gehören können) auf eine etwaige Befristung zu untersuchen. Eine die ordentliche Kündigung grundsätzlich ausschließende Befristung liegt auch vor, wenn den Parteien der Eintritt eines den Vertrag beendenden Ereignisses gewiss war und nur dessen Zeitpunkt für die Parteien zur Zeit des Vertragsschlusses noch nicht absehbar war (etwa das EOP).

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Dr. Markus Wirtz

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